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EU legt umstrittenen Neuentwurf zu Softwarepatenten vor

21.02.2002
Die EU-Kommission hat einen Vorschlag veröffentlicht, der die Patentierung ausschließlich technischer Innovation in Software vorsieht. Laut Open-Source-Gemeinde steckt dahinter die BSA.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Europäische Kommission hat gestern einen " Vorschlag für eine Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen" veröffentlicht, um den sogleich ein heiße Diskussion entbrannt ist. Kernpunkt des Papiers ist die Aussage, Software solle auf dem Gebiet der Europäischen Union künftig nur dann patentierbar sein, wenn sie "einen Beitrag auf einem Gebiet der Technik leistet, der für einen Fachmann nicht nahe liegend ist".

Dieser Ansatz beschränkt sich auf die technische Natur von Anwendungen und schließt Geschäftsmethoden aus. Er geht damit einen viel eingeschränkteren Weg als entsprechende Regelungen in den USA und Japan, die auch Geschäftsmethoden einschließen - zum Beispiel die "1-Click"-Technik des Online-Händlers Amazon.com. Frits Bolkestein, der für den EU-Binnenmarkt zuständige Kommissar, sieht den Vorschlag als sinnvollen Kompromiss zwischen dem amerikanisch-japanischen Ansatz und der Position des Open-Source-Lagers, das Softwarepatente grundsätzlich ablehnt. "Der US-Ansatz ist zu restriktiv, wohingegen der Open-Source-Ansatz zu liberal ist", erklärte Bolkestein. Zu erwartende Beschwerden aus den Staaten werde man "standhaft einstecken", so der Kommissar weiter.

Ungemach droht aber auch innerhalb der Gemeinschaft, nicht zuletzt von Seiten des Europäischen Patentamts in München. "Das EPA hat zuletzt eine restriktiveren Ansatz verfolgt und Patente auf Applikation selbst erteilt", konzedierte Bolkestein. "Die Mitgliedsstaaten warten mit Spannung auf die Position der Kommission."

Wer innerhalb der EU Software zum Patent anmelden möchte, kann dies entweder bei der nationalen Behörde oder dem EPA tun. Gültig sind erteilte Patente zurzeit anschließend aber nur nach nationalem Recht (für Firmen ein teurer Spaß, denn sie müssen jede nationale Behörde separat bezahlen). Die Kommission sieht daher dringenden Handlungsbedarf für eine Harmonisierung, um eine EU-weite Rechtssicherheit zu schaffen.

Aus Sicht der Business Software Alliance (BSA) geht der Vorschlag der Kommission nicht weit genug. Francisco Mignorance, Director European Public Policy, erklärte die Autoren "hätten eine Reihe von Rückschritten gemacht". Microsofts Vice President Corporate Strategy EMEA Richard Roy erklärte, die vorgeschlagenen Regelung erlaube Softwareanbietern immer noch die Patentierung echter Innovationen.

Ausgesprochen scharf fällt die Reaktion von FFII (Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur) und Eurolinux aus. Deren Sprecher Hartmut Pilch bezeichnete die Richtlinie in einer Stellungnahme als "verlogenes und dummdreistes Manöver". Das Papier stamme "direkt aus der Feder eines von Microsoft beherrschten amerikanischen Verbandes" [gemeint ist die BSA, Anm. d. Red.]; die Presseerklärung der Kommission stimme nicht mit dem Inhalt der Richtlinie überein.

Pilch warnt vor möglichen Folgen, unter anderem der Einführung einer grenzenlosen Patentierbarkeit aller Ideen, einer Legalisierung von über 30.000 vom EPA gesetzeswidrig erteilten Patenten, massivem Diebstahl geistigen Eigentums, Verlangsamung der Software-Innovation sowie der Beseitigung und Aushöhlung von Grundrechten der Bürger in der Informationsgesellschaft. Ausführlicher könnnen Sie die Meinung der Patentgegner auf den Seiten der FFII nachlesen.

Den kompletten Entwurf der Kommission können Interessenten hier als PDF-Dokument aus dem Netz laden. Sollte das Papier verabschiedet werden, müsste es binnen 18 Monaten in nationales Recht der 15 Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. (tc)