ERP: Der Mittelstand renoviert

13.09.2007
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Mittelgroße Anwender möchten individuelle, aber Release-fähige Software - die Quadratur des Kreises.

Viele Firmen mit 1000 oder weniger Mitarbeitern haben die Nase voll von ihrer laufenden ERP-Software. Veraltete und unflexible Systeme, die Anpassungen und Erweiterungen schwierig machen, sind noch zuhauf im Einsatz. Sie führen zu großen Problemen, etwa wenn Teile der Geschäftstätigkeit ins Internet wandern oder Geschäftsprozesse für ausländische Standorte angepasst werden sollen. Hinzu kommt die fehlende Branchenausprägung vieler Lösungen, die beim Anwender individuelle Anpassungen erzwingen auf Kosten der Release-Fähigkeit. Außerdem sind die Systeme meistens nicht flexibel genug, um veränderte Anforderungen zu erfüllen: Eine Software für die Fertigungssteuerung beispielsweise eignet sich oft nicht für Kundendienstprozesse und das Ersatzteil-Management. Eine weitere Sorge der Anwender: Kundenspezifisch programmierte Lösungen verteuern Wartung und Upgrades.

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warum sich viele mittelständische Firmen nach neuer ERP-Software umsehen; dass sich Unternehmen eine Kopplung mit Office wünschen und einige Hersteller daran arbeiten; dass die meisten ERP-An-bieter keine eigenen Infrastrukturen bauen, sondern marktgängige Plattformen von IBM oder Microsoft verwenden; welche Konzepte die ERP-Einführung beschleunigen und verbilligen sollen.

XML und Web-Services

Alte Softwareprodukte lassen sich zudem oft nicht mit modernen Anwendungen im Unternehmen integrieren. Sie stellen nur proprietäre Programmierschnittstellen zur Verfügung und unterstützen meist keine Industriestandards wie XML und Web-Services. Klassische ERP-Lösungen wurden lediglich dazu geschaffen, um die internen Prozesse eines Unternehmens zu steuern. Viele Betriebe müssen jedoch mit anderen Daten austauschen, seien es Kunden, Partner oder Lieferanten. Ihre Software ist dafür nicht ausgelegt.

Genauso wenig eignen sich alte Geschäftsapplikationen dazu, rasch und unkompliziert Berichte zu erstellen, da vielfach nur Spezialisten die dafür vorgesehenen Werkzeuge bedienen können. Gleiches gilt für das Abrufen von vergleichsweise simplen Informationen, etwa dem Status eines Auftrags. Die Endanwender geben sich damit ebenso wenig zufrieden wie mit veralteten Oberflächen. Vor allem trifft dies auf jüngere Nutzer zu, die Internet-Dienste und Windows-Software gewohnt sind.

Umfragen von Forrester Research haben ergeben, dass mittelständische Firmen weltweit in diesem Jahr zehn Prozent mehr für neue Software ausgeben wollen als 2006. Bei ihren Investitionen lassen sie sich indes nicht nur von den Herstellerversprechen und Hypes der Branche leiten. Großen Einfluss auf die Systemauswahl hätten Erfahrungsberichte anderer Unternehmen, veröffentlichte Fallstudien und Mundpropaganda.

ERP zur Miete ist wenig gefragt

Auch wenn die Softwarebranche derzeit das Thema Software-as-a-Service hochkocht, taucht dieses Nutzungskonzept für Business-Software auf den Wunschzetteln der Anwender selten auf. Laut Forrester interessieren sich nur wenige Firmen für das On-Demand-Konzept, wobei die Analysten hier sowohl US-amerikanische als auch europäische Betriebe interviewt hatten. Ihre Ablehnung begründen Unternehmen mit Integrationsproblemen, Sicherheitsbedenken, Kosten, Zweifeln an der Leistungsfähigkeit und mangelnder Anpassbarkeit.

Unterdessen putzen die Hersteller ihre Programme für die nach neuen ERP-Produkten Ausschau haltenden mittelständischen Unternehmen heraus. Dazu zählen neue Oberflächen, die nicht nur ansprechender aussehen, sondern dem Nutzer auch ein aufgabengerechtes Navigieren gestatten sollen.

Bessere Berichtsfunktionen

Ferner arbeiten die Lieferanten an neuen Reporting-Funktionen, die es auch Laien ermöglichen sollen, Berichte aus ERP-Daten zu erzeugen. Microsoft stattet die nächsten Releases seiner Business-Software mit dem "Dynamics Client" aus. Anwender sollen ERP-Programme leichter bedienen können, da sie die für ihre Aufgaben relevanten Funktionen schnell finden, statt sich lange durch Menümasken quälen zu müssen. Auch SAP schreitet mit dem "Netweaver Business Client" in Richtung rollenbasierender Benutzerschnittstellen. Konkurrent Lawson, mittlerweile Eigentümer des ERP-Herstellers Intentia, entwickelt für diese Zwecke den "Smart Client".

Eine weitere Baustelle der ERP-Anbieter ist die Middleware. Um die Integration mit anderen Produkten zu erleichtern und dem Anwender zu gestatten, ERP-Software einfach und vor allem weitgehend ohne Programmierung einzurichten beziehungsweise an neue Anforderungen anzupassen, entwickeln die Softwarefirmen eigene Infrastrukturplattformen. Beispiele sind SAP mit Netweaver, Oracle mit "Fusion Middleware" und Microsoft mit .NET. Doch nur die großen Player sind willens und in der Lage, sich eigene Middleware zu leisten. Das Gros der Anbieter passt seine Produkte an diese führenden Softwareplattformen an. Forrester führt hier beispielsweise Lawson an: Die beiden ERP-Linien des Anbieters verwenden "Websphere" von IBM als Middle-ware. Ein Teil der zahlreichen ERP-Produkte von Infor stützt sich ebenfalls auf Websphere, andere Softwarelösungen hingegen auf Microsoft .NET.

Die schwedische ERP-Firma IFS hingegen hat sich für die Oracle-Plattform entschieden. Daneben nennen die Analysten eine Reihe von Softwarehäusern, die ihre Lösungen in Richtung .NET entwickeln oder dies bereits getan haben, beispielsweise Sage, QAD, Exact Software und Agresso. Diese Plattformsysteme bilden die Grundlage für Service-orientierte Architekturen, wobei der Mittelstand hier noch keinen Bedarf hat.

Nach Ansicht der Hersteller wollen Firmen ERP-Lösungen aber nicht nur mit anderen Geschäftsapplikationen und Datenbanken verbinden, sondern auch mit Microsoft Office. Forrester zählt IFS, Microsoft, SAP und Sage zu den Anbietern mit der tiefsten Integration in die Bürosoftware. Eine beliebte Funktion sei, Termine in Outlook mit dem ERP-eigenen Kalendersystem abzugleichen.

Kürzere Einführungsprojekte

Speziell für den Mittelstand erarbeiten die Anbieter Methoden, die Software rasch und vor allem zu geringeren Kosten einzuführen. Branchenspezifische Vorlagen sollen die Vorarbeiten zum Aufsetzen des jeweiligen Programms abkürzen. Hierzu entwerfen die IT-Firmen aus ihren Erfahrungen mit Kundenprojekten Einführungskonzepte. Auch SAP hatte unlängst einen weiteren Ansatz präsentiert, mit dem kleinere Firmen gemeinsam mit einem SAP-Partner ein Standard-ERP-System angeblich in kurzer Zeit aufsetzen können sollen. Lawson verspricht, mit "Quickstep" die Implementierung von branchenspezifischen ERP-Lösungen abzukürzen.

Microsoft hofft mit dem Programm "Dynamics Sure Step" die ERP-Einführung zu erleichtern. Da der Erfolg des ERP-Rollouts beim Kunden von dessen IT-Umgebung und natürlich von der Erfahrung und Kompetenz des Partners abhängt, soll Sure Step für Standards sorgen.