Rollenspiele im ERP-System
Das Individualitätsdenken der Anwender steht im Gegensatz zu langjährigen Grundlagen von ERP-Systemen wie Standardisierung und Prozessorientierung im Sinne von eingeschränkter Prozessführung. Das heutige User-Verhalten entspricht immer weniger dem Anwendermuster aus den Gründerjahren der ERP-Systeme. Dem klar umrissenden Aufgabenfeld steht zunehmend ein dynamisches, sich beispielsweise durch Wachstum veränderndes Aufgabengebiet mit anderen Rollen gegenüber. Diese müssen in der aktuellen Arbeitswelt laufend neu definiert und entsprechend im System abgebildet werden. Gleichzeitig steigen auch die Anforderungen der Anwender an die Systeme. So wäre es beispielsweise wünschenswert, wenn die Marketingabteilungen auch die Interessenten aus sozialen Netzen einbinden und erreichen könnten.
ERP-Systeme basieren im Kern oft noch auf Bauplänen aus ihrer Startphase - und die liegt nicht selten Jahrzehnte zurück. Zwar wurden die ERP-Suiten im Lauf ihres Lebenszyklus technisch immer mal wieder "aufgemotzt". Das geschah aber nicht immer durchdacht. Mit den immer weiter wachsenden Ansprüchen sind hier neue ERP-Ansätze notwendig. Diese sind zwingend hybrid und müssen eine Beteiligung der User am IT-Customizing zulassen.
- Jörg Blom, Deloitte
Es geht darum, die eigene IT-Landschaft zu dokumentieren und ihre Weiterentwicklung mit einer Methode zu begleiten. Das Ziel ist es, durch diesen Ansatz die Komplexität der Architekturen in den Griff zu bekommen. - Marco Lenck, DSAG
Gerade im mobilen Bereich nimmt die Komplexität mit Sicherheit massiv zu. - Uwe Günzel, Capgemini
Derzeit kommen einige neue technische Möglichkeiten ins Spiel, die das Zeug haben, ERP-Systeme alter Prägung - ich will nicht sagen, in Frage zu stellen -, aber doch Anlass geben, diese zu überdenken. - Karsten Sontow, Trovarit
Der klassische Mittelständler fordert zwar lautstark ein flexibles und anpassbares ERP, sieht aber nicht, dass dies eigentlich Architekturthemen sind. - Michael Gottwald, Softselect
Eine moderne Software-Infrastruktur, die sich auf die im Unternehmen vorhandenen Prozesse abstimmen lässt und auch auf Änderungen flexibel reagiert, kann zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden. - Deutschen Baan Usergroup (DbuG)
In vielen Unternehmen werden noch ältere Versionen von ERP-Systemen eingesetzt, die in ihrer Architektur historisch bedingt eher monolithisch und somit den aktuellen Anforderungen nur eingeschränkt oder nicht gewachsen sind. - Frank Niemann, Pierre Audoin Consultants (PAC)
Die Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass sie ihre ERP-Systeme in immer kürzeren Zyklen anpassen müssen. Sie wollen nicht mehr nur Transaktionen abwickeln, sondern mehr Entscheidungsunterstützung.
Neue User-Kultur formt sich
Bis dato sind die IT-Kulturen und die IT-Governance in den Unternehmen in aller Regel nicht auf das neue User-Verhalten abgestimmt. Auch an dieser Stelle sind neue Ansätze erforderlich, die sich von einem reinen Technikdenken verabschieden. Unter dem Schlagwort "Bring your own Device" (ByoD) praktizieren bereits viele Firmen eine offenere Kultur und tragen der Tatsache Rechnung, dass die IT der Mitarbeiter durchaus aktueller ist als die des Unternehmens. Immerhin jedes sechste Unternehmen leistet mittlerweile sogar Support für mitgebrachte Geräte.
Gleichzeitig agieren die Anwender immer autonomer, nutzen virtuelle Datenspeicher wie "Dropbox", um auch unterwegs arbeiten zu können, organisieren ihre Meetings mit "Doodle" und managen ihre Projekte mit Angeboten wie "Zcope".
Das Verlangen nach mehr Offenheit führt dazu, dass sich IT-Anwendungs-Landschaften in den Unternehmen immer mehr zu basisdemokratischen Systemen entwickeln. Das Wissens-monopol der IT-Abteilungen wird damit gebrochen. Um diese komplexen Systeme zu führen und zu gestalten, muss man sie jedoch verstehen und verinnerlichen. Außerdem gilt es abzuwägen zwischen immer mehr zu unterstützenden und einzubindenden Systemen einerseits und den Kosten, die aus dem Technologiezoo entstehen, andererseits. Eine attraktive Auswahl an Standard-IT kann hier der beste Kompromiss zwischen Kosten und Mitarbeiterwünschen nach dem "coolen Gadget" und nach Mobilität sein.