Überreaktionen kennzeichnen Hilflosigkeit vieler Unternehmer:

"... es scheint, als werde der Mikro heute totorganisiert..."

30.11.1984

Der Mikrocomputer wird zunehmend kommunikations- und damit auch hoffähig, um im Dunstkreis der Groß-DV eine Rolle zu spielen. Dabei wird vielfach übersehen, daß gerade die Anbindung der PC an den Mainframe der Idee des "persönlichen" Computers widerspricht. Denn der Eigentumsgedanke hat den "Power Knirps" eigentlich zu dem gemacht, was er ist: Ein Mittel zur Produktivitätssteigerung am Arbeitsplatz, um die sich die

zentrale DV in den Unternehmen bisher nur wenig gekümmert hatte. Überspitzt formuliert wurde der Mikro von Leuten eingesetzt, deren bloße Existenz den meisten DV-Chefs oft nicht bewußt waren, geschweige denn daß sie mit Lösungen für deren Rationalisierungswünsche aufwarten konnten. COMPUTERWOCHE sprach mit Reinhard Strobel, Geschäftsführer der MicroPro International GmbH, München, über diese Thematik.

- Erst als die Mikros in den Fachabteilungen überhand nahmen, erkannten die Verantwortlichen in den Unternehmen, daß sich hier eine zweite DV-Welt auftat. Nun wird versucht diese bisher eigenständige Welt in das Gesamtkonzept zu integrieren.

Ich habe in früheren Veröffentlichungen davon gesprochen, daß der Mikro eine Herausforderung an die Unternehmensorganisation ist. Damit hatte ich die Hoffnung verknüpft, daß die Bedürfnisse am Arbeitsplatz analysiert werden und dann den Grad und die Hilfsmittel der DV für den Arbeitsplatz bestimmen.

Derzeit habe ich oft den Eindruck, daß der Mikro heute totorganisiert wird. Die Integration ist in einigen Fällen sicherlich notwendig, in vielen anderen Fallen wird jedoch durch die Anbindung an die restriktive Welt der Groß-DV eine Evolution und damit viele Eigeninitiativen getötet. Dabei hat die PC-Kommunikationsfähigkeit viele Facetten; die Anbindung an das Rechenzentrum ist nur ein Teil der Möglichkeiten.

- Diese Variante der Kommunikation ist ja technisch heute durchaus im Bereich des Möglichen. Aber warum gibt es so wenige Realisierungen?

Nehmen wir die Local Area Networks (LAN) als Beispiel. Meiner Meinung nach gibt es zwei Hemmnisse die einer weiten Verbreitung entgegenstehen: Erstens die nicht vorhandene Standardisierung speziell auf der Software-Seite und zweitens eine nicht nachweisbare Wirtschaftlichkeit, denn Hard- und Softwareprobleme summieren sich beträchtlich.

Hinzu kommt, daß die Datenspeicherung einem zentralen File Server als Daten Master Station für viele emanzipierte PC-"Eigner" wieder ein Rückfall in alte Abhängigkeiten ist. Der File Server ist eine allgemein nutzbare Datenstation und damit sofort wieder mit viel organisatorischem Aufwand verbunden. Fragen der Datenorganisation, der Datensicherheit sowie Zugriffsrechte werden wieder aktuell und haben Ausmaße wie wir sie heute bei DDP-Anlagen kennen.

- Die Anwendungen von LANs ohne Master Station sind derzeit zwar noch begrenzt, werden jedoch an Bedeutung gewinnen. Die Softwareschnittstellen werden ja derzeit auf Betriebssystemebene standardisiert.

Richtig, auf einer Ebene also, wo Kommunikation auch hingehört, die aber einen Betriebssystemstandard voraussetzt. Gerade diese Betriebssystem-Vielfalt wird in der Mikro-Welt ohnehin abgebaut; der Weg geht zur IBM-Kompatibilität. Die Hardware-Entwicklung wird sich von der Betriebssystem-Seite langsam zum Multi-Tasking (PC-DOS) und dann zum Multi-User-fähigen System hin entwickeln.

- Diese Entwicklung auf der Software-Seite beinhaltet jedoch nicht nur die Betriebssystemseite sondern auch - oder gerade - Kommunikation (LAN) und Benutzeroberfläche.

Mit der vereinheitlichten Benutzeroberfläche wird ein freies Zusammenstellen von Einzelmodulen möglich, die auf Arbeitsplatzbedürfnisse zugeschnitten sind.

- Wird aber damit nicht der Boden den sogenannten integrierten Anwendungspaketen entzogen?

Die Kommunikations Komponente ist derzeit auf LAN beschränkt (IBM-LAN oder MS-NET). Eine Integration im Rechnerverband ist auf der Betriebssystemseite derzeit nicht verfügbar. Emulatoren für Terminal oder RJE sind jedoch verfügbar und können bei Bedarf eingesetzt werden, wobei aber mit Schwierigkeiten bei der Anwendersoftware zu rechnen ist.

- Zurück zum Software-Umfeld der nahen Zukunft. Die derzeit gängige Mikro-Software ist auf der Kleinrechner-Ebene durchaus verknüpfbar. Schon heute bietet beispielsweise Wordstar eine einfache Datei-Schnittstelle, so daß Daten aufs Datenbankprogrammen jederzeit aufbereitet werden können. Einige Programme wie dBase oder Lotus 1-2-3 bieten eine Wordstar-Schnittstelle standardmäßig an.

Wichtig erscheint mir die Auswechselbarkeit der Einzelmodule zur Anpassung an die Erfordernisse des Arbeitsplatzes. Zusammenfassend kann gesagt werden: Auf der Kommunikationsebene der Mikros untereinander zeichnet sich eine einheitliche Lösung ab, die es ermöglicht, Arbeitsergebnisse auf Sachebene austauschbar zu machen und dies unter Beibehaltung der Benutzeroberfläche.

- Anders sieht die Sache wohl bei der Einbringung der PC-Ebene in die Groß-DV aus.

Ja, die unterschiedlichen Datenstrukturen, der komplexere Aufbau von Groß-DV-Software, stellen Hindernisse dar, die durch das "Striche ziehen" der Datenverarbeitungs-Strategien nicht gelöst werden. Kommunikation heißt auch gerade Kompatibilität - und die kann es in so unterschiedlichen Welten nicht geben.

- Trotzdem ist natürlich der Ruf nach Datenaustausch zwischen Mikro und Mainframe beziehungsweise vice versa verständlich und im Sinne von Datenintegrität auch gefordert.

Der Außendienst einer Versicherung sollte wohl nicht seine eigene Datenbank verwalten, auch wenn dies technisch kein Problem wäre. Die Emulation eines Groß-DV-Terminals löst das Problem auch nicht, denn dies ist nur ein Fenster in die Groß-DV. Deshalb ist es notwendig die Daten aus der Zentrale in den PC zu transferieren und dort auf das jeweilige Datenformat des angewendeten Tools anzupassen.

So ist zum Beispiel der Prozeß der dezentralen Textverarbeitung mit Integration von Zentraldaten ein mehrstufiger Prozeß.

1. Stufe: Lokale Textverarbeitung auf dem Mikro.

2. Stufe: Übertragung der Groß-DV-Datei in den PC mit gleichzeitiger Formatumwandlung.

3. Stufe: Integration der Daten in die Textverarbeitung und Ausdruck.

4. Stufe: Eventuell Mischen mit Grafik.

- Die Frage nach dem Sinn der dezentralen Verarbeitung stellt sich damit natürlich. Warum nimmt man nicht ein 3277-Terminal anstelle eines Mikro?

Aus einer Menge von Argumenten dazu ein paar Hinweise: Die Software auf PCs ist schlichtweg leistungsfähiger. Moderne Tools erlauben eine Aufbereitung, die auf der Großanlage nur sehr viel teurer erkauft werden kann.

Außerdem sind die Anforderungen an einen Mikro-Arbeitsplatz mehrfunktional, das heißt die Verarbeitung lokaler Daten und die Verarbeitung zentraler Daten sind mindestens gemischt oder sollten es zumindest sein.

- Als Ersatz für ein Terminal taugt der Mikro nach Ansicht vieler Fachleute nur bedingt. Datenschutz und Ergonomie sind nur zwei Stichworte von vielen.

Ja, aber andererseits ist der Mikro als Werkzeug an vielen Arbeitsplätzen sehr gut geeignet. Der Haupteinsatz von Mikros wird nach wie vor der "persönliche" Computer am Arbeitsplatz sein: Als produktives Werkzeug für den emanzipierten Anwender.