Kolumne

"Es geht um mehr als nur um das Image"

10.10.1997

Charles Wang, Chairman von Computer Associates, beklagte kürzlich, daß die "Kriege" zwischen Vertretern der Hard- und Softwarebranche die Glaubwürdigkeit der IT-Industrie beschädigten. Anwender würden davon abgehalten, neue Technologien zu ihrem Vorteil einzusetzen. Laut Wang erweisen Sun-Chef Scott McNealy und Microsoft-Gründer Bill Gates der Branche einen Bärendienst, indem sie öffentlich über die Internet-Standards der Zukunft streiten.

Der Vorstoß von Wang ist ehrenhaft, doch er trifft nicht das Problem. Das Image der Branche wurde in der Vergangenheit nicht durch Wortgefechte, sondern durch Versäumnisse in Mitleidenschaft gezogen.

Warum sollten Anwender an große Produktivitätsfortschritte durch IT glauben, wenn es namhaften Herstellern noch immer nicht gelingt, zwei aufeinanderfolgende Versionen einer Textverarbeitung kompatibel zu gestalten? Warum werden von nahezu allen Softwareschmieden mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit fehlerhafte Produkte ausgeliefert?

Wang sollte einmal darüber nachdenken, wieso es möglich ist, daß weltweit noch immer Tausende von mittelständischen und großen Unternehmen erfolgreich im Wettbewerb bestehen, obwohl sie mit Softwarepaketen arbeiten, die 20 Jahre und älter sind. Offensichtlich konnte die mit modernerer Technik ausgestattete Konkurrenz keinen nennenswerten Vorsprung herausholen.

Marktforscher haben diese Beobachtung mit Untersuchungen über das sogenannte Produktivitätsparadoxon immer wieder bestätigt. Ihren Darlegungen zufolge fand der einzige wirkliche Qualitätssprung, der sich auf den Einsatz von Informationstechnik zurückführen läßt, durch den Einsatz der Lochkarten in der Unternehmens-DV statt.

Daß Milliardeninvestitionen in Informationstechnik den Anwendern kaum Fortschritte brachten, ist eine Tatsache, die Industrievertreter wie Charles Wang in eine moralische Krise stürzen sollte - nicht die Marketing-Gefechte zwischen Branchengrößen. Gemeinsam mit anderen wichtigen Vertretern der Branche sollten sich Leute wie Wang stark machen für offene Standards, mehr Qualität und benutzerfreundliche Produkte. Diese Geste würden ihm die Anwender abkaufen.