Web

EU-Parlament: Spagat zwischen Privatsphäre und Datenspionage

31.05.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Das Europäische Parlament hat gestern in zweiter Lesung die Richtline "über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation" verabschiedet. Der so genannte "Cappato-Bericht" regelt unter anderem den Umgang mit Cookies und elektronischer Werbung. Gegenüber dem ursprünglichen Antrag haben die Parlamentarier den Schutz der Privatsphäre erweitert. Demnach dürfen als Spam bezeichnete Werbe-E-Mails nur solchen Privatpersonen geschickt werden, die vorher im so genannten Opt-in-Verfahren ausdrücklich zugestimmt haben. Die Mitgliedsstaaten sollen also keine Opt-out-Modelle mehr zulassen. Auch die Regelungen für Cookies wurden verschärft. Internet-Nutzer müssen laut Richtline nun deutlicher als bisher über die Verwendung von Cookies informiert werden. Außerdem müssen sie die

Möglichkeit haben, Cookies abzulehnen.

Weich ist dagegen die Regelung zur Speicherung von Verbindungsdaten. Zwar schreibt die Richtline fest, dass Daten nur in einer der demokratischen Gesellschaft angemessenen, verhältnismäßigen und zeitlich begrenzten Form erhoben werden dürfen. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass die zeitliche Begrenzung nicht näher definiert werde. De facto handle es sich also um eine Genehmigung für die zeitlich unbeschränkte Speicherung von Daten. Auch die im Papier verankerten Verweise auf den Schutz der Menschenrechte und die Charta der Grundrechte der EU würden nicht weiterhelfen. Das seien lediglich Floßkeln, so die Kritiker. Die Richtline öffne dem Zugriff auf persönliche Kommunikation Tür und Tor, bemängelt auch die Europa-Abgeordnete von Bündnis90/Grüne Ilka Schröder.

In Deutschland dürfen ISPs (Internet Service Provider) bislang Verbindungsinformationen höchstens drei Monate aufbewahren. Die Dienstleister speichern außerdem nur, welcher Kunde wie lange im Netz war. Welche Web-Angebote genutzt wurden, wird nicht ermittelt. Heute stimmt der Bundesrat über den Gesetzentwurf "zur Verbesserung der Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Vollstreckung freiheitsentziehender Sanktionen" ab. Er sieht vor, Daten in Zukunft mindestens drei Monate lang zu speichern. Außerdem soll auch das Surf-Verhalten der Kunden erhoben werden. Noch im März waren die Bundesländer Bayern und Thüringen mit dem Vorhaben gescheitert, eine Mindestfrist einzuführen. Experten rechnen jedoch damit, dass im Bundesrat nun eine Mehrheit für die Gesetzesvorlage zustande kommt, da sich die Machtverhältnisse durch den Regierungswechsel in Sachsen-Anhalt

im April geändert haben. Ob das Gesetz auch vom Bundestag verabschiedet wird, sei jedoch fraglich. (lex)