Erst denken, dann bloggen

21.03.2005
Betreiber von Weblogs (Blogs) gehen - bewusst oder unbewusst - hohe Risiken ein, wenn sie etwa Interna ihres Arbeitgebers preisgeben.

Blogs haben inzwischen auch in Deutschland eine steile Karriere hinter sich. Das Medium ist vor allem deswegen in der Gunst und Aufmerksamkeit der traditionellen Berichterstatter gestiegen, weil deren Standesregeln hier nicht oder nur in eingeschränkter Form gelten: Bissige Behauptungen, überdosierte Kommentare und gewagt konstruierte Zusammenhänge in Web-Geschwindigkeit sind in der Presselandschaft trotz einiger illustrer Ausnahmen nicht an der Tagesordnung - zumindest nicht derart konsequent wie in diversen Blogs.

Blogger überschreiten regelmäßig Grenzen, weil dies den einzelnen Blog überhaupt erst interessant macht. Teilweise steht dort, was auch Journalisten wissen, aber nicht beweisen können oder nicht schreiben dürfen. Trotz der Unterschiede gelten jedoch auch für Blogs die Grundregeln der Medien: Wer zuerst berichtet, wer mit den spektakulärsten Informationen aufwartet und wer beispielsweise lesbar schreibt, steigt in der Gunst der Rezipienten. Banalitäten wie persönliche Urlaubsfotos sind nicht attraktiv für ein breites Publikum; Schnappschüsse von neuen Apple-Rechnern hingegen mehren den Ruhm des Bloggers und seiner Website, der Marke.

Inzwischen häufen sich jedoch die Fälle, in denen die freien Autoren die rechtlichen Grenzen ihrer publizistischen Tätigkeit persönlich kennen gelernt haben. Die US-amerikanische Flugbegleiterin Ellen Simonetti ("Queen of Sky") wurde gefeuert, weil sie sich in ihrem Blog "unangemessen" auf Fotos präsentiert hatte - man sah immerhin einen BH-Ansatz. Dumm nur, dass sie darüber die Uniform ihres Arbeitgebers trug und die Aufnahmen im Flugzeug gemacht wurden. Der Schotte Joe Gordon verlor den Job, weil er sich auf seiner Website ("Woolamaloo Gazette") diskreditierend über seinen Chef geäußert hatte. Dass auch Google sowie die Online-Community Friendster Mitarbeiter aufgrund ihrer Blogs entlassen haben, rundet das Bild ab.

Blogger schreiben über leicht zu knackende Bügelschlösser (Kryptonite), über Fehler bekannter Journalisten (Dan Rather) und die Geschäftsmodelle von Klingelton-Anbietern (Jamba). Das macht Unternehmen nicht glücklich, vor allem dann nicht, wenn die Informationen von einem eigenen Mitarbeiter preisgegeben werden. Die Firmen wehren sich nicht selten auf dem Rechtsweg (siehe Kasten "Apples Klage").

Die persönlichen Tagebücher können nicht nur in den USA, sondern auch auch in Deutschland gravierende Konsequenzen für die Autoren haben: "Beim Bloggen gilt das Gleiche wie im richtigen Leben", sagt Jens Engelhardt, Rechtsanwalt in Darmstadt. Dies betreffe die Veröffentlichung von Firmeninterna ebenso wie persönliche Beleidigungen von Kollegen und Chefs. Gerade die Beleidigung gewinne dadurch Gewicht, "dass sie von Dritten zur Kenntnis genommen wird", so der Anwalt. Das ist im Fall eines Blogs nicht nur gegeben, sondern in der Regel auch beabsichtigt.

Fristlose Kündigungen gebe es jedoch höchstens in "extremen Fällen" von Beleidigungen, berichtet der Hannoveraner Arbeitsrechtler und IT-Spezialist Thomas Feil. Seinem Chef online vorzuwerfen, Bilanzen zu fälschen oder regelmäßig auf Pornoseiten zu surfen, gehöre vermutlich dazu. Dennoch empfiehlt der Anwalt ratsuchenden Unternehmen, den Mitarbeiter zuerst über eine Abmahnung zu zügeln - das sei die "sichere Variante". Angesichts von über fünf Millionen Arbeitslosen ständen Richter gegenwärtig einer fristlosen Kündigung eher zurückhaltend gegenüber, berichtet Feil. Indes lassen sich Entscheidungen nicht verallgemeinern: So verweist Anwalt Engelhardt auf ein Urteil, wonach die Stimmung im Betrieb zu den Interna zählt. "Allerdings gibt es auch eine Entscheidung, die explizit das Gegenteil besagt."

Doch nicht nur das Verhältnis zum Chef, auch die Beziehungen zu den Kollegen können, in Blogs ausgebreitet, zu rechtlichen Konsequenzen führen. Stichwort Mobbing: "Unternehmen müssen die Mitarbeiter sozusagen voreinander schützen", beschreibt die Düsseldorfer Rechtsanwältin Ute Rossenhövel die Situation. Wer ständig gegen einen Kollegen hetze, müsse zumindest mit einer Abmahnung rechnen. Da in besonders krassen Fällen gemobbte Mitarbeiter das Unternehmen auf Schadensersatz verklagen könnten, empfiehlt Rossenhövel, die Mobbing-Richtlinie, so es sie denn gibt, um Vorgaben zum Blog-Verhalten zu erweitern.

Wer ein Unternehmen verlassen hat oder verlassen musste, sollte nicht zwanglos seine Meinung über den ehemaligen Arbeitgeber verbreiten. "Generell gelten Nachpflichten", warnt Rossenhövel. Vertrauliche Informationen, die man während des Arbeitsverhältnisses erlangt hat, seien auch weiterhin vertraulich zu behandeln. "Wenn ich nach fünf Jahren den Ruf eines Unternehmens mit vermeintlichen Details schädige, wird aus allgemeinen Gesetzen und nicht mehr auf arbeitsrechtlicher Grundlage gegen mich vorgegangen." Dies gilt speziell, wenn sich Details nicht beweisen lassen, weil sie nicht stimmen.

Oft wird auch die lange Halbwertszeit von Web-Seiten unterschätzt: Wer sich bei einem Unternehmen bewirbt, muss damit rechnen, dass Personaler die Suchmaschinen anwerfen. Tauchen im Web persönliche Kommentare zu ehemaligen Arbeitgebern oder Kollegen auf, spricht das nicht gerade für die Integrität des Bewerbers. "Als Freiberufler sind Sie mit eindeutigen Aussagen faktisch verbrannt", sagt Anwalt Feil. Für Möchtegern-Festangestellte gilt Gleiches. Folglich resümiert Rechtanwältin Rossenhövel: "Erst denken, dann bloggen."

Unternehmen hingegen sind gut beraten, den Spruch leicht verändert auf sich selbst anzuwenden: "Erst denken, dann klagen." Kommt es tatsächlich zu einem Prozess, springen stets die tradionellen Medien auf den Zug auf. Wer zudem einen Blogger hart behandelt, kann von anderen kaum Verständnis erwarten. Darauf müssen sich zunehmend auch internationale Konzerne einstellen, denn das Internet hat die alten Barrieren der Informationsverteilung längst überrollt.