Mit Parallelrechner gegen etablierte Vektor-Konkurrenz:

ETA Systems geht, Evans & Sutherland kommt

09.06.1989

MÜNCHEN(ch) - Trotz des jüngsten Schiffbruchs des Superrechner- Herstellers ETA Systems scheint dieser Markt immer noch attraktiv genug, Einsteiger anzulocken. Der Grafikworkstation-Hersteller Evans & Sutherland versucht es jedenfalls mit einem neuen Konzept: Ein skalarer Parallelrechner soll dem Unternehmen ein Stück vom Supercomputer-Markt sichern.

Vektorisierung, so die These des Anbieters, sei entbehrlich - viele Vektorpipelines seien ohnehin kaum ausgelastet. Parallelisierung heiße stattdessen jetzt die Parole. Der größte Teil aller Number-Cruncher-Applikationen erreiche ohnehin nur einen Vektorisierungsgrad von weniger als 70 Prozent. Damit komme aber ein typischer Vektorrechner auf noch nicht einmal 15 Prozent seiner theoretischen Maximalleistung. Viele dieser Anwendungen lassen sich laut Evans & Sutherland jedoch bis zu einem gewissen Grad parallelisieren. Dabei könne die Maschine jedenfalls besser ausgelastet werden, denn bei niedrigen Parallelisierungsgraden würde das Betriebssystem dann eben mehr Jobs gleichzeitig bearbeiten können.

Dies sind die Überlegungen, von denen das Unternehmen bei der Konzeption seines als Supercomputer bezeichneten neuen Number Crunchers ES- 1 ausging. Die Maschine läßt sich mit bis zu acht parallel arbeitenden Zentraleinheiten ausstatten. Jede Zentraleinheit ist wiederum mit 16 " Computational Units" bestückt. Die Zentraleinheiten greifen gemeinsam auf einen bis zu 2 Gigabyte fassenden realen Hauptspeicher zu. Die Rechenleistung, die sich damit erzielen läßt, beziffern die Schöpfer der Maschine auf 120 MIPS, gleichbedeutend mit 120 Double-Precision-Megaflops je Prozessor; eine von auskonfigurierte ES-1 käme demnach auf 1280 MIPS und genauso viele MFLOPS. Die so erzielten Ergebnisse lassen sich über bis zu 64 E/ A-Kanäle mit je 20 MB pro Sekunde nach außen bringen.

Die Softwareausstattung wird unter anderem parallelisierende Compiler für Fortran und C enthalten. Als Betriebssystem dient eine Unix-Variante, die ebenfalls in gewissem Umfang Parallelverarbeitung unterstützt und die Arbeitslast im Rechner dynamisch verteilen soll. Bis zu etwa 100 User werden gleichzeitig bedient; dabei erfolgt die Kommunikation der Anwender mit dem Number Cruncher nicht über Vorrechner, wie in der Supercomputerei sonst allgemein üblich, sondern direkt vom intelligenten Grafikterminal mittels Ethernet zum Rechner.

Bis zur Auslieferung der Maschine - die noch in diesem Jahr erfolgen soll - will der Hersteller eine Reihe poulärer Vektorrechner-Programme auf die ES-1 portiert haben. Welche das sein werden, will er jedoch erst in einigen Wochen bekanntgeben. Jedenfalls zielt er damit in die Märkte für Computational Chemistry - wo Evans & Sutherland, nach eigener Darstellung, bereits einen Marktanteil von 80 Prozent hält - sowie Mechanical und Electrical Engineering und der Simulatoren, hier besonders der Flugsimulatoren. Die Maschine soll bei vergleichbarer Leistung deutlich billiger als ein herkömmlicher Superrechner ausfallen: Die Basiskonfiguration mit zwei Prozessoren und 320 MIPS / MFLOPS soll für rund 3 Millionen US-Dollar zu haben sein, eine von auskonfigurierte Maschine (8 Prozessoren, 1280 MIPS / MFLOPS) für 8 Millionen Dollar.

Erste Reaktionen potentieller Anwender zeugen von einer gewissen abwartenden Skepsis. So rechnete ein Supercomputer-Experte vor, daß bei einem Parallelisierungsgrad von 80 Prozent und 64 parallel arbeitenden Prozessoren die Rechenleistung lediglich um den Faktor 4,7 gegenüber rein sequentieller Verarbeitung ansteige - und dies sei noch ein theoretischer Höchstwert ohne Berücksichtigung der Maschinenparameter. Allerdings sei in der Praxis auch der Vektorisierungsgrad gegenüber den von den Herstellern propagierten Spitzenwerten häufig enttäuschend gering. Insofern hänge es entscheidend von der Struktur der Anwendung ab, mit welchem Ansatz sich ein Problem effektiver lösen lasse. "Da kann man nur ausprobieren, wie es besser geht", meinte der Fachmann.