ERP-Zufriedenheitsstudie

ERP-Systeme im Praxis-Check - Anwenderzufriedenheit, Nutzen und Perspektiven

24.12.2014
Von 
Karsten Sontow ist Vorstand der Trovarit AG in Aachen.

Gewinner und Verlierer

Das insgesamt gute Abschneiden der ERP-Lösungen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Zufriedenheitsurteil der Anwender über die Software-Lösungen und -Anbieter hinweg betrachtet durchaus sehr unterschiedlich ausfällt. Auch zeigen sich im Vergleich zur Studie aus dem Jahr 2012 einige Auf- beziehungsweise Absteiger in punkto Anwenderzufriedenheit:

Gewinner und Verlierer - ERP-Anwenderzufriedenheit 2014/2015
Gewinner und Verlierer - ERP-Anwenderzufriedenheit 2014/2015
Foto: trovarit

Lösungen für die "Größeren Unternehmen":

In dieser Kategorie liegt das Gesamturteil für die Software bei allen Kandidaten relativ eng beieinander, in einem Notenspektrum von 2,05 bis zirka 2,2 - und damit insgesamt im hinteren Bereich des ERP-Feldes. Im Hinblick auf die Zufriedenheit mit dem Anbieter sticht die Bison-Tochter "maxxess" mit "BISON Process x-trade" als ausgemachter Branchenspezialist (Filialhandel) spürbar positiv heraus und darf sich in der Schwergewichtsklasse damit insgesamt als Gewinner fühlen.

Die übrigen Player liegen auch in Puncto Service-Qualität relativ dicht zusammen - jedoch ebenfalls im hinteren Teil des Gesamtfeldes. Dabei weichen innerhalb dieser Gruppe die Anbieter von SAP ERP etwas nach oben, IFS sowie Infor, im Hinblick auf Infor AS, etwas nach unten ab.

Lösungen für die "Mittleren Unternehmen":

"Gewinner" in dieser Kategorie sind eher weniger bekannte/verbreitete Lösungen wie Fibunet (Finanzbuchhaltung/Controlling), MegaPlus (Mega Software), Portolan EVM (Finanzbuchhaltung/Controlling), das Schlusslicht der vorangegangenen Studie CANIAS (IAS Software), SIVAS (Schrempp EDV/Spezialisierung: Einzel-/Projektfertigung), Syslog und TOSCA (CH/dynasoft), aber auch die im deutschsprachigen Raum relativ weit verbreitete Lösung APplus (Asseco). Mit spürbarem Abstand auf den Plätzen und damit durchaus noch gut positioniert: FEPA, proAlpha, FOSS und Oxaion. "Schlusslicht" bilden die Lösungen Infor COM und Infor Blending (Chemie/Pharma).

Lösungen für die "Kleineren Unternehmen":

"Gewinner" sind hier weniger bekannte oder verbreitete Generalisten wie HS Hamburger Software, die SaaS-Lösung myfactory sowie Branchenspezialisten wie z.B. POIN.T (work ... for all) (Professional Services) und Majesty von UB Software (Feinwerk-/Medizintechnik). In den Regionen: Lösungen wie ORLANDO (AT) und OpaccOne (CH). "Schlusslicht": TopM Net7 (Maschinenbau).

Bei der Bewertung der Ergebnisse müssen jedoch einige grundlegende Erkenntnisse beachtet werden. Lösungen und Anbieter werden tendenziell kritischer beurteilt je

  • größer die Installationen sind - diese wachsen sowohl mit der Größe der Anwenderunternehmen als auch dem Funktionsumfang der ERP-Lösung.

  • größer der Anpassungsbedarf auf branchen-/unternehmensspezifische Anforderungen ist - dieser wächst mit abnehmender (Branchen-)Spezialisierung der ERP-Lösung.

  • geringer die Intensität der Geschäftsbeziehung zwischen ERP-Anwender und -Anbieter ist - diese nimmt mit einem größer werdenden Kundenstamm des ERP-Anbieters meist ab. Insofern schneiden größere ERP-Hersteller mit einem breiten Zielmarkt tendenziell schlechter ab als kleinere Spezialisten.

Damit lässt sich mit Blick auf das Gesamtergebnis feststellen: Das Gesamtniveau der Bewertung von Software und Anbietern ist weitgehend stabil (ganz leichte Verbesserung in beiden Dimensionen) - die Zufriedenheit mit der Software und dem Anbieter liegt insgesamt etwas besser als "Gut" (Schulnote jeweils etwa 1,9).

Die Beobachtung, dass kleinere ERP-Lösungen/-Anbieter in den Zufriedenheitsbefragungen besser abschneiden, spiegelt sich bereits seit Jahren in den Studienergebnissen wider. Das hat folgende Gründe:

  • ERP-Installationen bei kleineren Unternehmen weisen in aller Regel eine deutlich geringere Komplexität auf: Die Software ist oft einfacher gehalten, wird nahe am Standard eingesetzt beziehungsweise bietet die erforderliche Flexibilität. Zudem ist die Software meist in eine einfachere Software-Landschaft eingebettet beziehungsweise wird als Stand-Alone betrieben. Darüber hinaus muss die Software auf die Belange von weniger Anwendern zugeschnitten werden und es müssen weniger Anwender geschult werden. Schließlich fallen bei kleineren Installationen, die nahe am Software-Standard betrieben werden, die Release-Wechsel leichter. Daraus folgt: Viele Problembereiche von ERP-Installationen fallen weniger gravierend ins Gewicht. Eine ähnliche Argumentation gilt für ERP-Lösungen, die sich vor allem auf das Rechnungswesen und Controlling konzentrieren. Die Komplexität, die eine Abdeckung der logistischen Prozesse mit sich bringt, entfällt hier naturgemäß.

  • Spezialisierte ERP-Lösungen decken die Anforderungen der jeweiligen Zielgruppe in der Regel von vornherein besser ab als horizontale Lösungen, der Aufwand für die Implementierung sinkt und das Projektergebnis ist oft besser.

  • Spezialisten unter den ERP-Anbietern verfügen oft über tieferes Fach- und Branchen-Know-how als die Generalisten. Die Berater und das Support-Personal sprechen die Sprache der Anwender und kennen viele Sachverhalte bereits aus anderen Projekten. Darüber hinaus betreuen Spezialisten in der Regel deutlich weniger Kunden als Generalisten. Aufgrund einer intensiveren und oft auch individuelleren Kunden-Betreuung erzielen Spezialisten daher meist eine engere Kundenbindung.