ESA verändert Anforderungen an SAP-Profis

24.02.2006
Von Manuel Okroy

Kiessle ist sicher, dass die Spezialisierung auf Branchenprozesse weiterhin relevant bleibt, sie müsse nur durch Kenntnisse zu offenen Standards und Schnittstellen ergänzt werden. "Und die Götter werden verschwinden. Das SAP-System ist nicht mehr geschlossen wie früher, der Berater der Zukunft muss sich mit Standards und Integration auskennen. Das macht ihn weiterhin wichtig, aber er wird kein individuelles Herrschaftswissen mehr für sich vereinnahmen können."

Berater wird zum Solution Architect

Dieser kulturelle Wandel ist das Wichtigste, was den SAP-Experten von morgen von dem von gestern unterscheidet. Hat der Berater früher von einem Wissen profitiert, das nur er hatte, und wusste er, in welchen Tabellen welche Prozessfunktionen lagen, ist dieses Wissen heute öffentlich, weil dokumentierte Schnittstellen vorhanden sind. Komplexe SAP-Systemlandschaften sind keine geschlossene Welt mehr. "Das Abbilden von Prozessen wird einfacher. Wie diese Prozesse jedoch aussehen können, wie sie idealerweise für ein Unternehmen, eine Branche zu gestalten sind, das wird die Kompetenz eines SAP-Experten in Zukunft entscheidend ausmachen. Und hier kann er aus dem Fundus seines betriebswirtschaftlichen Wissens schöpfen, das er sich aufgebaut hat."

Kiessle sieht die Zukunft gelassen: Ein Berater, der die Prozesse einer Branche oder bestimmter Abteilungen wie HR oder Finanzen nicht kennt, kann sie auch nicht sinnvoll umsetzen. Der Berater benötigt Wissen über Branchen, über gesetzliche Bestimmungen, über Prozesse. Und er muss weit über die (bisherige) Einzelkomponente hinaus denken und planen können. Er muss das Solution Management beherrschen, muss Geschäftslogik in der Welt von ESA in UML-Prozesse abbilden können. Kurz, er wird zum Solution Architect. "Hier werden wir eine völlig neue Form von Generalisten erleben: Denn Netweaver-Technologie wird das Generalthema, das man beherrschen muss. Daneben ist Spezialisierung nach wie vor gefragt."

Zertifizierung macht den Master

Ob SAP-Retail-Berater, Netweaver-Experte, SAP-Systemarchitekt oder gar SAP-Cross- Function-Engineer, die Bezeichnungen für SAP-Experten sind so vielfältig wie das Portfolio des Softwaregiganten. Unter dem Namen Pace (Process Aligned Competence Excel-lence) hat SAP intern nun Beraterprofile für Technologie-, Entwicklungs- und Anwendungsberater entwickelt. Für Berater lassen sich darauf zugeschnittene spezifische Zertifizierungsprogramme ableiten, die die Walldorfer anbieten. Zudem haben auch SAP-Bildungspartner Kurse des Softwarehauses im Programm.

Lösungsorientierte Schulungen führen zu der zertifizierten Qualifikation Anwendungsberater Mysap Business Suite, mit Spezialisierung auf HCM, CRM, PLM oder SCM. Darüber hinaus sind Seminare insbesondere für Solution Architects geplant: Hier wird das Wissen zu integrierten Geschäftsprozessen und ein breites Verständnis zur Abbildung betrieblicher Geschäftsprozesse innerhalb der Lösung Mysap ERP vermittelt. Der Solution Architect wird der SAP-Generalist von morgen werden, der Prozess- mit Technologiewissen verbindet.

Die Prozesskette entscheidet

SAP-Partner wie Accenture bewerten die Situation ähnlich wie der Hersteller selber. So betont Hans-Detlef Weber, Associate Partner bei Accenture und verantwortlich für SAP-Projekte und -Ausbildung, die Abbildung von durchgängigen Prozessketten als eine Kompetenz, die jeder Berater, jeder Entwickler und Systemintegrator aufweisen müsse: "Die Kunden wollen Prozesse betreiben, keine Applikationen anwenden. Ein Berater braucht daher, zusätzlich zu seinem Spezialwissen, einen fundierten Überblick über das Zusammenspiel der SAP-Technologieplattform, der Anwendungsmodule und der Prozessintegration. Nur so kann er End-to-End-Prozesse souverän umsetzen." Der Blick über den Tellerrand der funktionalen Betrachtung ist also unabdingbar. "Entscheidend ist auch hier wieder die Plattform", so Weber: "Mit SAP Netweaver sind solche Prozessketten applikationsübergreifend und durchgängig darstellbar. Das Wissen über dieses Potenzial zeichnet den SAP-Experten von morgen aus."