Es lohnt sich, Elektrotechnik zu studieren

18.10.1985

Dr. Chrysanth Marnet Vorsitzender des Verbandes Deutscher Elektrotechniker e.V. (VDE), Frankfurt/M.

Ende 1983 begann für die Elektroindustrie eine Aufschwungphase, in der es zu Neueinstellungen von Elektroingenieuren, aber auch von Maschinenbauingenieuren und Physikern kam. Ende 1984 verbesserte sich das Verhältnis von Bewerberanfragen zu Stellenangeboten für Elektroingenieure auf nahezu 1 zu 1. Auch für 1985 kann der Arbeitsmarkt für Elektroingenieure als ausgeglichen gelten. Ab 1986 werden nach Abschluß ihres Studiums mehr Elektroingenieure auf den Arbeitsmarkt drängen. Sie müssen daher in Zukunft mit einer verstärkten Konkurrenz untereinander rechnen.

Dieses Resümee der VDE-Studie 1985 zur Frage des Bedarfs "Die Elektroingenieure in der Bundesrepublik Deutschland" umreißt die vergleichsweise ausgezeichneten Berufschancen der Berufsgruppe der Elektroingenieure, die, begünstigt durch den technischen Fortschritt, derzeit und auch künftig nicht nur gute Einstellungschancen, sondern darüber hinaus gute Aussichten für ihre weitere berufliche Entwicklung besitzen.

Für die positiven Zukunftsperspektiven der Elektrotechnik gibt es überzeugende Argumente: Denn ohne Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ingenieurwissenschaften kann es nicht gelingen, die Lebensqualität und soziale Sicherheit der Industrienationen zu gewährleisten und eine sinnvolle Weiterentwicklung unserer Gesellschaft zu bewirken. Daß hierbei die Elektrotechnik eine entscheidende Rolle zu spielen hat, wird durch ständige Verbesserung, Optimierung und rationelle Ausnutzung bei der Erzeugung, Verbesserung und Anwendung elektrischer Energie in Maschinen und Anlagen ebenso deutlich wie durch eine hohe Innovationsrate bei Systemen und Geräten im weiten Feld der Kommunikationstechnik, der Mikroelektronik und der Meß- und Regelungstechnik.

Bei den notwendigen Bemühungen um eine verantwortungsbewußte Nutzung unserer Ressourcen kommt der Elektrotechnik sogar eine Schlüsselfunktion zu. Denn nur mit ihrer Hilfe und ihrem verstärkten Einsatz können die entsprechenden Optimierungsprozesse und -systeme realisiert werden. Im Rahmen dieser weltweiten Entwicklung durchdringt die Elektrotechnik mehr oder weniger alle Bereiche unseres Lebens und wird somit in immer stärkerem Maße Basis und Voraussetzung für unsere Daseinsbewältigung. Hervorragende Ingenieurleistungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik sind somit quantitativ und qualitativ in steigendem Maße gefordert.

Allerdings sind die Studienbedingungen in den elektrotechnischen Ingenieurwissenschaften nicht so optimal, wie es der existentiellen Bedeutung der Elektrotechnik für die Zukunft der deutschen Wirtschaft entspricht, Es mangelt vielfach nicht nur an Personal und Sachmitteln an den bundesdeutschen Hochschulen. Auch die Studieninhalte entsprechen häufig nicht dem neuesten Stand der Technik. Dieser Sachverhalt wird in der VDE-Studie 1985 deutlich gemacht:

Noch vielfach ungenügend, insbesondere an den Fachhochschulen, ist das Angebot im Bereich der Mikroelektronik und zum Teil auch in der Technischen Informatik.

Infolge der schnellen Entwicklung der Mikroelektronik und der von ihr beeinflußten technischen Bereiche müssen die Lehrinhalte um so mehr dem Stand der Technik angepaßt werden. Beispielsweise sind Schaltungstechnik, Layout von Halbleiterschaltungen, CAD (Computer-Aided-Design), Prüftechniken, VLSI-Architektur etc. einige der neuen Gebiete, die ausbildungsmäßig von den Hochschulen ebenso wahrgenommen werden müssen wie die Integration der Mikroelektronik und der Kommunikationstechnik in die klassischen Fachrichtungen. Die Hochschulen sollten die Möglichkeit haben, in der Anwendung ihrer Mittel flexibler zu sein.

Die Grundwissenvermittlung unter anderem in Mikroelektronik, Automatisierungs- und Prozeßtechnik sowie im Bereich der Technischen Informatik sollte auch in den Geisteswissenschaften erweitert werden. Wirtschaftsförderung bedeutet heute vor allem auch eine bestmögliche Ausbildung von Ingenieuren für die Wirtschaft. Dabei ist das Studium der Elektrotechnik für entsprechend begabte junge Menschen nicht nur aussichtsreich, sondern sehr attraktiv.

Der VDE fühlt sich nach wie vor verpflichtet, die Ausbildungs- und Beschäftigungsbilanz für die Elektroingenieure immer wieder aufzuzeigen. Der Verband will und kann aber auch mithelfen, durch berufsorientierte Beratung und Information dem Nachwuchs eine realistische Einschätzung dessen zu vermitteln, was im Studium und später in der beruflichen Praxis verlangt wird. Damit will er dazu beitragen, die relativ hohe Zahl der "Studienabbrecher" zu reduzieren und die geeigneten Begabungen für das Studium der Elektrotechnik zu gewinnen.

Schließlich kann er "Karrieretips" erarbeiten, mit denen die Elektroingenieure ihre Berufschancen auf mehrfache Art verbessern können. Wichtig bleibt allerdings, daß alle Absolventen fachlich flexibel genug sind, um sich in lebenslanger Weiterbildung wieder in neue Problems(...)lungen und Fachgebiete hinzuarbeiten. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist eine breite Ausbildung in den mathematisch-naturwissenschaftlichen und ingenieurkundlichen Grundlagen einschließlich Fremdsprachenkenntnissen.

Der berufliche Einsatz von Elektroingenieuren ist aufgrund der besonders breiten Ausbildung nur selten auf ganz bestimmte Arbeitsfelder begrenzt - man spricht deshalb auch von einem "Zentralberuf". Zur Zeit sind nach den Berechnungen des VDE 115 000 bis 120 000 Elektroingenieure in der Bundesrepublik tätig. Gemessen an dieser Gesamtzahl und bei 3300 offenen Stellen (Ende 1984) ist nach Auffassung des VDE eine Arbeitslosenzahl von 3500 Elektroingenieuren kaum besorgniserregend, sondern viel mehr Spiegelbild eines ausgeglichenen Arbeitsmarktes.