Mauer: "Nur mit intelligenten Decodern ist der Durchbruch zu schaffen"

Erst Mupid soll Bildschirmtext schön machen

13.05.1983

Btx ohne intelligente Decoder wird bei weitem nicht die Verbreitung erreichen, die prognostiziert wird. Dazu müßten intelligente Decoder eingesetzt werden. Durch Decoder wie Mupid, behauptet Prof. Hermann Maurer vom Institut für Informationsverarbeitung der TU Graz in dem folgenden Beitrag, verschiebt sich das Preis-/Leistungsverhältnis dermaßen, daß Decoder ohne Intelligenz als Technologie von gestern angesehen werden müssen. Maurer ist "der Erfinder" des Mupid.

Die ursprüngliche Konzeption von Bildschirmtext (Btx) als reines Text-Informationsabrufsystem mit rudimentärem Mitteilungs- und Bestellungsdienst mittels vorformatierter Seiten und basierend auf in das Fernsehgerät eingebautem Primitivdecoder und nur numerischer Fernbedienungstastatur ist ein Fehlschlag. Die schleppende Entwicklung von Btx in England (nach vier Jahren Betrieb knapp 25 000 Teilnehmer) belegt dies deutlich.

Der neue Standard (CEPT) ändert daran nichts: Durch CEPT werden die Decoder um einiges teurer, ohne daß der Benutzer viel von einer Verbesserung merken wird. Die mit CEPT mögliche "ausgefuchste" Grafik ist so schwierig und damit teuer bei der Erstellung, daß sie in den allerwenigsten Fällen auch nur einigermaßen ausgenutzt werden wird. Am meisten freuen werden sich über die neue Grafik Institute für grafische Gestaltung, Informationsanbieterbüros und Hersteller von Editiersystemen, die hier zusätzliche Umsätze tätigen werden.

Ei des Columbus?

Der in der Bundesrepublik entwickelte Rechnerverbund erhöht zwar die Attraktivität von Btx, das alles rettende Ei des Columbus ist er nicht. Dazu ist er zu teuer, belastet die externen Rechner zu stark und bringt bei den kleinsten Transaktionen Mini-Wartezeiten mit sich, die teils ärgerlich sind, teils gewisse Anwendungen (wie zum Beispiel Geschicklichkeitsspiele) einfach unmöglich machen. Bei interessanten Anwendungen kommt dazu, daß der Normalbenutzer ohne alphabetische Tastatur kaum vernünftig bedient werden kann.

Btx mit unintelligenten Decodern und nur numerischer Tastatur ist auch mit CEPT-Grafik und Rechnerverbund für den Privatverbraucher zu wenig attraktiv, als daß er sich dafür leicht zu größeren Investitionen hinreißen lassen wird. Eine neue Studie prognostiziert zum Beispiel für ein solches Btx ganze 20 000 Teilnehmer bis 1990 in Österreich.

Umgerechnet auf Deutschland wären das rund 200 000 Teilnehmer bis 1990 - ein Zehntel von dem, was hier gegenwärtig "geschätzt" wird. Ich halte diese vorsichtigen Schätzungen angesichts der weltweit schleppenden Entwicklung von Btx für wahrscheinlicher als andere, die mir zu optimistisch erscheinen - es sei denn, Btx wird für den Benutzer ohne große zusätzliche Kosten um vieles interessanter.

Genau das ist möglich, wenn man intelligente Decoder wie Mupid einsetzt: Solche Decoder bieten nicht nur Btx, sie sind auch als Heimcomputer einsetzbar. Mehr noch, durch die Kombination von Heimcomputer und Btx bieten sich ganz neue Möglichkeiten. Der Benutzer, der einen neuen Fernseher mit Mupid für etwa 3400 Mark kauft, erhält

- ein neues Fernsehgerät;

- ein vollwertiges Btx-Terminal (mit grafischen Möglichkeiten, die weit über CEPT-Mosaik hinausgehen, und mit verschiedensten Suchhilfen zum Auffinden von Informationen und Diensten);

- ein elektronisches Postsystem, da Mupid natürlich eine volle alphabetische Tastatur hat;

- einen Spielcomputer (für Denkspiele wie Schach, oder für Geschicklichkeitsspiele, wie man sie sonst nur von Spielcomputern kennt); - ein Unterrichtssystem (zum Beispiel zum Vokabellernen oder für Beistrichregeln);

- ein Texteditiersystem (wobei die erstellten Texte am Ort - wenn der Benutzer einen Drucker hat - oder sonstwo ausgedruckt (und im zweiten Fall zugesandt) werden können);

- einen Heimcomputer (der Programme, die im Btx-System gespeichert sind, abarbeiten kann; der aber genausogut selbst zum Beispiel in Basic programmiert werden kann).

Auch ohne Btx

Mupid ist ein Einplatinen-Computer mit einem Z80A-Prozessor, in der Grundausrüstung mit 16 K PROM (grafische Routinen, Basic-Interpreter, Supervisor) und 64 K RAM. Er hat eine volle ASCII-Tastatur mit getrenntem numerischen Ziffernblock, eine Hardwareclock, einen kleinen Lautsprecher und Tongenerator (64 Halbtonstufen), zwei volle serielle Interfaces, die bis zu 9600 Baud schaltbar sind, zusätzliche Drucker- und Kassettenrecorder-Interface; acht Analogeingänge (zum Beispiel für Spielkontrollen) sind vorgesehen.

Mupid gestattet das Laden beliebiger Zeichensätze, bietet 16 Farben auf einem Raster von 320 x 240 Punkten und, neben der in Btx-Kreisen üblichen Mosaikgrafik, die in Computerkreisen bevorzugte Vektorgrafik. Darüber hinaus gibt es einen Faksimile-Modus, in dem Bilder mit hoher Auflösung punktweise dargestellt werden können ("Picture-Prestel"). Solche Bilder lassen sich mit Digitalisierungsmodul und Fernsehkamera vollautomatisch erstellen. Demnächst verfügbare Zusätze umfassen Speichererweiterungen und eine 1,6-MByte-Doppelfloppy, auf der CP/M laufen kann. Dadurch wird Mupid auch ohne Btx zu einem vollwertigen Kleincomputersystem.

Mupid wird zur Zeit als externes Gerät (das heißt nicht in den Fernseher integriert - dadurch ist der Ankauf eines neuen Fernsehers nicht unbedingt erforderlich) angeboten. Durch einen Umrüstmodul (unter 500 Mark), der auf die gegenwärtige Mupid-Platine gesteckt wird, kann jeder Mupid auf den vollen CEPT-Standard (4096 Farben, DRCS etc.) nach bundesdeutscher Terminalspezifikation aufgerüstet werden. Er verliert dadurch seine anderen Fähigkeiten (Vektorgrafik, Programmierbarkeit) nicht. Mit geeignetem Farbmonitor sind auch 80 Zeichen pro Zeile darstellbar, wie für gutes Texteditieren notwendig.

Wie schon erwähnt, ist jeder Mupid als Editierstation verwendbar und kann zur Erstellung von Telesoftware verwendet werden. Er kann Arbeiten wie Erstellung alphabetischer Indizes, Ausdruck belegter Seiten oder von Seitenstatistiken etc. vollautomatisch durchführen.

Rechnerkopplung ohne Paketvermittlung

Er eröffnet aber auch ganz neue Anwendungsgebiete beziehungsweise reduziert Kosten. Dazu drei Beispiele:

- Entlastung des Rechnerverbundes: Viele Tätigkeiten, die sonst im externen Rechner des Informationsanbieters ausgeführt werden müssen, können ins Benutzerterminal verlegt werden. In gewissen Fällen (Berechnungen, Bestellungen) erübrigt sich der Rechnerverbund völlig, in anderen kann er entlastet werden.

- Datenerfassung: Unter der Kontrolle eines Teleprogramms können Daten erfaßt und als Mitteilungen an eine Btx-Zentrale gesandt werden (wobei durch Mupid der gesamte Vorgang sehr stark automatisiert wird). Von der Btx-Zentrale werden die Daten mit einem anderen Mupid (mehrmals täglich vollautomatisch) abgerufen und über das zweite V.24-Interface an den Rechner des Informationsanbieters übergeben. (Man beachte: Rechnerkopplung ohne Paketvermittlungsnetz!)

- Datenkomprimierung: Durch ein entsprechendes Teleprogramm können Textdaten komprimiert gespeichert und übertragen werden. Sie werden erst im Benutzerterminal wieder "entkomprimiert". Da eine Komprimierung um einen Faktor von drei bis zehn je nach Daten möglich ist, spart sich der Informationsanbieter wesentliche Kosten für die Datenspeicherung und Übertragung. (Die Kosten für 10 000 Btx-Seiten beispielsweise reduzieren sich von jährlich 270 000 Mark auf weniger als 100 000 Mark.)