Es gibt Hersteller, die gibtÆs gar nicht

04.05.1990

Mehr Schein als Sein kennzeichnet die Lage in der Computerindustrie. Es paßt zur bisherigen Geschichte der DV, daß bei unangenehmen Ereignissen die Schuldfrage in der Regel verdrängt wird. Nehmen wir den Fall Nixdorf. Für die Paderborner war es lebenswichtig, den Wandel vom MDT-Spezialisten, der Erstanwender mit Hersteller-spezifischen Lösungen bedient, zu einem Opensystems-Anbieter kontrolliert anzugehen, neue Märkte ins Visier zu nehmen, ohne den Blickkontakt zur Kundenbasis zu verlieren. Weil dieser Grundsatz mißachtet wurde, sahen die Nixdorfer am Ende ganz schön alt aus. Wir begegnen hier einem Problem, das alle Hersteller haben.

Die Produkt-Divisionen einer Firma wie Nixdorf hatten eben nicht nur verschiedene, sondern entgegengesetzte Interessen, insofern waren die Paderborner doppelt gekniffen: Forcierten sie die Unix-Akquisition, mußten sie damit zwangsläufig den 8870-Bestand angreifen; andererseits konnte das Targon-Neugeschäft gar nicht so schnell wachsen, wie die 8870-Installationen wegbrachten.

Proprietäre Altlasten sind eine zweischneidige Sache. Käme es im DV-Markt allein auf den Erfolg mit Hersteller-spezifischen Systemen an, gäbe es die BUNCH nicht mehr, es gingen uns aber auch die meisten Minimacher ab. Doch sie leben noch: die Burroughs' und Univacs (gemeinsam unter dem Namen "Unisys"); die NCRs, Control Datas und Honeywells (als Spurenelemente im Bull-HN-Körper); die Data Generals und Primes. Sie bieten offene Systeme auf der Basis von Standard-Prozessoren an (Intel, Motorola, Mips, Sparc), also leben sie noch. Aber was ist das für ein Leben?

Der Wille zum Überleben zwingt auch die Europäer Siemens (Sienix!), Bull, Olivetti, ICL, Philips und Norsk Data dazu, auf offene Systeme zu setzen. "Offen" heißt für die Anbieter, erstens, Standardprozessoren beim OEM zu kaufen, beim Original Equipment Manufacturer, der Intel, Motorola oder Mips Computer heißen kann (siehe oben), und zweitens, ein Standard-Betriebssystem draufzupacken, das nach Lage der Dinge nur so etwas wie Unix sein kann.

Das Ergebnis kennen wir: Alle offenen Systeme sind, was die Zutaten betrifft (Prozessor, Betriebssystem), mehr oder weniger gleich. Auch keine neue Erkenntnis: Unix macht gleich. Andererseits würde es ohne Unix, wie gesagt, viele Hersteller gar nicht mehr geben. Das aktuelle Hardware-Angebot täuscht also eine Vielfalt vor, die in Wirklichkeit nicht existiert. Wichtiger als die Diskussion um einen Unix-Standard ist denn auch für den Moment, daß dem einzelnen Anbieter die Chance gegeben wird, sich über Lösungen, Anwendungssoftware und Service zu profilieren. Alles aus einer Hand bieten kann nur noch die IBM - nicht auszudenken, , wenn sie allein übrigbliebe.