ERP-Nutzer lieben Excel

09.09.2008
Unternehmen wollen Daten und Funktionen aus ERP-und CRM-Systemen in den Office-Anwendungen nutzbar machen und umgekehrt. Manche stricken hierzu eigene Lösungen.

Nötig wie das tägliche Brot - so lässt sich das Verhältnis von IT-Mannschaften zum Thema Office-Integration wohl am treffendsten beschreiben. In den Verbindungen zwischen ERP, CRM und Office steckt durchaus auch Arbeit. Zwar liefern die Anbieter durchgängig Schnittstellen mit, Maßgeschneidertes ist jedoch nur über Customizing und Makro-Entwicklung möglich - und nicht selten mit langwierigen Basteleien verbunden. Und doch scheint insbesondere Microsoft Excel notwendig wie die Luft zum Atmen. "Wir nutzen Excel, um die Daten anfassen zu können, das ist der einzige Weg", sagt Gerhard Jahn, Controller & Leiter Informationscenter bei der Sonax GmbH & Co. KG.

Beim Autopflegemittel-Anbieter Sonax aus der 450 Mitarbeiter starken Unternehmensgruppe Hoffmann wird der Excel-Knopf oft gedrückt. Die Mitarbeiter können aus dem ERP-System Semiramis von SoftM in Beschaffung, Vertrieb und anderen Bereichen einfach Informationen in Excel ausgeben oder sich in kompakter Form im Portal anzeigen lassen. Das Unternehmen aus Neuburg an der Donau erstellt Lieferantenerklärungen, Prüfzeugnisse oder Serienbriefe mit Daten aus dem ERP-System in Microsoft Word. Die Makros dafür schreibt die IT-Abteilung in Pearlscript oder Visual Basic. Von den Kunden kommen Aufträge im Excel-Format, die ins ERP einfließen. Auf Wunsch werden Informationen über Lagerbestände, Rechnungsauflistungen oder Auftragsaufstellungen im Word- oder Excel-Format an den Kunden geschickt.

Das menschliche Gehirn spricht Excel

Im Hintergrund werden die Daten nächtens aus dem ERP-System geholt, im Staging-Bereich (sozusagen im Treppenhaus) zwischengelagert und dann an das Data Warehouse, Data Marts und Vertriebsinformationssystem verteilt. BI (Business Intelligence) ist für die Neuburger, die ein Olap-Werkzeug (Online Analytical Processing) des Spezialisten Cognos nutzen, wichtig. Gerade hier sieht Jahn den Excel-Bezug als unverzichtbar. "Obwohl wir uns Informationen in mehr als hundert Dimensionen darstellen lassen können, denken Menschen eben in Zeilen und Spalten. Die Zahlenwelt lässt sich mit Excel und den zwei bis drei Dimensionen der Pivot-Tabellen noch am ehesten erschließen", sagt Jahn, der mittlerweile den Versuch, Excel abzulösen, nach eigenem Bekunden aufgegeben hat. Aus dem BI-Werkzeug heraus lassen sich per Excel-Knopf einzelne Dimensionen im Office-Stil darstellen - und so leichter begreifen.

Auch als Transportmedium beim Massendatenimport für das ERP-System leistete Excel gute Dienste. Die alten Stammdaten kamen als Flatfiles in Excel an, wurden dort von den Mitarbeitern kontrolliert und verbessert, anschließend als CSV-Datei abgespeichert und als Import in Semiramis übernommen. Eine weitere Verbindung besteht zum Archivierungssystem ELO. In Outlook können Mails per Knopfdruck ins Archiv übergeben werden.

Office ist kostengünstiger

Auch bei Schäfer Werkzeug- und Sondermaschinenbau in Bad Schönborn gibt es Verbindungen zwischen Büroanwendungen und dem ERP-System Abas Business Solution - hier jedoch unter anderen Vorzeichen. Der Baden-Württemberger Maschinenbauer, der halb- und vollautomatisierte Systeme für die kabelverarbeitende Industrie fertigt, verbindet seine auf Linux laufende ERP-Software über den Abas-Linux-Client mit Microsoft Office. Einstelltabellen, Stücklisten, Explosionszeichnungen oder Angebote fließen aus der Business-Software in Word ein. Dazu gehören auch Konstruktionszeichnungen, bei denen jedes Teil mit einer Positionsnummer gekennzeichnet ist und unterhalb der Zeichnung noch einmal mit Nummer in einer Bestell-Liste aufgeführt wird. "Word ist für uns hauptsächlich Ausgabemedium, durch die bessere Darstellung erleichtern wir unseren Kunden das Identifizieren und Bestellen der Teile", sagt Schäfer-DV-Leiter Michael Hack. Excel nutzen die Bad Schönborner, um Stücklisten und Auswertungen auszugeben, in denen auch selektiert werden kann. Wenn Lieferanten Excel-Listen mit neuen Preisen einreichen, werden diese ins ERP-System zurückgeschrieben. "Nicht jeder Mitarbeiter hat einen Abas-Client, da nicht alle direkt mit dem ERP-System arbeiten. Office ist jedoch auf jedem Rechner installiert und wird von jedem Anwender beherrscht. Da ist es für uns sinnvoll, Daten zum Beispiel in Excel einfach zur Verfügung zu stellen. Das macht sich auch bei den Lizenzkosten bemerkbar", konstatiert Hack. Rund 20 Plätze sind mit dem ERP-Client ausgestattet, 60 PC-Arbeitsplätze gibt es insgesamt.

SAP und Microsoft im Duett

SAP übte 2006 den Schulterschluss mit Microsoft. Die Software "Duet" soll eine enge Verbindung zwischen Office und SAP-Software herstellen, so dass Anwender, die mit Letzterer nicht vertraut sind, trotzdem einige ihrer wesentlichen Funktionen nutzen können. Unternehmen, die SAP nicht durchgehend einführen, sollen so auf die teure Umschulung ihrer Mitarbeiter auf das komplexere ERP-System verzichten können. Referenzanwender sind bisher rar gesät: Auch wenn das Walldorfer Unternehmen nach eigener Aussage starkes Interesse verzeichnet, dürften viele Anwender auf das Service Pack 2 der frisch entwickelten Software warten, die im Januar 2009 auf den Markt kommen soll. Interessierte Anwender ergeben sich derweil in den eigenen Reihen, wie beispielsweise beim Schweizer SAP-Partner Resource Informatik aus Glattzentrum bei Wallisellen, der 85 Mitarbeiter beschäftigt. "Wir hatten Schwierigkeiten mit der Erfassung von Arbeitszeiten für das Reporting und der Integration mit Microsoft Schedule. Unsere Berater sind täglich unterwegs, ihre Zeiten wurden früher auf dem Notizblock geschrieben und später ins System abgetippt, was zeitaufwändig und fehleranfällig war", nennt CEO Bruno Schmid einen Grund für den Duet-Einsatz. Hier eine eigene Lösung zu programmieren hätte zu lange gedauert, und die Alternative, sich remote in SAP einzuloggen, wäre nicht praktikabel genug, meint der Firmenchef. Mittlerweile tragen die Berater ihre Termine und Tätigkeiten in Outlook ein und können die Zeiten mit einem Klick direkt in das ERP-System "buchen". Statt wie zuvor Ende des Monats stehen die aktuellen Zahlen jetzt täglich für das Reporting der Teamleiter und Mitarbeiter zur Verfügung. Duet wird laut Schmid als Add-on eingespielt und setzt SAP und den Microsoft Exchange Server voraus. "Über eine neue Toolbar in den Office-Anwendungen entsteht das Gefühl, nur mit Office zu arbeiten, auch wenn die Daten aus dem ERP kommen", sagt Schmid. Im nächsten Schritt wollen die Schweizer auch CRM-Funktionen einbinden, um Daten zu pflegen und zu aktualisieren.

CRM und Office

Die Karlsruher Netviewer AG hat eine Reihe von Prozessen über das CRM-System von der Update Software AG und die Office-Anwendungen hinweg automatisiert. Der Anbieter von Web-Collaboration-Lösungen für die visuelle Echtzeitkommunikation beschäftigt rund 280 Mitarbeiter an zehn internationalen Standorten. "Die Anwender sind den Umgang mit den Office-Anwendungen einfach gewohnt, es sind keine speziellen Schulungen notwendig, und alle Mitarbeiter konnten CRM-Funktionen praktisch sofort nutzen. Das hat die Einführung sehr erleichtert", sagt Michael Roth, Head of Business Systems bei Netviewer. E-Mail-Vorlagen werden beispielsweise im CRM-System hinterlegt, gemeinsam mit der Information, in welcher Sprache der Kunde angesprochen werden möchte. Der Versand erfolgt über Outlook. Gehen Antworten von Kunden per E-Mail ein, werden sie auf dem umgekehrten Weg im CRM-System archiviert und sind im Rahmen der Kontakthistorie sofort für alle anderen Mitarbeiter sichtbar. Angebote werden anhand von Informationen wie Opportunities (Verkaufschancen) und Klassifikation aus dem CRM-System heraus in Word erstellt und direkt, häufig auch als PDF, an den Kunden geschickt. "Die Office-Anwendungen waren im Rahmen des Customizings schnell eingebunden, bis aber alle Kleinigkeiten abschließend geklärt waren - beispielsweise Unterschiede aufgrund des Einsatzes unterschiedlicher Word-Versionen - war einiges an Fein-Tuning nötig", so Roth.

Überleben mit und ohne Office

Der Finanzdienstleister SRQ Finanzpartner AG geht schon länger davon aus, dass Bereiche wie Office, CRM und das Intranet auf Dauer miteinander verschmelzen. Deshalb entschied sich das Berliner Unternehmen, das mit einem Team von Anlageexperten private Vermögen ab einem Wert von 100 000 Euro betreut, für eine homogene Lösung mit Microsofts Dynamics CRM. Von den rund 100 Mitarbeitern sind nur etwa zehn in der Verwaltung tätig. "Wir haben sehr komplexe und sehr unterschiedliche Berechnungsmethoden für Provisionen und Transaktionskosten, die heute kein CRM-System von Haus aus mitbringt", sagt Jörg Steinbach, verantwortlich für die IT bei SRQ Finanzpartner. Die unterschiedlichen Abrechnungsmodelle bildeten die Berliner mit einem flexiblen Web-Service auf Basis von Excel ab. Auch bei Kundenbenachrichtigungen greifen CRM und Office ineinander: Eine Nachricht zu einem bestimmten Fonds wird zum Beispiel per Word-Serienbrief an alle betroffenen Anleger verteilt. Besondere Bedeutung hat zudem die nicht ganz so bekannte Office-Anwendung: Microsoft Infopath für das Formularwesen. Zum einen müssen die häufigen Änderungen durch den Gesetzgeber schnell in Formularen berücksichtigt werden, zum anderen wächst die Flut der zu erhebenden Daten im Finanzdienstleistungssektor stetig an. "Die kundenrelevanten Daten aus dem CRM werden im entsprechenden Infopath-Formular vorausgefüllt, so dass der Berater beim Kunden überhaupt Zeit für Beratung findet und nicht nur mit der Dokumentation beschäftigt ist. Ohne entsprechende Lösung bekommt man das Thema praktisch nicht in den Griff", erklärt Steinbach. Auch Protokolle werden abhängig von Feldern aus dem CRM-System erstellt.

Je kleiner das Unternehmen und je überschaubarer der Kundenkreis, desto deutlicher wird die Tendenz, alles in der betriebswirtschaftlichen Software zu erledigen und Office-Anwendungen außen vor zu lassen. "Wir nutzen die Möglichkeit, Informationen im Word- oder Excel-Format auszugeben, nur für unsere Kunden. Aufstellungen lassen sich beispielsweise in Excel besser weiterbearbeiten. Intern sind die Möglichkeiten innerhalb des Warenwirtschaftssystems für uns ausreichend", sagt Georg Schorn, Geschäftsführer der Everhards Medizintechnik GmbH aus Meckenheim. Das elf Mitarbeiter zählende medizinische Fachhandelsunternehmen setzt das Warenwirtschaftssystem Office Line und ein CRM-Tool von Sage ein und und ist nach dem Motto "Klein, aber fein" auch ohne zusätzliche Office-Anwendungen allein mit den ERP-Funktionen glücklich.

*Daniela Hoffmann ist freie Journalistin in Berlin.