EU und US-Justizministerium schliessen Vergleich mit Microsoft Kartellbehoerden kommen Gates-Company entgegen

22.07.1994

MUENCHEN (jm) - Die Microsoft Corp. hat mit dem US- Justizministerium und der EU-Kommission einen "Consent Decree" abgeschlossen. In diesem verpflichtet sich William H. Gates zu Aenderungen der Software-Lizenzierungspraktiken gegenueber OEM- Partnern und PC-Herstellern sowie zur Modifizierung der Stillschweigeabkommen fuer Vorabeinsichten in Microsofts zukuenftige Betriebssystem-Produkte (siehe auch Kolumne, Seite 9).

Alle anderen Vorwuerfe, deretwegen vor vier Jahren zunaechst die US- Kartellamtsbehoerde Federal Trade Commission (FTC) und ab Herbst 1993 das US-Justizministerium Untersuchungen gegen Microsoft aufgenommen hatten, fanden keinen Eingang in die Vereinbarung. Teilweise waren sie, so Microsofts Chefjustitiar William Neukom, nicht einmal Gegenstand der Verhandlungen.

So stand etwa eine vor allem von Konkurrenten geforderte Aufspaltung von Microsoft in die zwei Firmenkomplexe Betriebssystem- und Applikationsentwicklung nach Worten Neukoms nie zur Debatte. Auch das Problem der rechtzeitigen Offenlegung aller Betriebssystem-Schnittstellen gegenueber Independent Software Vendors (ISVs) fand - zumindest offiziell - keine Erwaehnung.

Das Justizministerium behaelt sich das Recht vor, innerhalb der kommenden sechseinhalb Jahre Microsofts Marktverhalten weiter zu untersuchen und diesbezuegliche Unterlagen anzufordern. Wie Neukom in einem Telefoninterview deutlich machte, richtet sich diese Auflage nach seinem Verstaendnis aber ausschliesslich auf Inhalte des Consent

Decree.

Dieser versucht, Microsofts Geschaeftsgebaren in zweierlei Hinsicht an gueltiges Wettbewerbsrecht anzupassen: Bezueglich der Lizenzierungsvereinbarungen mit OEM-Partnern verpflichtet sich der Softwarekroesus nach den Worten von Brad Smith, Microsofts Rechtsbeauftragtem in Europa, erstens dazu, die Dauer von OEM- Vereinbarungen auf ein Jahr zu begrenzen mit der Option, solche Vertraege um weitere zwoelf Monate zu verlaengern. Bislang war eine Laufzeit von zwei bis drei Jahren ueblich.

Zweitens wird es sogenannte vorauseilende Verpflichtungserklaerungen (advanced commitments) von Hardware- Anbietern nicht mehr geben. In der Vergangenheit hatten sich PC- Hersteller vorab darauf festgelegt, fuer die Dauer einer OEM- Vereinbarung eine bestimmte Menge an Softwareprodukten von Microsoft zu uebernehmen in der Hoffnung, der Softwareriese werde ihnen dann besonders guenstige Preiskonditionen einraeumen. Auch in Zukunft, so Smith, wuerden aber Mengenrabatte vorkommen.

Beschwerden ueber

Lizenzierungspraxis

Heftig umstritten war Microsofts sogenannte Pro-Prozessor- Lizenzierungspraxis, die Konkurrenten in der Vergangenheit vehement als wettbewerbsrechtlich besonders unfair beklagt hatten: Danach sollen die Gates-Marketiers PC-Anbietern dann besonders guenstige Lizenzierungsofferten unterbreitet haben, wenn diese grundsaetzlich fuer jeden verkauften PC Gebuehren an Microsoft abfuehrten. Hierbei war es voellig gleichgueltig, ob auf dem ausgelieferten System ein Microsoft-Betriebssystem installiert war oder etwa ein Konkurrenzpro-

dukt wie DR-DOS.

In diesem Gebaren sahen auch das englische Unterhaus und die EU- Kommission genuegend wettbewerbsverzerrendes Potential, um gegen das Softwarehaus im Fruehjahr/Sommer 1993 Untersuchungen einzuleiten.

Ab sofort haben PC-Hersteller zwei Alternativen: Sie koennen sich zum einen das Recht erkaufen, selbst Betriebssystem-Kopien fuer ihre Systeme zu erstellen und deren effektive Anzahl mit Microsoft abzurechnen.

Nicht ohne Reiz - weil es den Geist der Verhandlungen zwischen Microsoft und den US- und europaeischen Behoerden beleuchtet - ist zum anderen die Variante der Pro-System-Lizenzierung. Neukom und Smith erklaerten, bei dieser Option bezeichne der PC-Hersteller Microsoft gegenueber bestimmte Modellreihen aus den Systemprodukten, etwa die mit einer 486-CPU mit 33 Megahertz getakteten Rechner.

Nur fuer diese ausgewaehlten PC-Familien erkauft sich der Hardware- Anbieter das Recht, Microsoft-Betriebssysteme aufzuspielen. Fuer jeden verkauften Rechner zahlt der Systemanbieter dann Gebuehren an die Gates-Company - ganz egal, ob er tatsaechlich ein Microsoft- Betriebssystem auf dem Rechner installiert hat oder nicht.

Neukom wies gegenueber der COMPUTERWOCHE den Vorwurf zurueck, bei dieser Lizenzierungspraxis handle es sich um eine Mogelpackung, die inhaltlich den vorherigen Pro-Prozessor-Vereinbarungen entspreche:

"Jetzt kann ein Hersteller eine neue Produktreihe einfach umbenennen", erklaerte Microsofts Verhandlungsfuehrer, "die aber technisch eigentlich unveraendert ist, und muss dafuer keine Gebuehren mehr an Microsoft abfuehren."

Der zweite Komplex des Consent Decree betrifft die mit ISVs zu vereinbarenden Nondisclosure Agreements zu Betriebssystem- Produkten: Diese Verpflichtungserklaerungen werden nur noch ueber die Dauer eines Jahres abgeschlossen oder bis zur Markteinfuehrung des betreffenden Softwareproduktes - je nachdem, was zuerst eintrifft.