Error Inside

16.12.1994

Zugegeben, fehlerhafte - neudeutsch: Bug-belastete - Produkte sind in der DV-Industrie keine Seltenheit. Erinnert sei nur an die mangelhaften Versionen von Windows 3.x oder zahlreiche Spreadsheets sowie Textverarbeitungen, die aufgrund des dann wohl sicheren Upgrade- oder Update-Geschaeftes bei den Softwareherstellern die Kassen suesser klingeln liessen. Aber hier hatte der Kunde zumindest den Hauch einer Chance auf ein Konkurrenzprodukt auszuweichen. Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn, wie im Falle des Intel-Prachtstuecks Pentium, die Hardware einen Fehler hat. Hier kann der Kunde nicht einfach zur Konkurrenz wechseln, da es zu dieser Plattform noch keine Alternative gibt. Auch wenn AMD und Co. bereits in den Startloechern sitzen und sich ob des Pentium-Suendenfalls die Haende reiben - noch haben sie naemlich keine Konkurrenzprodukte auf dem Markt!

Gewiss, Fehler passieren jedem Hersteller einmal, wie die zahlreichen Rueckrufaktionen der Autoindustrie zeigen. Dies waere irgendwie auch noch hinzunehmen, haette Intel nicht erst im November offiziell zugegeben, dass das Unternehmen bereits seit Sommer wusste, wie ungenau sein Rechenkuenstler dividiert. Hier liegt der Verdacht nahe, der Chipgigant wollte erst einmal in Ruhe das Weihnachtsgeschaeft in die Kasse bringen, egal ob Banken, Versicherungen oder Statiker moeglicherweise mit fehlerhaften Berechnungen einen groesseren Schaden haben als Intel mit einer breit angelegten Umtauschaktion.

Der eigentliche Skandal ist allerdings weniger die Tatsache, dass der Prozessor ab und an falsch rechnet, sondern vielmehr die Art, wie Intel mit einer treuen Kundschaft umspringt, die dem Unternehmen seit der Praesentation des 8088-Chips Milliardengewinne beschert. Dabei ist es unerheblich, ob die statistische Wahrscheinlichkeit nach 270 oder 27 000 Jahren einen Fehler erwarten laesst, denn das Beispiel der politisch und oekonomisch umstrittenen Atomkraftindustrie (ein ernster Stoerfall in 100 000 Jahren) zeigt deutlich, was von solchen Berechnungen zu halten ist - naemlich nichts! Kaum ein Anwender wird mehr den Ergebnissen eines Rechners trauen, von dem bekannt ist, dass er in gewissen Faellen absolut falsch rechnet. Zumal mittlerweile Spreadsheets mit ueber 3300 Zahlenpaaren vorliegen, bei deren Division der Pentium nicht nur an der x-ten Dezimalstelle daneben liegt, sondern des oefteren ein Fehler bereits vor dem Komma auftritt.

Dass nun die Kunden in Umkehrung der eigentlichen Beweislast beweisen sollen, dass sie die Genauigkeit entsprechender Rechenoperationen in ihrem taeglichen Business ueberhaupt benoetigen, setzt dem Ganzen die Krone auf. Oder koennen Sie sich vorstellen, dass Sie dem Produzenten Ihres fehlerhaften Antiblockiersystems (ABS) im Auto nachweisen muessen, dass Sie die ABS-Funktion der Bremsanlage im Gefahrenfall bei Naesse oder Schnee auch wirklich einmal brauchen?