Auf dem Prüfstand: SAP SI AG

Ernüchterung bei einem Highflyer

23.02.2001
FRANKFURT/M. - Nach einem nur kurzen Höhenflug an der Börse enttäuschte die Dresdner SAP Systems Integration AG (SAP SI) ihre Aktionäre auf breiter Front. Die SAP-Consulting-Tochter, die im März zwar in den Nemax-50-Index aufgenommen, gleichzeitig aber auch 2001 hinter ihren ursprünglich hochgesteckten Erwartungen zurückbleiben wird, will jetzt vor allem im US-Markt expandieren. Von Andrea Goder*

Den ersten Schritt zur angekündigten Internationalisierung vollzog SAP SI vor wenigen Tagen mit der Akquisition der in Atlanta ansässigen Prescient Consulting LLC. Für das auf SAP-Beratung und Implementierung spezialisierte US-Unternehmen, das im Geschäftsjahr 2000 einen Umsatz von 12,7 Millionen Dollar erzielte, bezahlten die Dresdner 11,4 Millionen Dollar.

Die Bekanntgabe der Prescient-Übernahme ist eine von wenigen positiven Meldungen der SAP-Tochter seit dem Börsengang im September 1999 an den Neuen Markt. Zwar legte SAP SI im Herbst vergangenen Jahres - in einem schwierigen Börsenumfeld - ein glänzendes Debüt hin. Die mit 19 Euro ausgegebene Aktie schoss am ersten Handelstag in der Spitze auf 53 Euro hoch. Wenige Wochen später musste das Papier dann jedoch bereits kräftig Federn lassen - die Dresdner überraschten Anleger und Analysten mit einer Gewinnwarnung.

Wie stark die Geschäftszahlen tatsächlich von den noch beim Börsengang veröffentlichten Planungen abwichen, gab das Unternehmen erst vor wenigen Wochen auf seiner Bilanzpressekonferenz in Frankfurt am Main bekannt. Das operative Ergebnis vor Goodwill-Abschreibungen lag demnach mit 29,3 Millionen Euro sogar unter dem des Vorjahres (31 Millionen Euro). Geplant waren ursprünglich 35,3 Millionen Euro. Laut Vorstandsmitglied Ulrich Assmann drückten vor allem die aus der Fusion der drei Gründungsgesellschaften (SAP Solutions GmbH, SAP SI GmbH und SRS AG) resultierenden Kosten und der Börsengang selbst auf das Ergebnis.

Beim Umsatz gelang den sächsischen Consultants mit 186,2 Millionen Euro eine Punktlandung nach 151,7 Millionen Euro im Vorjahr (plus 23 Prozent). Doch auch hier liebäugelten die vier SAP-SI-Vorstände ursprünglich mit mehr. Nachdem SAP SI vor allem im zweiten und dritten Quartal nach den Worten von Finanzvorstand Jörg Vandreier "etwas vom Gaspedal getreten" ist, konnte das Unternehmen allerdings im Schlussquartal mit Einnahmen in Höhe von 56,6 Millionen Euro wieder Boden gutmachen. Das Umsatzplus lag in diesem Zeitraum 29,1 Prozent über dem vergleichbaren Vorjahresquartal.

Wie ein Blick in die Bilanz zeigt, ist der Börsenneuling nach wie vor stark vom Walldorfer Mutterkonzern, der nach dem IPO noch mit 53,7 Prozent an SAP SI beteiligt ist, abhängig. Daneben hält auch die Darmstädter Software AG noch 11,4 Prozent an dem Unternehmen. Insgesamt erzielte das auf IT-Consulting, Systemintegration und Anwendungsentwicklung spezialisierte Tochterunternehmen im letzten Geschäftsjahr noch 93 Prozent des Umsatzes mit SAP-bezogenen Produkten. "Mittelfristig wollen wir diesen Anteil auf 50 Prozent herunterfahren", formulierte Assmann vor der Presse als Ziel. In Zukunft sollen deshalb verstärkt Integrationsprojekte in den Bereichen E-Business und Customer-Relationship-Management (CRM) in Angriff genommen werden.

Von Consulting-Leistungen abgesehen, entfielen im letzten Jahr fünf Prozent des Umsatzes auf den Geschäftsbereich Outsourcing und Application Services (plus 19 Prozent). Enttäuscht zeigte sich Assmann über die Entwicklung des Produktgeschäfts, das lediglich zwei Prozent zu den Einnahmen beisteuerte.

Noch zum IPO wurde die Entwicklung eigener Softwarekomponenten - ein Bereich, in dem vergleichbare Wettbewerber wie die ebenfalls börsennotierte IDS Scheer AG bereits heute erfolgreich sind - als wichtige strategische Komponente präsentiert. In der Folge kam es dann allerdings zu Verzögerungen in der Produktentwicklung.

Produktportfolio bereinigt

Um zudem eine "zu breite Diversifizierung" der Produktpalette zu verhindern, wurde laut Assmann bereits im Dezember die Entwicklung systemnaher Software eingestellt. Betroffen davon ist das Konvertierungs-Tool "Business-X".

Statt dessen setzen die Dresdner jetzt verstärkt auf den Ausbau des internationalen Geschäfts, auf das im Jahr 2000 erst zehn Prozent der Einnahmen entfielen. Im Visier haben die ERP-Consultants den bereits eingangs erwähnten US-Markt. Diesseits und jenseits des großen Teiches konkurrieren die Dresdner dabei allerdings vor allem mit den Schwergewichten im Beratungsgeschäft, also Firmen wie IBM (Sercon), CSC Ploenzke, KPMG und Pricewaterhouse-Coopers. In der Liga der kleineren Wettbewerber spielen dagegen am Neuen Markt notierten Unternehmen wie Plaut, SVC oder Novasoft.

Apropos USA: Erst im Januar gründete SAP SI eine US-Tochtergesellschaft in Newtonsquare, Pennsylvania. Dank besagtem Zukauf und eigener Anstrengungen will man bereits im laufenden Jahr rund zehn Prozent der Erlöse in den USA erzielen und vertraut dabei - entgegen allen Emanzipationsbeteuerungen - stark auf den Rückenwind der Konzernmutter in Walldorf. "SAP erlebt in den USA derzeit eine Renaissance", glaubt SAP-SI-Chef Assmann.

Trotz der vermeintlich guten Positionierung mussten die Dresdner den Business-Plan vor kurzem erneut einer Revision unterziehen. Wurde noch zum Börsengang für das Geschäftsjahr 2001 mit einem organischen Wachstums von 41 Prozent gerechnet, geht Finanzvorstand Vandreier jetzt nur mehr von einem Umsatzplus von 22 bis 27 Prozent aus. Lange Gesichter gab es in der Finance Community aber auch angesichts des zu erwartenden operativen Ergebnisses (vor Goodwill), das nach jüngsten Korrekturen nur noch zwischen 42 und 46 Millionen Euro liegen soll.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.

Abb: SAP-SI-Geschäftsentwicklung

Abstriche von den ursprünglich sehr ehrgeizigen Wachstumszielen musste zuletzt auch SAP SI machen. (Quelle: HypoVereinsbank)