Peoplesoft: Zur CeBIT soll komplettes ERO-Paket vorgestellt werden

"ERP-Anwendungen waren das Geschäft der neunziger Jahre"

20.03.1998

CW: Peoplesoft ist 1995 zunächst als Anbieter von Personal-Management-Software angetreten. Zur CeBIT ´98 wollen Sie nun ein komplettes Enterprise-Resource-Optimization-(ERO-)Paket vorstellen. Wie wollen Sie sich damit gegen die längst etablierten Komponenten SAP und Baan durchsetzen?

Lindner: Um gegen die Präsenz der Walldorfer zu bestehen, gehen wir den deutschen Markt mit ganz bestimmten Themen an: Wir versuchen dabei, in erster Linie die Technik, die hinter unseren Anwendungen steht, in den Vordergrund zu stellen, und werden uns darüber hinaus auf bestimmte Branchen und Anwendungsbereiche konzentrieren.

CW: Wie definiert Peoplesoft seinen Markt?

Lindner: Im Mittelstand beispielsweise ist Baan sehr erfolgreich, und SAP versucht alles, um dort Fuß zu fassen. Dieses Segment ist für uns zu 98 Prozent kaum ein Thema, wir steuern eher die Top-500-Unternehmen an. Auch die Industrie ist für uns kein strategischer Markt, denn dort sind SAP und Baan gut vertreten. Dafür zielen wir auf die öffentliche Verwaltung, ein Bereich, der in Deutschland noch von keinem Anbieter beherrscht wird. Für dieses Segment kündigen wir auf der CeBIT eine neue Initiative und Produkte an. Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei Banken, Versicherungen und Dienstleistungsunternehmen beispielsweise Energierversorger.

CW: Worin unterscheidet sich die Peoplesoft-Technik von der Ihrer Mitbewerber und welche Tools bieten Sie Ihren Kunden?

Lindner: Unser Ansatz liegt zwischen der Anwendungsentwicklung, also dem "Ich bastel mir eine Lösung", wie ihn etwa Oracle verfolgt, und einem monolithischen Komplettpaket á la SAP. Wir liefern Kunden Anwendungen plus Tools. Unser Personal-Management-System (HRMS) etwa verfügt über einen sehr großen Leistungsumfang, kann aber mit Hilfe unserer Workflow-Technik schnell und flexibel angepaßt werden.

CW: Das klingt nach dem Baan-Konzept.

Lindner: Deren Ansatz, auf Basis der Dynamic Enterprise Modellers (DEMs) Anwendungen zu strukturieren, kommt unserem Workflow-Konzept in der Tat sehr nah. Doch ist Baan gerade dabei, nach einer Reihe von Zukäufen und Kooperationen seine Produktpalette zu ordnen und zu integrieren. Wir sind mit unserer Lösung da schon weiter.

CW: Welche Vorteile sollen Kunden von Ihrem Workflow-Konzept gegenüber dem Customizing von SAP-Tabellen haben?

Lindner: Schnelligkeit und Flexibilität.

CW: Und was bedeutet das konkret?

Lindner: In Projekten bei Siemens und der Deutschen Bahn haben wir mit Hilfe von Prototypen und Pilotanwendungen gezeigt, daß wir auf Basis unseres Workflows zügiger Geschäftsprozesse abbilden können als unsere Mitbewerber.

CW: Wie schnell kommen Sie denn zu Ergebnissen?

Lindner: In einem großen Projekt im Bereich öffentlicher Dienst beispielsweise stehen wir derzeit mit der SAP im Wettbewerb. Zwei unserer Berater haben bei dem Unternehmen binnen drei Monaten die wichtigsten Geschäftsprozesse in einem Prototyp abbilden können. Die SAP hat mit der dreifachen Anzahl von Mitarbeitern gerade mal die Hälfte der Prozesse realisiert.

CW: Im Bereich Personal-Management ist das für Sie ja ein Heimspiel, aber wie sehen die Projektzeiten im Fertigungsumfeld aus?

Lindner: Unsere Workflow-Technik zieht sich durch alle Module und kann überall bei der Einführung zeitliche Vorteile bringen. Aber unser Ziel ist es auch gar nicht, als kompletter Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Anbieter aufzutreten, auch wenn wir entsprechende Produkte im Portfolio haben.

CW: Sondern?

Lindner: Für uns ist es viel erfolgversprechender, über Themen wie Supply Chain Management (SCM) und unser Human Resources Management (HRMS) in den deutschen Markt einzutreten, als zu versuchen, die komplette ERP-Palette anzubieten. Die großen transaktionsorientierten Anwendungen waren das klassische Geschäft der neunziger Jahre. Wir möchten unsere Position mit den Themen der nächsten Generation ausbauen, das sind zum Beispiel Supply Chain Optimization (SPO) und Personal-Management als strategische Komponente. Unsere Kunden sind auch nicht die Unternehmen, die heute noch schnell das Datum-2000-Problem lösen wollen und Euro-fähig sein müssen, sondern Betriebe, die innovativ sind und auf eine neue Produktgeneration setzen.

CW: Das heißt, sie müssen komplett neue Kunden gewinnen, denn SAP hat ja mit dem Advanced Planning Optimizer (APO) ein eigenes SCM-Produkt angekündigt und ist auch im Personalbereich sehr stark. Kunden, die R/3 einsetzen, werden ja wohl kaum eine Peoplesoft Lieferketten-Lösung einsetzen.

Lindner: Außer einer Ankündigung kann die SAP im Bereich SCM nichts vorweisen. Wir haben vor rund zwei Jahren den SCM-Spezialisten Red Pepper gekauft und dessen Produkte mittlerweile in Peoplesoft integriert. Momentan laufen Auswahlverfahren bei großen Konzernen, die im Back-Office eine R/3-Strategie verfolgen, aber für das Thema SCM R/3 nicht berücksichtigen. Bei diesen Unternehmen stehen wir mit unserer SCM-Lösung gegen typische Lieferketten-Spezialisten wie I2.

CW: Mit welchen anderen Anwendungen wird Peoplesoft auf den deutschen Markt gehen?

Lindner: Unser Personal-Management ist wesentlich ausgereifter als das der SAP, auch für die deutschen Belange. Weitere Bereiche sind Treasury und Activity Based Management. Hier handelt es sich um Lösungen, die auf Data-Warehouse-Techniken basieren und mit denen sich Unternehmenskennzahlen ermitteln lassen, auf deren Basis dann Entscheidungen gefällt werden können.

CW: Was wird Peoplesoft in den Trendbereichen wie Vertrieb und Marketing sowie Kunden-Management und Call-Center anbieten?

Lindner: Es ist bisher nicht geplant für diese Anforderungen eigene Lösungen zu entwickeln. Wir bauen da auf Kooperationen, um unser Angebot zu ergänzen.

Peoplesoft 7. 0 im Überblick

Architektur - Peoplesoft 7. 0 verfügt über eine dreistufige Client-Server-Architektur. Der "Peoplesoft Application Server" läuft auf Windows NT sowie Unix-Plattformen von Digital, Hewlett-Packard, IBM und Sun. Der Client ist als Java-Applet realisiert. Für die Verbindung zwischen dem Web-Client und dem Peoplesoft-Applikations-Server wird auf "Bea Jolt", eine Middleware-Komponente aus Beas Tuxedo-Familie, zurückgegriffen.

Personal - Peoplesofts Personal-Management ist ein Komplettpaket für die Anwendungen im Personalwesen. Es soll die Aufgaben Verwaltung, Abrechnung, Planung, Weiterbildung sowie Personalentwicklung unterstützen. Zudem werden Berichts- und Analysewerkzeuge ausgeliefert.

Finanzwesen - Das Paket beinhaltet die Komponenten Hauptbuch, Kreditoren, Debitoren, Anlagenverwaltung, Treasury, Budgetierung und Projektkostenrechnung.

Logistik - Peoplesofts Logistikanwendungen verfügen über Komponenten zur Automatisierung der Abläufe in der Materialwirtschaft. Dazu gehören die Module Auftragsverwaltung, Produktkonfiguration, Einkauf, Lagerverwaltung, Bedarfsplanung und Faktura. Über ein "Advanced-Planning-and-Scheduling"-System werden Funktionen für das Lieferketten-Management angeboten.

Fertigung - Mit diesen Anwendungen soll sich der Herstellungsprozeß von der Kapazitätsplanung über die Produktionssteuerung bis hin zum Kosten-Management bewerkstelligen lassen.

People Tools - Das sind objektorientierte Werkzeuge zur Entwicklung, Anpassung sowie Implementierung von Peoplesoft-Anwendungen. Die Entwicklungssprache von Peoplesoft ist C++.

Web - Mittels eines Peoplesoft-Web-Clients können Anwender direkt über das Internet oder Intranet auf Anwendungsmasken sowie auf Workflow-Arbeitslisten zugreifen und Abfrage erstellen. Der Web-Client unterstützt Microsofts "Internet Explorer" und Netscapes"Navigator".

Partnerschaften - Das gesamte Partnerschaftsprogramm umfaßt die Bereiche Anwendungen, Datenbanken, Hardware, Implementierung, Systemintegration und Workflow-Technologie. Partnerschaften bestehen unter anderem mit Automatic Data Processing (ADP), Andersen Consulting, Debis Systemhaus, KPMG und Siemens-Nixdorf Business Services.