Erste Ergebnisse einer am Bifoa durchgefuehrten Marktuntersuchung Computergestuetzte Organisation - in Teilbereichen echte Hilfe

06.08.1993

Organisatorische Prozesse lassen sich durch Softwareprodukte unterstuetzen - aber nicht in jedem Bereich gleich gut. Mit den Moeglichkeiten und Grenzen dieser Werkzeuge beschaeftigt sich eine Studie, die das Betriebswirtschaftliche Institut fuer Organisation und Automation (Bifoa) der Universitaet zu Koeln durchgefuehrt hat. Joerg Hilgenfeldt* und Heiko Lippold* stellen erste Ergebnisse vor.

Der Computer kann die Arbeit des Organisators nicht nur wesentlich erleichtern, sondern ihr auch neue Impulse geben. Die Gruende dafuer sind folgende:

- Die Vorgehensweise ist weitgehend vorstrukturiert und daher systematischer und gezielter.

- Die Auswertung der Daten erfolgt schneller, zuverlaessiger und vielfaeltiger, so dass Gestaltungsentscheidungen zuegiger getroffen werden koennen.

- Die Dokumentation der Ergebnisse wird verbessert und damit auch die Ergebniskontrolle erleichtert.

- Diean der Gestaltung beteiligten Mitarbeiter werden von Routinearbeiten entlastet, was die Motivation foerdert und Zeit fuer kreative Aufgaben schafft.

- Die computergestuetzte Praesentation von Ergebnissen wirkt ueberzeugender und erleichtert die Durchsetzung der Ergebnisse.

- Die Projektlaufzeit kann verkuerzt werden.

- Der Projektaufwand laesst sich verringern, der Ressourceneinsatz optimieren.

Allerdings stehen potentielle Anwender von Werkzeugen fuer die computergestuetzte Organisationsgestaltung vor einem sehr unuebersichtlichen Markt; staendig tauchen neue - unter Umstaenden auch nur geringfuegig modifizierte alte - Produkte auf. Um den daraus erwachsenden Informationsbedarf zu decken, hat das Betriebswirtschaftliche Institut fuer Organisation und Automation (Bifoaan der Universitaet zu Koeln eine Marktstudie durchgefuehrt.

Ziel dieser Studie ist es, die kommerziell verfuegbaren Softwareprodukte zu dokumentieren und vergleichend gegenueberzustellen. Die Untersuchung basiert auf einem Katalog von Fragen zum Funktionsumfang, zur Leistungsfaehigkeit der Softwareprodukte sowie zu den technischen und personellen Voraussetzungen. Sie umfasst 31 Produkte von 23 Anbietern.

An Hardware wird fast immer ein PC - mit unterschiedlicher Ausstattung und Peripherie - vorausgesetzt: 28 Produkte laufen auf IBM(-kompatiblen) PCs, vier auf Apple Macintosh und zwei auf Workstations (Mehrfachnennungen waren moeglich).

Die Produkte muessen im Regelfall gekauft werden, seltener werden sie vermietet. Einige sind auch nur mit Beratung verfuegbar.

Fuer fast alle Produkte werden Schulungen angeboten, die zwischen einem Tag und einer Woche dauern und haeufig sowohl beim Anbieter als auch beim Kunden stattfinden koennen. Die Preise richten sich entweder nach der Zahl der Teilnehmer oder der Schulungstage. Darueber hinaus existiert in vielen Faellen eine Hotline. Bis auf wenige Ausnahmen eignen sich alle Produkte fuer saemtliche Branchen und Arbeitsplatz-Typen.

Besonders wichtig ist die Frage, ob und inwieweit die Produkte die einzelnen Phasen der organisatorischen Gestaltung unterstuetzen. Hier unterscheiden sich die Tools hinsichtlich ihres Ansatzes und ihres Schwerpunkts zum Teil recht deutlich (siehe Abbildung 1).

Hier zeigen sich die Moeglichkeiten - aber auch die Grenzen - der verfuegbaren Werkzeuge. Hilfreich sind sie vor allem fuer die Erfassung und Verarbeitung grosser Datenbestaende (Aufnahme, Darstellung und Analyse des Ist-Zustands sowie Dokumentation und Praesentation der Ergebnisse). Weniger intensiv unterstuetzt wird beispielsweise die Entwicklung von Gestaltungsalternativen - ein Bereich, wo auch eigene Ideen gefragt sind. Nicht so nuetzlich sind die Softwarewerkzeuge ausserdem fuer die Bewertung der Alternativen und die Auswahlentscheidung, fuer die Einfuehrung der gewaehlten Alternative sowie fuer die Kontrolle der eingefuehrten Organisation. Keine grosse Hilfe sollte auch bei der Vorgabe von Gestaltungszielen erwartet werden.

Es erweist sich wieder einmal, dass organisatorisches Gestalten nicht einfach automatisierbar ist. Der Computer ist eben nicht kreativ, er erspart also nicht das eigene Denken. Aber er macht es vor allem moeglich, groessere Datenbestaende vorzuhalten, Informationen schneller abzufragen und zu uebermitteln, komplexere Methoden anzuwenden, aufwendigere Berechnungen durchzufuehren sowie Darstellungen fuer Berichte und Praesentationen flexibler und in besserer Qualitaet anzufertigen.

Dieser Beschleunigung der Organisationsarbeit stehen jedoch moeglicherweise die Forderung nach dem zusaetzlichen Generieren von Alternativen oder auch die steigenden Ansprueche an Problemloesungen und Praesentationen entgegen. Weiter ist es durchaus moeglich, dass durch den Einsatz von Softwarewerkzeugen die Problemsicht eingeengt wird sowie die problem- und handlungsspezifische Flexibilitaet verlorengeht. Darueber hinaus drohen die Gefahren der Scheinobjektivitaet und der Produktion von Zahlenfriedhoefen.

Nicht zuletzt sind auch die Kosten fuer den Einsatz der Produkte zu beachten - zumal eine Verbesserung der Entscheidungsqualitaet und damit der Ergebnisse - trotz aller Plausibilitaet - empirisch noch nicht nachgewiesen werden konnte (vgl. dazu Harald von Kortzfleisch: Rechnergestuetzte organisatorische Gestaltung. Entwicklungsstand und betriebswirtschaftliche Beurteilung. Bergisch Gladbach - Koeln 1993).

Erst die Kombination von richtigem Werkzeug und richtigem Einsatz verspricht also den erhofften Erfolg. Und "richtiger Einsatz" heisst auch, die Grenzen eines Werkzeugs zu kennen und nichts von ihm zu erwarten, was es nicht leisten kann. In diesem Zusammenhang liegt es nahe, Herstellerangaben kritisch zu hinterfragen, da sie immer auch eine Marketing-Komponente einschliessen. Im Zweifelsfall sollten Referenzen genannt werden.

Der Anwender muss sich sorgfaeltig mit den Produkten auseinandersetzen, die fuer die Loesung seiner Probleme in Frage kommen. So nuetzt es beispielsweise wenig, wenn mit Hilfe eines Werkzeugs im Anschluss an eine Erhebung der Ist-Zustand sehr eindrucksvoll mehrfarbig dargestellt werden kann, aber die zugrundeliegende Datenbasis mit Hilfe eines wenig ausgereiften Instrumentariums, etwa eines oberflaechlichen Fragebogens, zustande gekommen ist und damit wenig aussagt.

Was die konkreten Funktionen und Leistungen angeht, so unterscheiden sich die einzelnen Produkte je nach Ansatz und Schwerpunkt deutlich voneinander. Generell laesst sich hierzu jedoch folgendes feststellen (die Zahl in der Klammer gibt jeweils an, wie viele Produkte ueber das Merkmal verfuegen):

- Bei fast allen Produkten koennen irrelevante Methodenteile uebersprungen werden (26), sind Rueckspruenge beziehungsweise Schleifen moeglich (22), koennen zusaetzlich oder anderweitig erhobene Daten aufgenommen (20) sowie (Zwischen-)Ergebnisse gespeichert und spaeter weiterverarbeitet (26) werden.

- Einige Produkte sind netzwerkfaehig (17), ermoeglichen einen Mehrbenutzerbetrieb (17und eignen sich fuer den Einsatz in Client- Server-Architekturen (13).

- Bisweilen besteht die Moeglichkeit zur aktiven Simulation (9) sowie zur Hinterlegung und Berechnung von Kosten (12).

- Online-Hilfe (21) und kontextabhaengige Hilfemeldungen (20) werden recht haeufig geboten, Lernprogramme (5) und integrierte Makrosprachen zur Automatisierung von Befehlsablaeufen (9) dagegen seltener.

- Viele Produkte verfuegen zwar ueber einen Zugriffsschutz (23), aber wenige schliessen ein integriertes Backup- und Recovery-Modul (8) ein.

Die Preise werden zum Teil nur auf Anfrage mitgeteilt, weshalb sie in der Marktstudie nicht immer genannt werden koennen. Fuer insgesamt zwoelf Produkte ist eine Demoversion erhaeltlich.

Die Marktstudie soll keine Produktbewertungen positiver oder negativer Art treffen oder gar eine Rangfolge erstellen, weil das den teilweise recht unterschiedlichen Zielsetzungen der Angebote nicht Rechnung tragen wuerde. Vielmehr will das Bifoa mit der Untersuchung Anhaltspunkte fuer die Auswahl eines Produkts geben, auf deren Grundlage der Anwender dann einen eigenen Kriterienkatalog aufstellen und den Erfuellungsgrad seiner individuellen Anforderungen einschaetzen kann.

Der als Erhebungsinstrument genutzte Fragebogen umfasst 22 Kriterien, die in Abbildung 2 aufgefuehrt sind. Besonderen Wert legte das Bifoa darauf, die organisatorische "Kompetenz" der Produkte abzubilden.

Die Auswahl der Produkte erfolgte auf der Grundlage einer systematischen Marktbeobachtung, beispielsweise durch die Auswertung von einschlaegigen Publikationen, Software- Informationsdiensten und Fachmessen. Die erfassten Produkte sowie ihre Anbieter sind in Abbildung 3 aufgelistet. Der Schwerpunkt der Erhebung lag bei solchen Produkten, deren Anbieter in Deutschland ansaessig sind. Bis zur Veroeffentlichung der Studie mag noch das eine oder andere Produkt hinzukommen.

Grundsaetzlich wurde versucht, ein moeglichst breites Spektrum von Produkten einzubeziehen. Dies fuehrt zu einer gewissen Heterogenitaet, ist aber schon deshalb erforderlich, weil viele Produkte urspruenglich fuer andere, der organisatorischen Gestaltung jedoch verwandte Aufgabenstellungen - etwa fuer die Gestaltung von Buerosystemen - entwickelt wurden.

Die Erhebung erfolgte in den Monaten April bis Juni 1993. Die Herstellerangaben wurden einer Plausibilitaetspruefung unterzogen, eine Garantie fuer ihre Richtigkeit kann jedoch nicht uebernommen werden. Als Resuemee laesst sich festhalten, dass einzelne Phasen der organisatorischen Gestaltung schon recht wirkungsvoll unterstuetzt werden, andere dagegen (noch?nicht.

Beispielsweise im Hinblick auf die Integration mit Produkten aus den Bereichen Vorgangs- beziehungsweise Geschaeftsprozess-Management oder Unternehmensmodelle ist kuenftig noch einiges zu erwarten - insbesondere dann, wenn es gelingt, durchgaengige Benutzeroberflaechen zu realisieren und die Anwendungsfreundlichkeit zu erhoehen.

Wer daraus die Konsequenz zieht, mit dem Einsatz des Computers als Werkzeug fuer den Organisator lieber noch zu warten, sollte allerdings ueberlegen, ob es sich nicht lohnt, mit Hilfe eines der genannten Produkte zum Beispiel schon einmal die Daten in Ordnung zu bringen, zu lernen und auf diese Weise fuer kuenftige Entwicklungen besser geruestet zu sein. In jedem Fall sollte aber der Produkteinsatz in ein Gesamtkonzept eingebunden werden, das neben strategischen und technischen Aspekten auch Qualifikation und Weiterbildung der Benutzer einschliesst.

Weitergehende Informationen zur Marktstudie "Werkzeuge fuer die computergestuetzte Organisationsgestaltung" erteilt die Bibliothek des Bifoa in Koeln. Die Untersuchung umfasst 350 Seiten und kostet voraussichtlich 500 Mark.

*Joerg Hilgenfeldt ist als Gruppenleiter in den Bifoa- Projektbereichen Organisation und Dokumenten-Management-Systeme taetig. Dr. Heiko Lippold ist Geschaeftsfuehrer des Bifoa und Leiter der Projektbereiche Organisation, Dokumenten-Management-Systeme und Informationssicherheit.

Abb. 1: Markiert wurden diejenigen Felder, die auf mehr als ein beziehungsweise zwei Drittel der Produkte zutreffen.

Abb. 2: Als Abfrageinstrument diente ein standardisierter Fragebogen, der 22 Kriterien umfasste.

Abb. 3: Bis Ende Juni 1993 waren 31 Produkte von 23 Anbietern erfasst. Moeglicherweise kommt noch der eine oder andere Nachzuegler hinzu.