Esther Dyson ueberrascht mit neuer Geschaeftsidee: Gebuehrenpflichtige Software gehoert kuenftig zum alten Eisen

03.11.1995

AMSTERDAM (ade) - Der forcierte Wettbewerb wird Software-Anbieter dazu zwingen, ihre Produkte kuenftig kostenlos abzugeben. Mit dieser Perspektive verblueffte Esther Dyson, Herausgeberin des monatlich erscheinenden "Newsletter" und President der US-Company Edventure Holdings, New York, das Publikum des diesjaehrigen Kongresses Softexpo-Europe '95. Waehrend dieses Konzept dort auf Kritik stiess, wird es in Deutschland bereits von der Unternehmensgruppe Advantage praktiziert (siehe Seite 16).

"Was waere, wenn Software kostenlos angeboten wuerde?", provozierte Dyson die fast ausschliesslich aus Software-Entwicklern bestehenden Teilnehmer der zweitaegigen Veranstaltung in der niederlaendischen Metropole Amsterdam.

Es gilt kuenftig, "intellektuelles Eigentum in intellektuellen Service umzuwandeln", forderte die Referentin. Die Entwicklung, Produktion und Distribution von Software werde zunehmend billiger, wodurch das Angebot rasch wachse. Gleichzeitig koennten Benutzer leicht bedienbare Entwicklungs-Tools immer preisguenstiger erwerben. Diese Umstaende bewirkten, dass Software-Anbieter stetig sinkenden Margen ausgesetzt seien. Auch der Trend zur objektorientierten Entwicklung fuehre dazu, dass Anwender eigene Applikationen fuer die taegliche Arbeit zunehmend wieder selbst entwickelten. "Software-Unternehmen muessen sich andere Geschaeftsstrukturen einfallen lassen, um ueberleben zu koennen", so die Sponsorin der jaehrlich veranstalteten Konferenzen "PC Forum" und "East-West High-Tech Forum".

Die Dienstleistungen bestimmen das Geschaeft

Um im Wettbewerbsgerangel um Marktanteile von Erfolg gekroent zu sein, sollten Softwarehersteller auf Einnahmen aus dem Bereich Dienstleistung setzen. Dazu zaehlten Wartung, Training, Service und nicht zuletzt die oftmals benoetigte spezifische Einrichtung der einzelnen Applikationen fuer spezielle Systemanforderungen.

Der grosse Vorteil der kostenlosen Distribution bestehe darin, dass man in relativ kurzer Zeit zahlreiche Abnehmer erreiche. Dies helfe den Anbietern, zahlungskraeftige Sponsoren und somit neue Einnahmequellen fuer ihre Produkte zu finden. "Alleine der Werbeeffekt kostenloser Software ist die Einfuehrung eines solchen Geschaeftsmodells wert", begruendete Dyson.

Erste Software-Anbieter, die mit aehnlichen Strategien von sich reden machten, hatte Dyson bereits parat. Die Netscape Corp. etwa, die erst kuerzlich zur Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, sei ein Beispiel dafuer, wie sich kleine Hersteller mit kostenlosen Produkten eine goldene Nase verdienen koennen. Der Anbieter hatte die Version 1.0 und 1.1 des Internet-Browsers "Navigator" umsonst abgegeben und in wenigen Monaten viele Kunden und Aktienkaeufer gewonnen. Weniger Erfolg prophezeit Dyson dem Hersteller mit der Version 1.2, die Netscape kostenpflichtig unter die Leute bringen will.

Aehnlich sei auch der Erfolg des Finanzprogramm-Spezialisten Intuit zu erklaeren. Der Hersteller verkaufe seine in diesem Bereich fuehrende Software "Quicken" zu einem sehr niedrigen Preis. Die begleitende Werbekampagne allerdings habe dem Anbieter schlagartig einen gigantischen Kundenkreis eingebracht.