Interview

"Es wird eine Menge Rummel um XML gemacht"

17.04.1998

CW: Seit wann beschäftigt sich Microsoft mit XML (Extensible Markup Language)?

Bosworth: Etwa seit Juni 1996.Im Februar 1997 erklärten wir XML zu einem Schlüsselfaktor unserer Unternehmensstrategie.

CW: Wie weit sind wir von der Übertragung von Daten durch Web-Applikationen mittels XML entfernt?

Bosworth: Zu 90 Prozent sind wir da.XML kann schon jetzt Informationen vom Server zum Client und zurück übertragen.Unser Vorschlag an das W3C (World Wide Web Consortium, Anm. d.Red.), "XML-Data", soll außerdem zu einer Kontrolle über die Datentypen führen.

CW: Was beinhaltet XML-Data?

Bosworth: Im Kern geht es darum, daß ein Programm beispielsweise bei einer Aktie nicht nur weiß, daß es einen Preis und ein Kaufdatum gibt, sondern zusätzlich, daß der Preis eine Nummer ist.Auf diese Weise kann die Applikation Preise addieren oder Mittelwerte errechnen, und sie kann ein Datum vom Preis unterscheiden.Zur Zeit arbeiten wir vor allem daran, XML leistungsstärker zu gestalten.Wir wollen es ein wenig besser und ein wenig schneller machen.Dazu sollten einige W3C-Standards erweitert werden.

CW: Also ist XML nicht das Allheilmittel für sämtliche Web-Probleme?

Bosworth: Es wird eine Menge Rummel um XML gemacht, aber es gibt keine Wundermittel.Bei der Darstellung von Web-Seiten mit Hilfe von XML bestehen viele ungelöste Fragen.Das ist einer der Gründe dafür, daß wir uns frühzeitig auf XML als Werkzeug zum Informationsaustausch zwischen Anwendungen und nicht als Ersatz-Präsentationsmodell konzentriert haben.

CW: Wie sieht das XML-Präsentationsmodell aus?

Bosworth: Auf der Präsentationsseite sollte die Industrie langsam und vorsichtig agieren.Wenn jeder, wie mit XML, ohne feste Regeln seine eigenen Tags (HTML-Befehle, Anm. d.Red.) erzeugt, entsteht ein Problem.Uns geht es darum, wie Applikationen miteinander und mit dem Client kommunizieren können. Da gibt es eine riesige Chance, Informationen offen auszutauschen.Wir sollten uns darum zuerst kümmern.

CW: Warum hat sich XML so rasant entwickelt?

Bosworth: Als ich im Dezember 1996 anfing, mich bei Microsoft offiziell damit zu beschäftigen, dachte ich, das Thema sei bedeutend genug, um ein eigenes Team zu gründen.Der häufigste Kommentar war: "Was ist XML?Erzähl mir mehr darüber", und nicht: "Oh ja, wir verstehen, daß dies ein strategischer Kernbereich ist."Ich glaube, XML hat sich so schnell entwickelt, weil einfach der Bedarf da ist.XML ermöglicht vielen, ihre Anwendungen zu öffnen und sie mit anderen Komponenten und Anwendungen zusammenarbeiten zu lassen, ohne viel komplizierten plattformspezifischen Code schreiben zu müssen.

CW: Was muß geschehen, damit XML reif wird für die Masse der Anwender?

Bosworth: Reif ist ein interessanter Ausdruck.Technisch ist es reif, aber man muß noch mehr Code schreiben, als man sollte.Wir wollen, daß Name Spaces (eine Reihe von einmaligen Namen, Anm. d.Red.) implementiert und nicht nur übernommen werden.Wir wünschen uns die Unterstützung von Datentypen.Wir wollen, daß Objektarchitekturen sich mit ihrem Pendant auf einer anderen Plattform über Anwendungen verständigen können, die nicht auf derselben Architektur basieren.Wir brauchen eine Komponente, die zuverlässig auf dem Server läuft.All dies ließe sich mit XML realisieren.Was wir dann noch brauchen, ist eine Methode, um die Art der XML-Daten auf einer Web-Site zu identifizieren.Etwa so, als wenn Sie eine Suchmaschine für Bücher schreiben wollten, die verschiedenen Sites die Frage stellt: "Verkaufen Sie Bücher?" und, falls nicht, schnell wieder verschwindet.Wir arbeiten daran mit einer Reihe von Partnern.Sie können das zwar auch jetzt schon tun, allerdings nur auf die Weise, mit der Yahoo seinen Katalog erstellt: Menschen suchen nach Seiten und geben Beschreibungen ein.Das ist nicht so leistungsfähig, als wenn eine Suchmaschine das automatisch erledigen würde.