Markteinführung von Windows XP nicht gefährdet

EU-Kommission stellt Kartellverfahren gegen Microsoft auf breitere Basis

07.09.2001
MÜNCHEN (CW) - Die EU-Kommission hat dem Kartellverfahren gegen Microsoft nach eigenem Dafürhalten eine "neue Dimension" gegeben. Sie weitete das im August 2000 eingeleitete Verfahren auf die möglicherweise unrechtmäßige Kopplung des Media Players mit dem Windows-Betriebssystem aus. Außerdem wirft die europäische Behörde dem Konzern vor, Konkurrenzunternehmen Software-Code vorzuenthalten und ein Lizenzierungsgebaren der weniger feinen Art an den Tag zu legen.

Mit dem kartellrechtlich zu beanstandenden Lizenzierungsverfahren für "Windows 2000" habe Microsoft versucht, seine dominierende Position auf dem Markt für PC-Betriebssysteme auch auf das Segment für Server auszudehnen. Kunden, die Serversoftware von einem Konkurrenten kauften, müssen laut Aussagen der EU-Kommission hierfür einen doppelt so hohen Preis zahlen wie Kunden, die ein PC-Betriebssystem im Paket mit Serversoftware von der Gates-Company erwerben. Da Servernetze das Herz des Internets darstellten, müssten alle Anstrengungen unternommen werden, um eine Monopolbildung durch rechtswidrige Praktiken zu verhindern, ließ EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti verlauten. Im Gegensatz zum US-amerikanischen Kartellrechtsverfahren, das auch Windows XP ins Fadenkreuz nimmt, untersucht die EU-Behörde das für den 25. Oktober 2001 zur Markteinführung vorgesehene Betriebssystem nicht.

Auch Wettbewerbern, die Konkurrenzsoftware zum Media Player anbieten, spielt Microsoft nach Überzeugung der Kartellbehörde nicht besonders gut mit: Der Softwaregigant weigere sich, solchen Wettbewerbern Software-Code für das Windows-Betriebssystem zu geben. So könnten diese ihre Multimedia-Software nicht auf Microsofts Betriebssystem anpassen. Microsoft habe, so die EU-Behörde, dabei ein "Freund-Feind"-Verfahren angewandt und sich bei der Weitergabe von Software-Code ausgesprochen restriktiv und diskriminierend verhalten. Außerdem, so der weitere Vorwurf, sei es technisch nicht einfach, den Media Player aus Windows zu entfernen. Dies bedeute indirekt eine Benachteiligung der Konkurrenz. Microsoft hat jetzt zwei Monate Zeit, auf die Kritikpunkte der Kommission zu antworten. Der Konzern kann auch eine Anhörung in Brüssel beantragen. Die geplante Markteinführung von Windows XP ist durch die Bedenken der EU-Behörde allerdings nicht gefährdet, erklärte Microsoft.

Prozessbeginn in 14 TagenDerweil wird das US-amerikanische Kartellrechtsverfahren gegen Microsoft am 21. September durch die frisch ernannte Richterin Colleen Kollar-Kotelly wieder aufgenommen. Sie wird entscheiden müssen, ob der Gates-Konzern seinen Internet-Browser unrechtmäßig mit dem Windows-Betriebssystem gekoppelt hat. Auch steht noch die aus dem erstinstanzlichen Urteil aufgeworfene und in der zweiten Instanz verworfene Frage der Aufteilung des Konzerns im Raum.

Microsoft versucht derweil in den USA auf Zeit zu spielen: Es hat eine förmliche Bitte beim Supreme Court eingereicht und gebeten, der Bundesgerichtshof möge die Urteilsfindung der zweiten Instanz selbst begutachten. Das Verfahren sei nunmehr "reif" für eine Anhörung vor dem obersten US-Gericht. Diesen Vorstoß hat das Justizministerium beim Supreme Court mit seiner Ansicht gekontert, Microsoft habe nicht dargelegt, warum das Kartellverfahren vor dem obersten Bundesgericht abgewickelt werden soll. Die Bundesjustizbehörde will deshalb auch, dass der Supreme Court Microsofts Begehren abschlägig behandelt und der Prozess vor der niedrigeren Instanz wie geplant am 21. September seinen Fortgang nimmt.

In zweiter Instanz hatte der Richter entschieden, dass Microsoft im Markt für PC-Betriebssysteme ein Monopol hält und dies missbräuchlich benutzt habe. Außerdem sei die Kopplung von Internet-Browser und Betriebssystem nicht rechtmäßig. Das erstinstanzliche Urteil, wonach Microsoft in mehrere Teile zerschlagen werden müsse, hatte die zweite Instanz allerdings aufgehoben.