Es geht ostwärts

11.01.2006
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Sie sind hochqualifiziert, neugierig, haben Auslandserfahrung und ein gemeinsames Faible: Studieren und arbeiten in Japan oder China.

Kristin Weigert, Studentin der Wirtschaftsinformatik an der Universität Bamberg hat zwei Auslandssemester an der Universität Kanazawa in Japan verbracht. Ihr Interesse für die asiatische Welt entdeckte sie als Werkstudentin bei Siemens, wo sie japanische Ingenieure kennen lernte. Schon damals beobachtete sie gespannt die Interaktion zwischen den asiatischen und deutschen Kollegen. Weigert: "Probleme entstanden zumeist aufgrund von Sprachbarrieren oder unterschiedlicher kultureller Verhaltensweisen."

Sprachkenntnisse sind wichtig

Beeindruckt war die damalige Werkstudentin indes von der Offenheit und Entdeckerfreude, die beide Seiten an den Tag legten. Die freundliche, höfliche Umgangsweise der japanischen Kollegen sowie deren Erzählungen über ihre Heimat weckten in ihr den Wunsch, mehr über das Land der aufgehenden Sonne zu erfahren. Mit Hilfe von Sprach- und Landeskundeunterricht an der Universität tastete sie sich an eine komplett neue Sprache und Kultur heran. Die Wirtschaftsinformatikerin: "Gemeinsame Abende mit unserem japanischen Professor, Reiseführer sowie Spielfilme von namhaften Regisseuren - all das half mir bei meinen ersten Schritten in Richtung Asien."

Sicherheit für das neue Leben habe ihr auch ein Intensivsprachkurs am Japnoicum in München kurz vor der Abreise gegeben. In Japan angekommen, sammelte die Studentin ihre interkulturellen Erfahrungen beim täglichen Zusammenleben im Wohnheim, in internationalen Arbeitsgruppen und vor allem bei einem dreiwöchigen Aufenthalt bei einer Gastfamilie. Von der Freundlichkeit dieser Familie ist Weigert heute noch begeistert. Ihr Fazit im Umgang mit Gesprächspartnern aus anderen Kulturkreisen: "Es ist auf jeden Fall hilfreich, seinem Gegenüber genau zuzuhören, danach kurz nachzudenken und die Position des Gesprächspartners in dessen gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Darüber hinaus sollte man mit vorschnellen Bewertungen, die nur auf das eigene gesellschaftliche System Bezug nehmen, sehr vorsichtig sein." Dass sie irgendwann in Japan einen Job annehmen wird, will die Wirtschaftsinformatikerin nicht ausschließen.

Maximilian Rödel, der an der TU München Technologie- und Management-orientierte Betriebswirtschaftslehre studiert, hat ebenfalls einiges an Auslandserfahrung zu bieten. Neben Studiensemestern an der Hong Kong University of Science and Technology und der University of California at Berkeley absolvierte er ein Praktikum in einem chinesischen Beratungsunternehmen.

Während seines Aufenthalts in Hongkong wurde aus der anfänglichen Neugierde, so Rödel, Faszination und Liebe zu dieser fremdartigen Kultur. Um in diese Kultur noch mehr einzutauchen, entschloss er sich für ein Praktikum am Zhejiang Advanced Manufacturing Institute in der Nähe von Hangzhou. Der Münchener BWLer: "Dort habe ich die Chinesen als sehr motivierte und wissbegierige Menschen erlebt, die unnachgiebig die Zukunft ihres Landes gestalten wollen. Die Dimension und Geschwindigkeiten dieser Veränderungen auf allen möglichen Gebieten haben mich überwältigt."

Niemals das Gesicht verlieren

Als einziger Ausländer in der Stadt Lin Ping erlebte Rödel tagtäglich, was es heißt, ständig im Mittelpunkt zu stehen und dennoch manchmal außen vor zu sein. Rödel: "Diese paradoxen Alltagssituationen aber auch die politischen Spannungen zwischen Kapitalismus und Sozialismus machen China für mich so einzigartig und spannend. Im zwischenmenschlichen Umgang hat Rödel folgende Erfahrung gemacht: "Das Gesicht zu wahren, spielt eine große Rolle für beide Seiten - aber auch die Fähigkeit, den Gesprächspartner nicht einzuschüchtern, sondern ihn vielmehr zu erreichen und zu öffnen, ist sehr wichtig im Umgang miteinander."

Marco Moder, Diplom-Wirtschaftsingenieur mit der Fachrichtung Informatik, hat an der TU Kaiserslautern studiert und arbeitet jetzt als externer Doktorand bei der Robert Bosch GmbH /European Business School Oestrich-Winkel: "China bedeutet für mich Faszination, Zukunftsorientierung und Herausforderung in einem." Während seiner Diplomarbeit führte Moder diverse Interviews in Shanghai und Shenyang durch, in denen er den Einfluss chinesischer Kultur auf deutsche Qualitäts-Management-Prozesse analysierte. Das pulsierende Leben dort und die ungeheure Dynamik stehen seiner Meinung nach im puren Gegensatz zur deutschen Mentalität und dem hier häufig vorherrschenden Pessimismus.

Auslandserfahrung hat er aber nicht nur in China sondern auch in Seoul gesammelt. Der Wirtschaftsingenieur: "Mit meinen Erfahrungen erhoffe ich mir Möglichkeiten, im späteren Berufsleben Strategien für China zu entwickeln, mit ostasiatischen Partnern eng zusammenzuarbeiten oder sogar vor Ort in China tätig werden zu können."