Peering

EU-Razzia heizt Spannungen zwischen Internet- und Telekom-Branche an

12.07.2013
Eine Razzia europäischer Wettbewerbshüter hat die Telekom-Branche aufgeschreckt. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf den Konflikt von Netzbetreibern und Internet-Firmen. Es geht um den Datenfluss hinter den Kulissen, von dem Verbraucher meist nichts mitbekommen.

Internet-Dienste und Telekom-Netze sind eng miteinander verbunden - doch die Unternehmen der beiden Branchen trennt ein tiefer Graben. Die Telekom-Firmen verweisen auf die stetig steigende Auslastung ihrer Netze durch den Datenverkehr und wollen Geld sehen - eine Art Datenautobahn-Maut. Die Online-Unternehmen weigern sich beharrlich und werfen den Netzbetreibern Wegelagerer-Mentalität vor.

Der seit Jahren köchelnde Konflikt wird meist hinter den Kulissen oder auf Branchenkonferenzen ausgetragen. Am Donnerstag jedoch schwappte er in die Schlagzeilen, als die EU-Kommission eine Razzia bei mehreren europäischen Telekom-Konzernen bekanntgab. Die Brüsseler Behörde nannte wie üblich keine Firmennamen und ließ auch nur verlauten, dass sie einen Missbrauch einer beherrschenden Marktposition vermute.

Die betroffenen Unternehmen wurden rasch ausgemacht: Es sind mit der Deutschen Telekom, dem französischen Riesen Orange (bisher France Télécom) und der spanischen Telefónica drei absolute Schwergewichte der Branche. Mit dem Wesen der Sache ist es komplizierter. Es geht nicht um Preisabsprachen oder eine illegale Marktaufteilung. Nach Informationen aus Branchenkreisen blickt die Kommission tief hinter die Kulissen der Industrie - auf die sogenannten Backbone-Verbindungen. Das sind die mächtigen Daten-Pipelines, über der Internet-Verkehr fließt.

Kaum wahrgenommen von den Verbrauchern, verbinden die Backbones die Netze der einzelnen Anbieter miteinander und halten gewissermaßen das Internet zusammen. Dort kann sich aber auch entscheiden, ob ein YouTube-Video schnell oder langsam lädt, wie französische Verbraucher feststellen mussten. Orange verwies in der Stellungnahme zur EU-Razzia ausdrücklich auf einen Freispruch durch die französischen Wettbewerbshüter in der Auseinandersetzung mit dem US-Netzbetreiber Cogent. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass es auch jetzt um Beschwerden von Cogent oder einen ähnlichen Fall geht.

Über Cogent läuft ein Großteil des YouTube-Datenverkehrs durch die Backbones und die Amerikaner waren mit Orange und anderen europäischen Netzbetreibern aneinandergeraten. In der Branche sind sogenannte "Peering"-Regelungen üblich, bei denen dei gegenseitige Dateneinspeisung nur kostenlos ist, solange in beide Richtungen in etwa das gleiche Volumen fließt. Cogent fand das ungerecht und forderte grundsätzlich eine entgeltlose Durchleitung. Die Franzosen weigerten sich und kappten 2005 in einem aufsehenerregenden Fall zeitweise schlicht die Verbindung.

Auch die Deutsche Telekom führte in den vergangenen Jahren Auseinandersetzungen mit Cogent. Die Amerikaner konnten sich bei der Bundesnetzagentur 2010 jedoch nicht mit der Forderung durchsetzen, ihre Daten müssten entgeltlos eingespeist werden.

Cogent-Chef Dave Schaeffer bestätigte der "Frankfurter Rundschau" (Freitag-Ausgabe) jetzt, dass es Gespräche mit der EU-Kommission gab. Eine formale Beschwerde habe Cogent jedoch nicht eingereicht. Schaeffer kritisierte das "Peering"-Prinzip: Es sei doch so, dass Kunden der Telekom viele Daten von US- und anderen Unternehmen abriefen, die Cogent dann liefere. Wenn Cogent aber mehr Daten an Telekom-Kunden liefere, als das Unternehmen von Telekom-Kunden erhalte, müsse sein Dienst für diesen Überschuss bezahlen. Der Deutschen Telekom machte er deshalb Vorwürfe: "Sie nutzen ihre dominante Marktposition und wollen Unternehmen, die wie wir Inhalte liefern, dazu zwingen, Zugang zu ihren Netzen zu kaufen."

Eine Lösung des Grund-Konflikts zwischen Telekom-Firmen und Online-Diensten ist unterdessen weiterhin nicht in Sicht. Mit den wachsenden Datenmengen wird der Ton nur noch rauer. So warf der scheidende Telekom-Chef René Obermann der Internet-Branche in diesem Jahr eine Trittbrettfahrer-Mentalität vor. Ihre Devise sei: "Ihr investiert, wir schöpfen die Gewinne ab", kritisierte Obermann beim Mobile World Congress in Barcelona. Diese Situation sei auf Dauer nicht tragbar. (dpa/tc)