Erste Eindruecke von Adobes Photoshop 3.0 fuer Windows Neue Layer-Technik soll die Bildbearbeitung vereinfachen

16.12.1994

Von Michael Matzer*

Mit Version 3.0 des Bildbearbeitungssystems "Photoshop" will Adobe den Mitbewerbern Micrografx und Corel Paroli bieten. Doch im Gegensatz zu deren Produkten ist und bleibt Photoshop ein teures Programm mit hohem Anspruch an Bediener und Rechnerausstattung.

Um es vorwegzunehmen: Adobes Photoshop ist der Industriestandard unter den Bildbearbeitungssystemen im DTP-Bereich. Dies gilt bezueglich der Vierfarbseparation, der Scan- und Druckmoeglichkeiten sowie der verfuegbaren Plattformen: Das Programm laesst sich auf dem Mac, dem Power-PC und unter Windows einsetzen.

Allerdings weist die Software in den bisherigen Versionen auch einige Schwaechen auf. So konnte man in Photoshop lediglich den letzten Arbeitsschritt widerrufen, umfangreichere Montageoperationen liessen sich nachtraeglich nur veraendern, indem das Bild komplett neu aufgebaut wurde. Micrografx hat im "Picture Publisher 5.0" zur Loesung dieses Problems die editierbare Befehlsliste eingefuehrt - Adobe hat nun im Update einen anderen Weg gewaehlt.

In Photoshop 3.0 stapelt der Anwender sein Bild in bis zu 99 Schichten, ohne dass die Layer sich gegenseitig beeinflussen. Festgelegt wird die Transparenz jeder Schicht und wie sie mit dem Hintergrundbild verknuepft sein soll. Die Schichten wirken also wie uebereinandergelegte Folien auf einem Tageslichtprojektor, lediglich der Hintergrund sollte undurchsichtig sein.

Der Verknuepfungsvorgang laesst sich ueber 14 verschiedene Modi auswaehlen und bearbeiten. Zudem kann der Anwender eine Ebene maskieren, also Bereiche pro Schicht festlegen, die fuer den Hintergrund durchlaessig sind.

Die Verwaltung dieser zwei grundlegenden Techniken - Schichten verknuepfen oder maskieren - erfolgt in einer Palette, in der jede Ebene als Vorschau zu sehen ist. Der Anwender kann hier einzelne Schichten etwa von Ebene sechs zu Ebene zwei verschieben oder Schichten zu einer Gruppe arrangieren, um diese komplett zu verschieben. Erst wenn er mit saemtlichen Zuordnungen zufrieden ist, wird die Verbindung der Ebenen durchgefuehrt. Mit dieser flexiblen Technik fuer Montagearbeiten schliesst sich Photoshop Programmen wie dem "Altamira Composer" und dem "Fractal Design Painter/X2" an.

Fuer die Ebenentechnik beansprucht das System allerdings Speicherressourcen: Zusaetzlich zum Hintergrundbild erhoeht jede Ebene die Groesse der geladenen Datei. Erst nach dem endgueltigen Verbinden reduziert sich der Dateiumfang wieder auf die Groesse des Hintergrundbildes. Bei einer Ausstattung mit 8 MB RAM startet Photoshop nicht einmal, im Gegensatz zu Picture Publisher 5.0. Erst nach einem Speicherausbau auf 16 MB konnten Tests durchgefuehrt werden, wobei die Arbeitsgeschwindigkeit noch zu wuenschen uebrig liess.

Die Farbwirkung eines Bildes, das der Anwender im RGB-Modus bearbeitet, laesst sich nunmehr genauer kontrollieren. Dazu wird die neue CMYK-Vorschau eingesetzt (Cyan, Magenta, Yellow, Black). Statt wie bisher das Bild umstaendlich in den CMYK-Modus zu konvertieren, kann der Anwender in der Vorschau gezielt Farben veraendern. Im Gegensatz zum neuen Picture Publisher, der das Kodak-System zur Farbkalibrierung verwendet, muss der Photoshop- Anwender immer noch auf ein entsprechend automatisiertes System verzichten. Immerhin sind die manuellen Einstellmoeglichkeiten fuer die meisten Anforderungen ausreichend.

Die Werkzeugoptionen zum Malen und Bearbeiten (Zauberstab etc.) braucht der Anwender nicht mehr in versteckten Dialogfenstern zu suchen. Sie werden staendig griffbereit in entsprechenden Paletten vorgehalten. Ein neues Tool ist der Schwamm, mit dem sich die Farbsaettigung eines Bereichs gezielt veraendern laesst. Der Radiergummi ist flexibler ausgelegt, das heisst, der Anwender kann den Umfang und Wirkungsgrad bestimmen, mit dem geloescht wird. Um auch Aquarellwirkungen zu erzielen, wurde der Pinsel mit einem Wet-Edges-Effekt ausgestattet. Ein Bezierkurven-Werkzeug fehlt allerdings immer noch. Der Benutzer kann seine eigenen Toolboxen definieren, der Zugriff auf die Paletten wird durch die neuen Karteireiter erleichtert.

Ueber Filter lassen sich Kratzer und andere Unregelmaessigkeiten aus einem gescannten Bild entfernen. Neue Filter erzeugen fraktale Wolken oder Lichteffekte, mit denen man durch den Einsatz von variablen Lichtquellen wirkungsvolle Bildkompositionen erzielen kann. Benutzerdefinierte Filter werden ueber das Add-on "Filter- Factory" angelegt, die Vorschau zeigt saemtliche Filter an.

Fuer den Einsatz im Zeitungswesen ist die Unterstuetzung des Standards des International Press Telecommunications Council

(IPTC) wichtig, der Dateianmerkungen erlaubt, etwa den Namen des Fotografen, Datum, Entstehungsort, eine Bildunterschrift sowie Stichworteintraege.

Photoshop 3.0

Abgesehen vom anhaltend hohen Anspruch an Bediener-Know-how und Systemausstattung bietet Photoshop 3.0 eine durchdachte Arbeitsumgebung, wichtige neue Filter wie Lichteffekte und als zentrales Novum die Layer-Technik. Sie erlaubt das flexible Editieren von montierten Bildern und stellt zudem eine weitreichende Undo-Funktion dar.

Die US-Version soll Mitte Dezember zu einem Preis von rund 2450 Mark (Upgrade: 400 Mark) verfuegbar sein. Das deutsche Release wird zirka sechs Wochen spaeter erwartet. Im Lieferumfang sind enthalten: ein interaktives Lernprogramm, digitale Kunst, Filter von Drittanbietern und Adobes "Acrobat Reader" (er erlaubt es, systemunabhaengige Bilder zu erzeugen).

* Michael Matzer ist freier Fachjournalist in Herrsching bei Muenchen.