Bei der Mensch-Maschine-Kommunikation geht GMD ins Detail:

Erst Akzeptanz macht das System zum Werkzeug

26.04.1985

SANKT AUGUSTIN - Ohne Akzeptanz in der Fachabteilung entwickelt sich Computerunterstützung zum Flop. Bei der Mensch-Maschine-Schnittstelle müssen deshalb die Reaktionen von "DV-Laien" einkalkuliert werden. Das Institut für angewandte Informationstechnik der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) in Sankt Augustin kümmert sich um die ergonomische Software.

Der Schwerpunkt der Forschungsgruppe "Mensch-Maschine-Kommunikation" innerhalb der GMD liegt auf dem Bereich Software-Ergonomie. Hier wird die Qualität der Schnittstellen zwischen Benutzer und Rechner beurteilt, also der vielbeschworenen Benutzerfreundlichkeit auf den Grund gegangen.

Die Arbeit richtet sich beispielsweise auf Dialogführung, Bildschirmaufbau, Dialogsequenzen oder Aufgabenangemessenheit sowie Fehlertoleranz.

Die Forschungsgruppe ist sich einig, daß noch nicht genügend Klarheit über die einzelnen Faktoren einer benutzergerechten Mensch-Maschine-Schnittstelle herrscht. Zum einen können potentielle Anwender eines Computersystems ihre Bedürfnisse nicht präzise genug formulieren. Häufig fehlt ihnen dazu die Vorstellung, was technisch realisierbar ist. Zum anderen tappen die DV-Hersteller über die Anforderungen der Kunden weitgehend im dunkeln. Noch ist auch die Ansicht verbreitet, Erfahrungen von Software-Entwicklungsabteilungen seien auf Sachbearbeiter Planer oder Organisator zu übertragen, kritisieren die Fachleute des GMD-Teams. Für den Anwender soll der Computer jedoch nur ein Werkzeug sein. Seine Aufgabe ist, Fachprobleme besser bewältigen zu helfen.

Besonders in komplexen Anwendungsgebieten wie bei integrierten Bürosystemen mit Textedition, Tabellenkalkulation oder Grafikdarstellung seien menschliche Erfordernisse nicht genügend berücksichtigt.

Gültige Beurteilung der ergonomischen Forderungen

Ausgangspunkt für den Experten in Sankt Augustin waren die Empfehlungen des DIN-Arbeitsausschusses von 1984.

Sie befassen sich mit der Schnittstelle Mensch/Computer bei bereits marktfähigen Bürosystemen. Ausgehend von ihren allgemein gehaltenen Kriterien wie Steuerbarkeit, Selbsterklärungsfähigkeit, Verläßlichkeit und Aufgabenangemessenheit sowie Fehlertoleranz arbeitet die GMD-Forschungsgruppe bis hinein ins Schnittstellen-Detail. Für eine gültige Beurteilung der ergonomischen Angemessenheit einer Schnittstellenrealisierung reiche die subjektive Einschätzung von Benutzern oder Experten allein nicht aus.

Abkehr von ursprünglichen Konzepten

Es wird versucht, die Steuerbarkeit eines Mensch-Maschine-Dialogs "so hart in den Griff zu bekommen", daß empirische Untersuchungen möglich werden, schildert Institutsleiter Peter Wißkirchen. Meßbare Kriterien Objektivität und Wiederholbarkeit werden dabei angestrebt. Für dieses Sondieren dienen existierende Programmsysteme als Material. Ein vorläufiges Ergebnis dieser arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen heißt zunächst: Abkehr von ursprünglichen Konzepten. Dies trifft besonders für die Forderung "Ease of Use", der leichten Bedienbarkeit, zu. Sowohl geistige Über- als auch Unterforderung des Benutzers führten zur Demotivation. Auch die Entfaltung der Persönlichkeit des Anwenders sollte garantiert sein. Freiheitsgrade bei der Aufgabenbewältigung sowie Lernmöglichkeiten über das System erleichterten dessen Beherrschung und seinen Wirkungsradius bei Problemlösungen.

Interesse der Hersteller an Forschungsergebnissen

An den Forschungsergebnissen sind fast alle Hersteller von Bürocomputersystemen interessiert, berichtet Institutsleiter Wißkirchen.

Absprachen für eine konkrete Zusammenarbeit seien bereits getroffen. So wollen Hersteller dem GMD-Labor prototypische Schnittstellen zur Verfügung stellen, um durch Auswertungen über das Vorprodukt Anregungen und Verbesserungen für eine Serienfertigung zu erhalten. Dabei wird untersucht, wie bestimmte Umsetzungen von DIN-Empfehlungen an dem Berührungspunkt zwischen Mensch und Computer auf die Kriterien Belastung und Persönlichkeitsförderlichkeit wirken.

Künstliche Intelligenz macht Systeme klüger

Auf dem Weg zum papierlosen Büro existieren nach Meinung der GMD-Fachleute noch besondere Probleme bei dem Design der Mensch-Maschine-Schnittstelle .

"Der Benutzer sieht ja nichts anderes als die Schnittstelle", formuliert Wißkirchen bewußt überspitzt das Problem. Also müsse zunächst die Selbsterklärungsfähigkeit verbessert werden. Ausgeklügelte Datenbanksysteme etwa nutzen dem Anwender wenig, präsentieren sie sich nicht an dem gemeinsamen Berührungspunkt auf verständliche Weise.

Die bisher eingesetzten Systeme, so zeigen Erfahrungen, seien noch zu schwer auslotbar für den Anwender. "Bei gegebener Leistung sind die weitaus meisten Benutzer nicht in der Lage, voll auszuschöpfen, was der Computer an Möglichkeiten bietet.", beschreibt der Institutsleiter die Situation. Die Benutzerführung verhindere in vielen Fällen geradezu, die Rechner-Funktion in ganzem Umfang in Anspruch zu nehmen.

Eine weitere Schwachstelle ist nach Meinung der GMD-Forschungsgruppe der bisherige Leistungsumfang des Bürocomputers selbst. Hier sollen mit Hilfe der künstlichen Intelligenz die Systeme "klüger gemacht" werden.

Ansatz dazu ist einerseits die Schnittstelle mit natürlicher Sprache, andererseits die wissensbasierte Dialogführung. Der Benutzer nennt dem Computer dabei bestimmte Arbeitsziele - etwa ein Spreadsheet für Monatseinnahmen. Daraufhin kann der Rechner, "intelligenter als es derzeit der Fall ist", gezielt den Dialog steuern.

Der nächste Schritt über diese wissensbasierten Systeme hinaus führt nach Auffassung der Forschungsgruppe in "Richtung Kommunikation". So stehen rechnergestützte Vorgangssysteme - GDM-Terminologie - für Computer im Verbund zur Verfügung. Sie prägen die als "Formularkrieg" bekannten Bürovorgänge über mehrere Stationen einem Rechner als Aufgabe auf. Dabei ist das System so klug, umschreibt Wißkirchen, den Ablauf steuern zu können: etwa die Bearbeitung einer Dienstreise von der Beantragung über die Genehmigung durch den Chef bis zur Abrechnung in der Verwaltung.

Auch in diesem Bereich bestehen Kontakte zu Herstellern. Bei der Nixdorf Computer AG in Paderborn und der Triumph-Adler AG für Büro- und Informationstechnik in Nürnberg soll das GMD-System "Domino", ein System zur Abwicklung arbeitsteiliger Vorgänge, demnächst in die Büroprodukte integriert werden.

Derzeit noch keine Patentrezepte

Als Ziel der Forschungsarbeit gilt, die richtige Arbeitsteilung zwischen der Maschine und dem Menschen zu finden: Der Mensch erfüllt die kreativen Aufgaben und trifft die Entscheidungen, die Routine bleibt dem Computer überlassen.

Derzeit existieren dafür noch keine Patentrezepte, gibt Peter Wißkirchen zu bedenken; durch eine Zusammenarbeit von Datenverarbeitern, Arbeitswissenschaftlern sowie dem Endbenutzer können jedoch, davon ist er überzeugt, wesentliche Fortschritte erzielt werden.