Erst Cairo verfuegt ueber alle Funktionalitaeten der Verzeichnisdienste ODSI macht die Arbeit mit den Directory Services transparent

11.08.1995

MUENCHEN (hi) - Mit harten Schlaegen, die teilweise unter die Guertellinie gehen, kaempfen Microsoft und Novell mittlerweile um neue Anhaenger fuer die hauseigenen Netzwerkideologien. Mit einem White Paper zum Thema Directory Services laeutet Microsoft nun die naechste Runde im Networking-Kampf ein.

Bei allen Differenzen darueber, wie das richtige Netzwerk- Betriebssystem der Zukunft aussehen sollte, zumindest in einem sind sich die beiden Kontrahenten einig: Egal ob Bill Gates von den "Information at your fingertips" - im Abkuerzungschinesisch IAYF - traeumt oder Bob Frankenberg das "Pervasive-Computing"- Luftschloss mit einer Milliarde Netware-User baut, beide benoetigen zur Verwirklichung ihrer Visionen Directory Services.

Bis dato koennen Novell und Banyan in diesem Punkt eindeutig einen Vorteil verbuchen: Mit NDS beziehungsweise Streettalk haben die beiden Networking-Companies bereits einen Directory Service, der zudem grundlegende Funktionalitaeten der X.500-Spezifikation bereitstellt. Microsoft dagegen hat momentan nichts Vergleichbares zu bieten, und Branchenkenner munkeln, dass die Gates-Company erst in ein bis zwei Jahren soweit ist, entsprechende Dienste offerieren zu koennen. Vermutlich duerften diese dann in den NT- Nachfolger Cairo integriert sein. Trotz oder gerade wegen dieses Vorsprungs der Konkurrenz geht der Softwareriese nun in die Offensive. Zumindest auf dem Papier verkuendet die Gates-Mannschaft bereits heute, wie die Networking-Landschaft von morgen aussehen soll. Aus Microsofts Sicht eignen sich die heutigen Directory Services bei allen Unterschieden im Detail aufgrund ihrer Konzeption primaer nur als Tools zur Verwaltung der jeweiligen Netzumgebung. Zudem sei es mit der Interoperabilitaet der Dienste nicht zum besten bestellt. Zwar unterstuetzen alle drei Netzwerk- Betriebssysteme "Hierarchical-Naming"-Features, doch die Implementierung unterscheidet sich grundlegend. Waehrend NT zwei Stufen unterstuetzt, bietet Banyan drei Levels und Novell gar eine unbegrenzte Zahl von Hierachieebenen an.

Aehnlich wie Novell mit der Idee des Super-NOS ist man bei Microsoft der Meinung, dass die Directory Services der naechsten Generation integraler Bestandteil der Betriebssysteme sein sollten. Die Migration zu diesen kommenden Verzeichnisdiensten vollzieht sich, so die Vorstellung in Redmond, in vier Phasen. Microsoft befindet sich dabei nach eigenen Einschaetzungen derzeit im zweiten Abschnitt, in dem die Directory Services von NT anderen Komponenten und Netzwerk-Betriebssystemen ("File and Print Services for Netware" oder "Directory Service Manager for Netware") bereitgestellt werden. Zudem seien nun auch Applikationen wie Microsofts Back Office in die Verzeichnisdienste integriert, nachdem in einem ersten Schritt bereits Funktionen wie "Enterprise-wide Single Login" fuer File- und Print-Ressourcen verwirklicht wurden.

Im dritten Schritt will Redmond dann endlich wie die Mitbewerber X.500-Features anbieten. Im wesentlichen sollen diese Funktionen durch den Microsoft Exchange Server realisiert werden. Darueber hinaus soll die Software ueber einen X.500-Gateway verfuegen, der NT-Anwendern die Kommunikation mit anderen X.500-basierten Directory Services eroeffnet. Die Verwaltung des Exchange Servers erfolgt dabei, wie es beim Hersteller heisst, auf die gleiche Weise wie beim NT Server.

In der vierten Phase muenden diese Schritte dann in Microsofts Directory Services der naechsten Generation, die in dem NT- Nachfolger Cairo integriert sind. Das objektorientierte Cairo, das ebenso wie NT oder Netware auf einem Microkernel basiert, soll dann die Arbeit mit Distributed Services ermoeglichen. Um dies zu verwirklichen, werden die Directory Services in Cairo nach den derzeitigen Plaenen gemaess den X.500-Spezifikationen aufgebaut sowie vollstaendig erweiterbar, global und interoperabel mit den Verzeichnisdiensten der heutigen Generation sein.

Dazu verwendet Cairo, wie es in dem White Paper heisst, keine separaten Datenbanken wie heutige Verzeichnisdienste, sondern stuetzt sich auf das objektorientierte OLE-Dateisystem. Oder, wie es Microsoft formuliert, "das OLE-File-System ist das Directory". Vorteil fuer den Anwender waere, dass er nicht mehr wie heute Dutzende von Netzlaufwerksbuchstaben kennen muss, um auf bestimmte Daten zuzugreifen, denn in diesem Szenario koennte der User dokumentenorientiert arbeiten. Auf der anderen Seite soll unter Cairo das Leben fuer die Administratoren bedeutend einfacher werden, da dank dessen Interoperabilitaet mit oeffentlichen und privaten Directory Services ein unternehmensweites Netz ueber eine Plattform innerhalb des Cairo Directory verwaltet werden kann.

Doch bis Cairo endlich mit seinen Directory Services das Licht der Welt erblickt, hier sei nur an die staendigen Verspaetungen in Sachen Windows NT oder Windows 95 erinnert, koennte es fuer Microsoft schon zu spaet und die Schlacht um das Enterprise Networking verloren sein.

Neuer API-Satz als Bestandteil von WOSA

Deshalb will die Gates-Mannschaft Ende 1996 mit den "Open Directory Service Interfaces" (ODSI) einen Satz von APIs bereitstellen, die Administratoren die Verwaltung verschiedener Directory Services ermoeglichen und unabhaengige Softwarehaeuser in die Lage versetzen, Applikationen zu schreiben, die auf verschiedene Verzeichnisse zugreifen. Zudem koenne ODSI in X.500 und in Verzeichnissen gemaess der Spezifikation der Open Software Foundation (OSF) in Sachen Distributed Computing Environments (DCE) unterstuetzt werden.

Von den vier APIs, die Teil der Windows Open Services Architecture (WOSA) sind, hat Microsoft bereits zwei entwickelt. Dazu gehoert das "Network Provider Interface", das den Login in mehrere Directories realisiert. Ebenfalls fertig ist die "Winsock Resolution and Registration", die Applikationen mit mehreren Directories registriert. Als drittem Interface arbeitet man in Redmond an einer OLE-Datenbank, die den Zugang zu Datenbanken, auch der Directory-Datenbank, verwaltet. Wie aus unterrichteten Kreisen verlautet, soll eine Betaversion des Interface bereits im Dezember im Rahmen eines Developer-Kits erhaeltlich sein. Letzte Schnittstelle sind die "OLE Directory Services", mit deren Hilfe dann gemeinsame Verzeichnisobjekte verwaltet werden. Geruechten zufolge soll dieses Interface, fuer das noch kein Erscheinungsdatum bekannt ist, im August eine gruendliche Ueberarbeitung des Designs erhalten.

Spaeter ist dann der Support von ODSI in Windows 95, Windows NT Workstation sowie dem Windows NT Server geplant. Darueber hinaus koennen die ODSI-Schnittstellen laut Biki Malik, Product Manager fuer den Windows NT Server, auch in anderen Plattformen wie beispielsweise Unix oder OS/2 integriert werden. Amerikanischen Berichten zufolge haben Novell und Banyan bereits die Absicht bekundet, mit ihren Directory Services ebenfalls ODSI zu unterstuetzen.