PC-Profis äußern sich zur Integrationsproblematik:

Erwartungen in den Mikro nicht zu hoch schrauben

18.10.1985

Mit viel Tamtam zog der Mikrocomputer in bundesdeutsche Unternehmen ein. Doch nach anfänglicher Euphorie machte sich bald Ernüchterung breit: Sachbearbeiter reagierten frustriert, weil ihr "Wunderknubbel" die hochgeschraubten Erwartungen nicht erfüllen konnte. Der Mikro landete oftmals in der Ecke. Fazit: Manch DV-Manager muß jetzt kurzfristig in die Rolle eines Dompteurs schlüpfen und retten, was zu retten ist, nämlich den Winzling in die DV-Umgebung integrieren und mit dem Wildwuchs aufräumen. Die COMPUTERWOCHE wollte deshalb wissen: "Schafft der Mikro mehr Probleme als er löst?"

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Dieter Kandel

Produkt Manager PC, Wang Deutschland

Es drängt sich unweigerlich die Frage auf, was war denn nun zuerst: das Ei oder die Henne. Der Erfolg der PCs basiert auf einer preiswerten Hardware mit der Möglichkeit preiswerte Programme zur Lösung arbeitsplatzbezogener Aufgaben zu verwenden und so die teuren Ressourcen der Groß-DV für andere Anwendungen zur Verfügung zu haben. Dann wurden die Anforderungen durch Berater so hoch geschraubt, daß ein Arbeitsplatzrechner mit weniger als 512 KByte RAM heute schon nicht mehr ernstgenommen wird.

Als dann noch Datenmengen mit mehr als zehn Megabyte am Arbeitsplatz zu verwalten waren, war der Punkt der Arbeitsplatzkosten auf einmal ein Thema. Und um die mittlerweile überzogenen Arbeitsplatzanforderungen und Kosten wieder in den Griff zu bekommen, versucht man nun dem Anwender zu erklären, daß er einen mehrplatzfähigen Rechner braucht. Wenn er dann mit einem Multiuserbetriebssystem nicht zurechtkommen wird und sich einen Homecomputer kauft, um seine persönlichen Aufgaben dann zu Hause zu lösen, werden sicher wieder Berater da sein, die ihm ein zweites Mal erklären werden, was er wirklich braucht.

Laßt uns mit dieser Entwicklung aufhören. Laßt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Jede Aufgabe hat ihr Handwerkszeug. So hat die Groß-DV ihre Berechtigung und der PC. Nur laßt uns nicht versuchen, die Aufgaben des einen mit Hilfe des anderen und umgekehrt zu erledigen. Aufklärung und Beratung, Training und Praxis und die nötige Ruhe im Umgang mit den Anwendern tut Not, um die Verunsicherung der Benutzer nicht in ein Chaos ausarten zu lassen.

Nur wenn wir in der Lage sind, unseren Anwendern zu erklären, wie sie ihren persönlichen Computer am besten nutzen können, wo seine Stärken als auch seine Schwächen liegen und wann es angeraten ist, eine Aufgabe mit einem größeren Rechner zu erledigen, wird es sich bestätigen, daß der PC die richtige Entwicklung und der richtige Weg war und ist. Er hilft dem Sachbearbeiter mit standardisierten Hilfsmitteln, seine täglichen Probleme qualitativ besser und effektiver zu bearbeiten.

Als vor zwei Jahren der Markt für den persönlichen Computer so richtig zum laufen kam, war bei den ersten überzeugten Anwendern nur Begeisterung und Zuversicht festzustellen. Da schien es, daß der Stein der Weisen endlich gefunden war.

Probleme wie Anwendungsstaus in der Groß-DV, umständliches Programmhandling, nicht vorhandene Anwenderführung innerhalb der Programme, für den DV-Benutzer unverständliche organisatorische Vorschriften und Anweisungen schienen schlagartig vergessen. Der vermeintlich wichtigste Aspekt beim Schritt zur eigenen DV-Anlage war jedoch, daß der Anwender, der sein Problem nun "ganz leicht" selbst lösen konnte - so die Anbieter von PCs - nicht mehr auf die Hilfe eines Programmierers angewiesen war. Das brachte aus der Sicht der Endbenutzer dieser kleinen Rechnersysteme den enormen Vorteil, daß der Sachbearbeiter nun endlich sein "ganz persönliches" Problem lösen konnte, ohne zu hören, dies sei so nicht möglich, und er brauche in Wahrheit etwas ganz anderes.

Die Euphorie über die neue Rechnergeneration führte dazu, daß einzelne Fachabteilung an den DV- und Organisationsabteilungen ihrer Unternehmen vorbei ihre PCs installiert, ohne Rücksicht auf gewachsene Kommunikationswege innerhalb ihrer Firma. Der Wildwuchs der Insellösungen, der alleinseligmachenden Standardprogramme und der unterschiedlichen Hardware begann.

Um nicht in ein totales Chaos abzugleiten, installierten die Unternehmen Abteilungen, die sich mit der Einführung von PCs und der Auswahl der Systeme und der am besten geeigneten Programme befassen sollten. Eine weitere Aufgabe dieser Gruppen bestand in der Beratung der Endbenutzer. Eine an und für sich sinnvolle und sicher gutgemeinte Vorgehensweise. Was sich daraus bis heute entwickelte, läßt einem die Haare zu Berge stehen.

Die Anforderungen an seinen persönlichen Arbeitsplatzcomputer definiert nicht mehr der Endbenutzer, sondern viel mehr der PC-Freak innerhalb der PC-Beratungsabteilung. Er versucht - das liegt in der Natur der Sache - nach Möglichkeit seinen Endanwender, für den er auch nach der Installation Ansprechpartner ist, nun wirklich auch die letzte Neuentwicklung vom nach hunderten zählenden Softwaremarkt zu beschaffen.

Heinzgünther Klaus

Pressesprecher Honeywell Bull AG, Köln-Porz

Der PC schafft mehr Probleme, als er löst - das tut das Auto auch: Für den dubiosen Nutzen der allgemeinen Volksmobilität und das angestrengte Vergnügen, in zwei Stunden von Frankfurt nach Düsseldorf tiefzufliegen (anstatt zwei geruhsame Tagestouren per Fahrrad zu genießen), verpesten wir die Luft, walzen Igel und Mitbürger platt, verplempern die Zeit mit Katalysator-Gedöns. . .

Steige bloß niemand um aufs problemlose Fahrrad. Vielleicht hat das Auto gewisse Vorteile, die seine Nachteile überwiegen, sofern man letztere in den Griff kriegt: bleifrei, rücksichtsvoll, verkehrssicher.

Mit dem PC, so eine verbreitete Tauschalierung, verhält es sich ähnlich - er löst Probleme und schafft welche, genauer: er kann, wie jedes Hilfsmittel der technischen Zivilisation, Probleme aufwerfen, wenn Hersteller und Benutzer die Rahmenbedingungen mißachten, unter denen ein Mikrocomputer erfolgreich (im organisatorischen Sinne) betrieben wird. Diese Bedingungen sind die "Straßenverkehrsordnung" der Büroautomation. Verstöße dagegen verbreitern den ärgerlichen Abstand zwischen froher Erwartung und (manchnal) mühsamer Praxis.

Für den Einsteiger ins Gebiet der PC-Anwendung gibt es Auflistungen von Kriterien, deren Beachtung das zweifellos vorhandene Problempotential bei der Einführung des kommerziellen Mikros erheblich reduziert. Unverzichtbar ist die Gegenüberstellung des exakt definierten Bedarfs mit den Leistungsdaten des in Frage kommenden Geräts.

Bisweilen erfordert ein solcher Vergleich die Beratung eines Experten, zumal Fragen zu beantworten sind, die sich auf Betriebssystem, Programmvielfalt, Anwendungskomfort, Wartung, Zukunftssicherheit und Kosten beziehen. Die Merkmale also, die, wenn sorgfältig abgehakt, Schwierigkeiten bannen, und zwar bereits im Vorfeld der PC-Anschaffung.

Zugegeben: Je nach Erfahrungsgrad des Anwenders sind selbst dann noch gewisse Aha-Erlebnisse im Lernprozeß nicht auszuschließen. Im übrigen werden PC-Probleme stark vermindert, wenn beim Hersteller neben dem systemtechnischen Know-how ein konzeptioneller Überbau existiert, unter dem sich die automatisierten Bürofunktionen integrieren lassen. Das berührt besonders den kommunikativen Bereich der DV, auch "Telematik" genannt. Gefordert wird ein durchgängiger an internationalen Normen ausgerichteter Kompatibilitätsanspruch, der sich in einem Integrationskonzept darstellt - in einer produkt- und dienstleistungsbezogenen Entwicklungsrichtschnur für heute und morgen.

Gleichwohl kann ein PC, wie jeder Computer, auch künftig für Überraschungseffekte sorgen; das liegt in der Dialektik der Anschauung: Sobald nämlich alle Rechner überall gleichzeitig nach dem Wunsch ihrer Betreiber perfekt funktionieren, geraten viele Menschen in die Freizeit-Bredouille - sie haben dann nicht mehr viel zu tun.

Wie werden sie mit dieser Situation fertig? Ganz einfach: Sie erklären den Zustand zum Problem und durchleuchten ihn kritisch-analytisch. Somit sind sie wieder beschäftigt.

Günther Fischer

Unternehmensberater, Laudenbach

Ohne philosophisch werden zu wollen, möchte ich behaupten, daß Probleme dann entstehen, wenn Soll und Ist nicht übereinstimmen oder wenn Erwartungen enttäuscht und Planungen unerfüllbar werden.

Der PC hat mit seinem Kommen viele Erwartungen geweckt, bei den Herstellern, der Öffentlichkeit und bei den Anwendern. Die etablierten Fachleute sahen sich einer neuen und irritierenden Szene gegenüber, nämlich den Unabhängigkeitserklärungen der Anwender in den Fachabteilungen. Jahrelang hatten sie sich geduldig, wenn auch nicht immer still, dem Diktat der allseligmachenden Zentral-DV gebeugt und nur gelegentlich aufgemuckt. Mit dem Erscheinen der Mikros witterten jedoch viele die Möglichkeit, nun endlich in den Genuß einer eigenen, unabhängigen DV zu kommen. Oft ohne die Spezialisten in der zentralen DV zu Rate zu ziehen, schafften sie aus Mitteln der eigenen Budgets PCs an: Winzlinge mit Rechnerleistungen, für die vor noch gar nicht allzulanger Zeit das Sechsfache hätte ausgegeben werden müssen.

Kein Wunder, daß die Profis die verschiedensten Reaktionen zeigten. Viele nahmen die Maschinen zunächst nicht zur Kenntnis, andere verteufelten sie und manche begriffen sie als Heilswunder, das alle bisherigen Probleme in Wohlgefallen auflösen würde. So hat es nachweislich Unternehmen (mittlerer Größe) gegeben, die ihre zentrale DV abgeschafft und die Geschäftsvorgänge im Vertrauen auf Charlie Chaplins schlaue Sprüche mehreren, in die Verantwortung der Abteilungen gestellten Mikros überlassen wollten.

Aber die Wunder dieser Welt sind oft trügerisch. Und so suchen die Gebresten, die die DV-Welt seit jeher schwerfällig und fehlerhaft machen, auch die persönlichen Computer heim. Denn auch bei ihnen muß mühselig programmiert werden, was einst auf Knopfdruck bedienerfreundlich ablaufen soll. Nur mit dem kleinen Unterschied, daß den Kleinen weder die mächtigen Betriebssysteme und ausgefeilten Compiler noch die doppelt und dreifach gesicherte Hardware zur Verfügung stehen. Und die engen Margen der PC-Händler lassen kaum eine so großzügige Unterstützung, wie sie den Mainframe-Usern gewährt wird, zu.

Solche Schwachpunkte versuchten die Hersteller durch eine großzügig argumentierende Werbung zu kompensieren. Und so passierte es, daß überhöhte Erwartungen bei Computer-Laien und optimistischen Fachleuten gleichermaßen zu unrealistischen Planungen und alsbald zu Enttäuschungen führten: Enttäuschungen, die eigenbrötelnde Anwender heimsuchen, die sich ungeteilte, weil von den DV-Spezis ungetrübte Freude an der Losung ihrer Aufgaben versprachen, Enttäuschungen aber auch bei den Profis und Herstellern, die sich die Augen reiben, weil die Projekte steckenbleiben und die Zuwachsraten stagnieren.

Aber auch in solchen Frust-Situationen sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und sich des Verdikts, der PC schaffe mehr Probleme, als er löst, enthalten. Vielmehr ist die Reduktion überzogener Planungen auf ein realistisches Maß angezeigt. Denn die preiswerten Zwerge mit der geballten Rechenkraft haben durchaus ihre Existenzberechtigung: In Kleinbetrieben mit hohem Aufkommen an Routinearbeiten, in Abteilungen großer Betriebe, in denen relativ abgegrenzte Aufgabenstellungen vorkommen und, das meine ich nicht nur witzig, auf dem Nachttisch von Freaks, die es auch in der Freizeit nicht lassen können.

Dr. Herbert Neumaier

Geschäftsführer, Interface Concilium GmbH. München

Es ist ein bekanntes Phänomen aus vielen Bereichen des Lebens, daß durch die technische Verbesserung einer bestimmten Tätigkeit Probleme offenkundig werden, die bisher nicht virulent waren: Wer seine alten Platten plötzlich auf einem hochwertigen Plattenspieler hört, ist vom Rauschen und Kratzen entsetzt. Auf dem alten Gerät hat ihm die Wiedergabe noch ganz gut gefallen. Wer mit seinem Auto leidlich sicher durch die Stadt kurvt, ist noch lange nicht in der Lage einen Formel 1-Wagen zu beherrschen.

Ein ähnlicher Vorgang spielt sich ab, wenn eine bisher manuell erledigte Tätigkeit oder gar ein ganzes Tätigkeitsbündel plötzlich mit einem Mikro unterstützt wird. Jetzt merkt man, daß die Abläufe und die Strukturen ungenau und unvollständig beschrieben waren. Sonderfälle verlangen auf einmal allgemeine Regelungen. Das ist in der manuellen Organisation nicht üblich. Dort wird eine große Zahl an Problemen ad hoc entschieden. Das geschieht meist durch eine Fülle an Überlegungen und Assoziationen, die implizit im Kopf des Entscheiders ablaufen. Allenfalls ein gutes Expertensystem wäre dazu in der Lage und damit kann der Mikro im Normaleinsatz eben nicht dienen.

Zwar kennt man die Problematik aus der Groß-Datenverarbeitung, beim Mikro hofft man aber gerade, daß die umständliche Analyse- und Definitionsarbeit wegfällt und man eben einfach mal losarbeiten kann.

Die Last der gründlichen Aufgabenanalyse und -beschreibung nimmt einem der Mikro nicht ab. Er liefert nicht die nötigen Strukturen und Prozesse für die tägliche Arbeit, er kann nur das Arbeiten mit und in ihnen beschleunigen. Das ist das Schlimme am Mikroeinsatz: Organisatorische Sünden der Vergangenheit und Ungenauigkeiten der Gegenwart werden offenkundig und müssen behoben werden. Das plötzliche "Schmerzhaftwerden" dieser Versäumnisse führt zu dem Eindruck, daß der Mikro die Situation eigentlich nur verschlimmert.

Vielleicht müssen wir wirklich den Erkenntnisprozeß, den die Großdatenverarbeiter innerhalb der letzten 15 Jahre durchlitten haben, im Mikrobereich nachempfinden. Die Hoffnung besteht allerdings, daß es hier schneller geht.

Dr. Heinz Streicher

Leiter Kommunikation, SCS Unternehmensgruppe, Hamburg

Es ist schon ein Kreuz mit diesem "problems creator" (PC). Erst läßt er es zu, daß ihn alle unterschätzen, ihn als eine Art elektronisches Spielzeug für wißbegierige Sachbearbeiter ansehen, und dann wehrt er sich nicht dagegen, von allen überschätzt zu werden. Was hat er nicht alles für Probleme geschaffen! Das ging schon mit dem Namen los. Von einem angeblich so "intelligenten" Wesen hätte man erwarten können, nicht zuzulassen, daß man in Deutschland einen "Personal"-Computer aus dem "persönlichen" Computer macht. Schließlich soll sein Einsatz ja weder auf die Personalabteilung noch auf die Angestellten und Arbeiter, das "Personal" also, beschränkt bleiben, sondern vor allem den Selbständigen, den Leitenden, den Chefs den Duft der großen Computerwelt auf den persönlichen Schreibtisch zaubern, an den persönlichen Arbeitsplatz bringen.

Kein Wunder, daß die diversen Marktforschungsgesellschaften bei solch unpräziser Namensgebung ebenfalls verwirrt waren. Hätten sie sonst die wirtschaftsstrukturellen und soziografischen Verhältnisse der USA so einfach auf deutsche Verhältnisse übertragen, ohne zu bedenken, daß es bei uns einen konservativen Mittelstand gibt?

Auch eine hemmungs- und kontrollfreie Ausdehnung der kleinen Wundermacher in den Fachabteilungen der großen Unternehmen konnte nur so lange blühen, bis die DV-Chefs und Vorstände die wirtschaftlichen Folgen und die Risiken erkannt hatten. Er ist schon ein problematischer Gesell, dieser PC. Erst suggeriert er allen honorigen Herstellern von "richtigen Computern", schleunigst die eigene Produktpalette um einen solchen Gnom zu erweitern, und dann hält er sich mit seinem Absatz nicht einmal annähernd an die teuer bezahlten Marktforschungsprognosen.

Was hat er nicht alles angestellt! Zeitschriftenverlagsmanager konnten nicht mehr schlafen, wenn sie nicht mindestens pro Halbjahr einen neuen PC-/Mikro-Titel "launchten". Renommierte Computerfirmen sahen sich zum ersten Mal in ihrer profitablen Geschichte gezwungen, bereits im Markt befindliche Produkttypen aus Wirtschaftlichkeitsgründen wieder einzustampfen. Die Werbung im Computermarkt, die vorher so schön sachlich grau-blau-grün in den Fachzeitschriften als schlaffördernde Trennblätter zwischen den Fachartikeln plaziert war, explodierte plötzlich in Popfarben und Kreativität und ergoß sich über den Tellerrand der Fachperiodika hinaus in die allgemeine Wochen- und Tagespresse bis hin zur bunten Welt der Illustrierten.

Der PC hat auch noch anderes auf dem Gewissen. Man stelle sich vor, welcher Schaden durch die "Säkularisierung" der Datenverarbeitung entstanden ist. Die ganze Ehrfurcht vor den RZ-Zampanos ist hin, jeder Irdische kann - wenn er will - mit dem geheiligten Medium Computer umgehen. Die bisher durch eine Art Geheimbündelei für Nicht-Profis undurchdringliche Oberfläche des Computers wird durch Mäuse und anderes Ungeziefer plötzlich für Sterbliche verständlich. Einen Tiefpunkt erreicht diese vom PC verschuldete Tendenz in den Homecomputern, die nicht nur Kinder bedienen können, sondern die sich sogar auch noch für Unterhaltungszwecke einsetzen lassen.

Der PC schafft Probleme, allerdings nur denen, die nicht phantasiebegabt genug sind zu begreifen, daß ein kleiner Computer sich andere Benutzer und Anwendungen sucht beziehungsweise andere Probleme löst als die kleinen Probleme eines großen Computers.

Bernd Gatter

DV-Leiter, Bastei-Verlag, Bergisch Gladbach

Eine der vornehmsten Pflichten des sattelfesten DV/Org.-Chefs besteht darin, das Ohr immer am Bauch der restlichen Abteilungen des Unternehmens zu haben. Die somit gebückte Haltung, einmal eingenommen, schafft eine entspannte, vertrauliche Atmosphäre und manifestiert den Anspruch des Unternehmens auf Dienstleistung der hauseigenen DV Profis.

Seit einiger Zeit dröhnt sonor aus besagtem Bauchfell der Drang nach Autonomie und Selbstverwirklichung, in appetitanregenden Slogans den meist unkundigen Umworbenen von todesmutigen Trendsettern, beziehungsweise hitverdächtigen Herstellern versprochen. Der Wunsch ist uns Befehl: Was also bleibt übrig, als der vehementen Forderung Folge zu leisten und - sozusagen zur Stabilisierung des MSWG (Mitarbeiterselbstwertgefühls) - für die anspruchsvollen Assistenten und die serienbriefmüden Sekretärinnen abhängig vom Geschmack der Zeit einen bis mehrere Mikros zu ordern? Wir sind ja nicht von gestern!

Skeptisch nahm in diesem Zusammenhang nur die Geschäftsleitung die Drohung einer Abteilung zur Kenntnis, sie werde mit Hilfe eines PC eine 20prozentige Umsatzsteigerung erzielen. Nach Sichtung des Portemonnaies erwarben wir den "Wunderknubbel", packten mit Spannung das zugehörige Software-Päckchen aus und stellten mit Staunen sogar eine gewisse Leistungsfähigkeit fest.

Unsere anfängliche Begeisterung steigerte sich in Enthusiasmus, als wir nach einigen praktischen Tagen vernahmen, daß eine hohe Auslastung insbesondere des Typenraddruckers gegeben sei.

Mit der sicher notwendigen Einstellung einer Hilfskraft zur Bearbeitung immenser Datenbestände trat dann jedoch eine gewisse Ernüchterung bei einigen Beteiligten ein. Und wie erschraken wir erst, als sich aufgrund des ansteigenden Arbeitsvolumens aus dem Zeitvertrag eine Planstelle entwickelte. Die traurige Mitteilung, der Nutzen des noblen Systems orientiere sich nun doch nicht an der 20-Prozent-Marke, bewirkte dagegen nur noch Rat- und Sprachlosigkeit. Eher rief das Sachbearbeiterinteresse an der zusätzlichen Anschaffung einer Festplatte starkes Entsetzen hervor.

Es war schon immer etwas teurer einen besonderen Geschmack zu haben, resümierten wir und stellten frustriert fest, in diesem Fall weder das Ei des Kolumbus noch das Perpetuum mobile erfunden zu haben.

Heute hoffen wir entspannt auf eine bessere Zukunft, in der die Hersteller und Endbenutzer uns nicht mehr die Devise "PC ist in - Kosten/ Nutzen-Analyse ist out" aufzwingen sondern wieder mit dem Ziel wirklicher Rationalisierung Investitionen ermöglicht werden.

Tendenziell ist diese halberfundene Geschichte, die übrigens auf einem PC entstand, sicher ein extremer Einzelfall und bestimmt ein wenig einseitig gesehen, das gebe ich zu. Aber bei aller Liebe zum PC, der werfe den ersten Stein, der nicht bei dieser und jener Kalkulation in puncto lokale Intelligenz ähnlich die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat.

Lutz Martiny

Leiter Kommerzielle Datenverarbeitung - Systementwicklung, Schering AG, Berlin und Bergkamen

"Mikro-Wildwuchs und Probleme des Mikro-Mainframe-Links stehen ganz oben auf der Sorgenliste zahlreicher DV-Manager", konnte man in der CW Nr. 39 von 27. September 1985, Seite 1, lesen. Schafft der PC mehr Probleme, als er löst? Mit Radio Eriwan könnte man antworten: Im Prinzip ja, er tut es, nämlich dann, wenn man das SYMPHONY-Orchester der Nutzer disharmonisch in Open Access seine Lotus-Blüten treiben laßt, es sich systematisch auf dem DOS (Dos = französisch: der Rücken) Multi(ver)Planen läßt, bis es VISI(ver)CALCt ist und es sich ausgeMAUSert hat, weil es sich mit ihrem Knowledge Man einsdrei entzweit hat. Die Nutzerin Lisa Compaq liebt statt dessen ihren Easy Writer E.T. Mac WORDSTARk aber BASICally unstrukturiert, undokumentiert, unkontrolliert, GOTO GOTO GOTO, Bottom down. "Papa", sagt sie, "Charlie hat gesagt, der Pißi ist die echt ätzende, eierlegende Wollmilchsau." Charlie Chaplin müßte im Grabe rotieren, wenn er sähe, was in seinem Namen suggeriert wird.

Das aggressive Marketing vermittelt den potentiellen Nutzern einen völlig falschen Eindruck von Hardware und Software im PC-Bereich. Anscheinend werden sich Management und Fachabteilung erst jetzt (!) langsam bewußt, welche Schwierigkeiten die unterschiedlichen Nutzeroberflächen von beispielsweise Lotus und dBase, die unterschiedliche Funktionstastenbelegung oder die Behandlung von Fehlermeldungen des Betriebssystems und des Standardsoftwarepaketes hervorrufen. Von dem in DV-Chinesisch-Englisch gehaltenen Fehlermeldungen ganz zu schweigen. Wenn nach dem Auftreten eines Fehlers der leidgeprüfte Nutzer auch noch die Help-Taste drückt und erfährt: "SYMPHONY beeps at you when an error has occurred", dann hört selbiger Nutzer, wohl nur noch ein Panikorchester der Lindenzwerge.

Muß der PC mehr Probleme schaffen, als er löst? Er muß nicht! Bettet man die Individuelle Datenverarbeitung mit einer realistischen Einschätzung des Leistungsangebotes und all seinen derzeitigen Schwachen konkret in eine Informationsbearbeitungsstrategie des Unternehmer ein, konzentriert sich auf einheitliche Hardware und Standardsoftware und unterstützt die Nutzer durch ein Information Center, so löst der PC mehr Probleme, als er schafft. Was sagt Lisa zu dieser Art Vorgehen? "Im Prinzip ja, Papa", sagt sie, "aber Charlie hat gesagt, Sir Winston Churchill hat gesagt, 'History never repeats itself, but there are always some fools repeting history' "