Interview/

Es gibt keine Alternative zur Öffnung von Netware

23.08.1996

CW: Der Umsatz von Novell ist 1995 nur um zwei Prozent gewachsen. Im Vergleich zu beispielsweise Microsoft nimmt sich das eher bescheiden aus. Was erwarten Sie 1996?

Markman: Ich habe keine konkreten Zahlen parat - aber wir haben bei Netware inzwischen wirkliche Konkurrenz, das wirkt sich auf den Preis aus. Im vergangenen Jahr konnten wir zwar ein sehr hohes Stückzahlenwachstum erzielen, aber in den Erlösen hat sich das nicht entsprechend ausgewirkt. Deshalb müssen wir erreichen, daß wir mit Services den eventuellen Umsatzrückgang bei Netware auffangen. Zur Zeit erzielen wir mit Netware rund 65 Prozent der Einnahmen. Der Rest resultiert aus den Services. Diesen Anteil müssen wir schneller steigern, als der Umsatzanteil von Netware zurückgeht. Grund für die sinkenden Einnahmen mit Netz- Betriebssystemen (Network Operating Systems = NOS) ist nicht der Verlust an Marktanteilen, sondern die Tatsache, daß NOS immer mehr als funktionierende Selbstverständlichkeit gelten. Sie bleiben vorhanden, aber der Kunde stuft ihren Wert für die Lösung niedriger ein.

CW: Warum bezeichnen Sie Groupwise, Managewise und Novell Directory Services (NDS) als Services? Das sind doch Produkte.

Markman: Ja, aber sie decken eben sehr stark auch Infrastrukturprobleme ab sie haben für den Anwender mehr Wert als reine Applikationen, deshalb sprechen wir von Services.

CW: Wie schnell werden diese Leistungen den Umsatz aus dem NOS- Geschäft ersetzen beziehungsweise ergänzen können?

Markman: Das hängt natürlich sehr stark davon ab, wann wir die Sachen liefern können. Aber wir wollen nicht nur mit Services Geld verdienen. Mit Netware und Services kann Novell den Umsatz vielleicht auf 2,5 Milliarden Dollar steigern, aber daran bin ich nicht interessiert. Ich will eine Zehn-Milliarden-Company. Deshalb investieren wir sehr stark in ein drittes Feld, das ich leider noch nicht spezifizieren kann.

CW: Geht es zumindest ein wenig konkreter?

Markman: Es geht um Dinge, in denen wir einen Vorsprung haben, und um ein Geschäftsfeld, das unsere Mitbewerber bisher noch nicht als Chance erkannt haben.

CW: Dabei wird es sich wohl nicht um Rennpferde handeln...?

Markman: Es hat viel mit Netzwerk-Infrastruktur, NDS und Breitband-Connectivity zu tun. Es baut auf unserem bestehenden Geschäft auf, Internet-Service-Provider, Carrier und andere Partner spielen dabei eine Rolle.

CW: Wie wollen Sie den guten Ruf zurückgewinnen, den Novell vor dem Desaster mit Wordperfect und Unix hatte?

Markman: Daß wir als Unternehmen Reputation verloren haben, stimmt. Allerdings gilt das nicht für unsere Produkte. Netware ist immer noch das beste Netzwerk-Betriebssystem, und die Leute wissen das. Aber wir waren uns eine Zeit lang nicht mehr klar darüber, in welche Richtung wir als Unternehmen marschieren sollten. Doch diese Phase ist überwunden. Heute verstehen wir uns als Lösungsanbieter für alle Infrastrukturprobleme. Das werden wir auch in unserem Marketing-Auftritt verdeutlichen.

CW: Wie steht es mit der Öffnung von Netware?

Markman: Es gibt keine Alternative zur Öffnung von Netware - für die Anbieter anderer Netzwerk-Betriebssysteme übrigens auch nicht. Wir setzen nicht mehr auf IPX als Protokoll, sondern auf natives TCP/IP sowie auf Java, um das Leben dieses Betriebssystems zu verlängern und den Umsatz so lange wie möglich stabil zu halten.

CW: Stichwort Java. Novell betont sein Java-Engagement sehr stark. Haben Sie keine Angst, diese Sprache und ihre Auswirkungen zu überschätzen?

Markman: Wir wissen, daß mit Java nicht alle Probleme aus der Welt geschafft werden, aber es ist aufgrund seiner Plattformunabhängigkeit sehr hilfreich.

CW: Wird Java Virtual Machine die Netware Lodable Modules (NLMs) ersetzen?

Markman: Nein. Wir haben zur Zeit drei Umgebungen für Applikationen: Visual Basic, Java und die NLMs. Für bestimmte hochperformante Anwendungen werden wir weiterhin NLMs benutzen. Aber sie werden sich mit Java-Applikationen verbinden lassen. Nochmals: Java wird Novell nicht retten. Was uns gute Aussichten verschafft, ist die Hinwendung der Anwender zum Internet und vor allem den Intranets.