US-Experte befürchtet Engpaß an Übertragungskapazität:

Es gibt nicht genügend Nachrichtensatelliten

22.02.1980

WASHINGTON, D.C. - lnnerhalb der nächsten drei Jahre muß mit einem Engpaß in der Übertragungskapazität kommerzieller Nachrichtensatelliten gerechnet werden. Diese Ansicht vertrat der frühere Chef des Common Carrier Bureaus der amerikanischen Federal Communications Commission (FCC), Walter Hinchman, in einer Studie, über die in der COMPUTERWORLD berichtet wurde.

Besonders im vergangenen Jahr war die Zunahme des Bedarfs so stürmisch, daß mit den Worten des jetzt als freier Unternehmensberater tätigen Hinchman "viele Beobachter bis 1983 eine ständige Auslastung der gesamten verfügbaren Übertragungskapazität aller Nachrichtensatelliten voraussagen, was zu einer Einschränkung der Übertragungsdienste führen kann, wenn nicht durch neu zu startende Satelliten zusätzliche Übertragungskapazität bereitgestellt wird".

Hinchman nennt fünf Ursachen für diese Bedarfszunahme: Aufbau und Anschluß neuer regionaler Verteilungsnetze zur Unterstützung des von der Xerox Corporation vorgeschlagenen Xerox Telecommunications Network (Xten) und ähnlicher Vorhaben; Ausdehnung von Fernmeldesonderdiensten auf neue Anwendungsgebiete; Einrichtung ähnlicher Dienste durch die unabhängigen Fernmeldegesellschaften; vermehrte Ausstrahlung von Fernsehprogrammen sowie die Zunahme elektronischer Postdienste.

Hinchmans Vorhersage eines baldigen Engpasses an Satelliten-Übertragungskapazität stützt sich vor allem auf unabhängige Studien, die unlängst von der International Telephone and Telegraph Co. (ITT), von der Western Union Telegraph Co. und der Future Systems Inc. erarbeitet worden sind. Alle drei sind sich darin einig, daß bis Ende 1983 ein Engpaß an bestehender und geplanter Übertragungskapazität zu befürchten ist. Die Studien zeigen außerdem, daß der Fernsprechmarkt bis 1990 eine Wachstumsrate von zehn Prozent im Jahr haben wird, der Datenverkehr eine solche von zehn bis 20 Prozent, während die elektronischen Postdienste eine Wachstumsrate von etwa 20 Prozent aufweisen werden, die Fernsehdienste von drei Prozent und Telekonferenzen von zehn bis 30 Prozent.

Die projektierte Wachstumsrate in der Nutzung der Satellitenübertragungskanäle übertrifft nach Hinchman das Wachstum dieser Märkte. Man kann daraus schließen, daß ein erheblicher Prozentsatz der Verkehrszunahmen auf die Satelliten entfällt, obwohl auch die terrestrischen Netze einen stärkeren Verkehr aufnehmen werden. So hat beispielsweise die ITT vorausgesagt, daß der Bedarf an Satellitentranspondern bis 1990 beim

Sprechverkehr um 30 Prozent, bei den Datendiensten um 60 Prozent und bei den Fernsehdiensten um 14 Prozent zunehmen wird.

Es liegen auch andere Anzeichen vor, daß die gegenwärtige Satellitenübertragungskapazität vor einem Engpaß steht. Die Western Union hat kürzlich bekanntgegeben, daß sie erneut auf dem Markt der elektronischen Vermittlungssysteme aktiv werden will. Das Unternehmen wird wahrscheinlich sein Westar-Satellitensystem zur Unterstützung dieses Vorhabens einsetzen. Wenn das zutrifft, wird es in den Vereinigten Staaten die kleineren Fernmeldeunternehmen und solche, die Sonderdienste anbieten, zur Benützung von Satelliten anregen, weil sie dadurch in die Lage versetzt werden, einen

sich über dos ganze Staatsgebiet erstrekkenden Dienst ohne große Kapitalinvestitionen anzubieten.

Mehrwert-Verkehrsträger, wie die Tymnet Inc. und die GTE-Telenet der Communications Corp., sind zwar noch unbedeutend, sie erfreuen sich aber eines raschen Wachstums und werden schnell zu Anwärtern für die Nutzung von Satelliteneinrichtungen. Inzwischen hat die GTE-Telenet schon Pläne mitgeteilt, wonach sie sich der Übertragungen mit Nachrichtensatelliten bedienen will.

Hinchmans Studie mit dem Titel "Future Demand for Domestic Satellite Capacity" wurde von der Hughes Communications Inc. in Auftrag gegeben. Sie wurde vor kurzem der FCC vorgelegt, um den Antrag von Hughes zum Betreiben eines neuen 4/6-GHz-Satellitensystems zu unterstützen. Es soll aus zwei Nachrichtensatelliten im geostationären Orbit bestehen, die mit 24 Transpondern für 40 MHz ausgerüstet sind. Die Entscheidung über die Zulassung dieses Systems wird in frühestens einem halben Jahr erwartet.

COMPUTERWORLD, 21. Januar 1980, Seite 1, Übersetzung Hans Joachim Hoelzgen, Böblingen.