Public Cloud in Deutschland

Erobern Giganten wie Amazon & Co. den kompletten Markt?

26.04.2016
Von 


Andreas Olah beschäftigt sich mit den Themen Server, Virtualisierung, Big Data, Rechenzentren und Cloud. 
Ist Ihr Unternehmen schon in der Cloud? Wenn Sie diese Frage hören, ist Ihr Gegenüber wahrscheinlich mit dem Fortschritt der letzen Jahre im Cloud-Bereich wenig vertraut. Für innovative Geschäftsführer und IT-Manager ist die Nutzung von Cloud-Ressourcen längst selbstverständlich geworden. Die Frage sollte also eher lauten, ob die Firmen ihre Cloud-Lösungen effektiv aufgesetzt haben, um eine möglichst agile und kostengünstige Nutzung von Ressourcen zu erzielen.

Laut dem IDC Cloud Infrastructure Tracker sind die Umsätze der Server-Hersteller durch Lieferungen an Rechenzentren von Cloud-Anbietern in EMEA erheblich gestiegen, und zwar auf 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2015 für den Public-Cloud Bereich, was einem Wachstum von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Bei den herkömmlichen, nicht cloudbasierten Rechenzentren verzeichneten wir einen leichten Rückgang um 0.1 Prozent im gleichen Zeitraum, während es ein moderates Wachstum um 15 Prozent bei Private Cloud Ressourcen gab.

Den größten Teil der neuen Server-Ressourcen in der Public Cloud machen die Rechenzentren der Giganten aus.
Den größten Teil der neuen Server-Ressourcen in der Public Cloud machen die Rechenzentren der Giganten aus.
Foto: PRILL - shutterstock.com

Amazon, Microsoft, Google und auch IBM SoftLayer bauen ihre Präsenz in Europa immer weiter aus, indem sie bestehende Rechenzentren erweitern und neue Standorte hinzufügen. Gleichzeitig schaffen lokale Hoster und IT-Dienstleister immer mehr Computing-Kapazitäten, die vor allem Kunden mit spezifischeren Anforderungen bezüglich ihrer Arbeitslasten und dem Standort des Rechenzentrums ansprechen. Zu dieser Kategorie zählen in Deutschland unter anderem Wortmann, Cancom und Host Europe. Hinzu kommen Telekommunikationsfirmen, die sich mehr auf die Bereitstellung von IT-Services fokussieren und somit eine größere Rolle bei Cloud-Diensten spielen. So betreibt T-Systems ein riesiges Rechenzentrum bei Magdeburg, und wird ab nächsten Jahr auch gemeinsam mit Microsoft die Azure-Cloud in Deutschland offerieren, während eigene Cloud-Dienste bereits in Kooperation mit Microsoft als Teil der Cloud OS Allianz angeboten werden.

Hybride Landschaften sind auf dem Vormarsch

Obwohl das größte Wachstum im Public Cloud-Bereich zu verzeichnen ist, geht der Trend zunehmends in Richtung Hybrid Cloud, das heißt dass Cloud-Dienste der Giganten oder Hoster mit der Private Cloud im eigenen Rechenzentrum kombiniert werden. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn sensible Daten und geschäftskritische Applikationen besser im eigenen RZ aufgehoben sind, um Datenschutzbestimmungen einzuhalten, Kunden zufriedenzustellen oder niedrigere Latenz für Echtzeit-Analysen zu bieten.

Es ist dabei entscheidend, dass Applikationen und andere Workloads reibungslos zwischen den Ressourcen verschoben werden können, um eine größere Kosteneffizienz zu erzielen, bei Bedarf zu skalieren, um zum Beispiel die Website-Präsenz und Funktionalität von Applikationen auch bei unerwartet steigendem Bedarf sicherzustellen, und dann auch wieder schnell zurückzuschrauben, um die Kosten für ein Überangebot von Ressourcen zu vermeiden.

IDC prognostiziert, dass 2019 ein Viertel des Server-Umsatzes in Westeuropa im Public Cloud Segment erzielt wird und weitere 27 Prozent im Private Cloud Segment - gehostet sowie im eigenen Rehenzentrum. Das heißt, dass über die Hälfte der Umsätze mit der Cloud generiert werden, während 2015 noch 79 Prozent an herkömmliche, nicht Cloud-basierte Rechenzentren geliefert wurden.

Multi Cloud ist für die meisten Firmen der beste Ansatz

Während es für einige Firmen, vor allem in der Medien-Branche Sinn macht, zu 100 Prozent in die Public Cloud zu gehen und dabei auf Amazon, Microsoft und Co. zu setzen, empfielt IDC für die meisten Unternehmen den Aufbau einer Multi-Cloud-Umgebung. Mehrere Anbieter können so kombiniert werden, um nicht zu sehr von einem einzelnen abhängig zu sein. Es ist auch oft eine Frage von End-to-End SLAs, das heißt, dass man nicht nur für einzelne Bereiche eine 99,999-prozentige Verfügbarkeit erhält, sondern verschiedene Amazon-Regionen oder Ressourcen lokaler Hoster so zusammensetzen kann, dass auch beim Ausfall eines Dienstes eine hundertprozentige Verfügbarkeit besteht. Dies ist in der Regel komplexer und kann mehr kosten, als sich ganz auf einen Anbieter zu verlassen, ist aber für geschäftskritische Applikationen, wo Ausfälle von wenigen Minuten schon Millionen kosten können, besonders empfehlenswert.

Das große Interesse an Multi- und Hybrid-Cloud Umgebungen spiegelt sich auch in steigender Virtualisierung und einem kontinuierlichen Wachstum bei System-Management-Software wieder. Laut dem IDC System Management Software Forecast wird der westeuropäische Markt von 3,7 Milliarden Euro in 2015 auf 4,8 Milliarden in 2019 wachsen, was einer Compound annual growth rate (CAGR) von 6,7 Prozent entspricht.

Lokale Hoster haben oft das Nachsehen

IDC erwartet, dass Public Cloud Giganten ihre Rechenzentren in Europa weiter ausbauen werden, wobei es vor allem in Deutschland von entscheidender Bedeutung ist, ein Rechenzentrum im Land zu betreiben, das dann auch zusammen mit Ressourcen in anderen Ländern genutzt werden kann. Sensible Daten sollen dabei jedoch die Landesgrenze nicht verlassen. Die Giganten haben sich in letzter Zeit einen Preiskampf geliefert, bei dem kleinere Hoster nicht mithalten können und alternative Konzepte wie OpenStack keine nennenswerte Konkurrenz geworden sind. Lokale Hoster, Telcos und Systemintegratoren sind jedoch vor allem für mittelständische Unternehmen zugänglicher, als das Self-Service-Modell der Giganten und können sich oft als Cloud-Broker oder Service-Anbieter behaupten, ohne in direkte Konkurrenz mit Amazon und Co. zu geraten.