Düstere Aussichten nach erneuter Umsatzwarnung

Ericsson braucht einen langen Atem

11.10.2002
MÜNCHEN (CW) - Nach den Umsatzwarnungen von Lucent, Siemens, Nortel Networks und Alcatel in den vergangenen Wochen hat auch der Branchenriese Ericsson seine Prognosen nach unten korrigiert. Der Kurs der Aktie sank daraufhin zwischenzeitlich um bis zu 24 Prozent und zog andere TK-Werte mit hinab.

Mit seiner erneuten Umsatzwarnung hat Ericsson die letzte Hoffnung auf eine baldige Erholung des Telekommunikationsmarkts zunichte gemacht. Der schwedische Handy-Hersteller und Marktführer im Geschäft mit Mobilfunknetzen erklärte vergangene Woche, dass die Einnahmen im dritten Quartal noch unter denen des ohnehin schwachen zweiten Quartals liegen würden. Damals war der Umsatz im Jahresvergleich um 29 Prozent auf umgerechnet 4,15 Milliarden Euro gesunken. Die Zahl der Auftragseingänge schrumpfte sogar um 35 Prozent.

Vor allem die Zurückhaltung der verschuldeten Telefongesellschaften, die weit weniger in den Netzausbau investieren als ursprünglich erwartet, macht dem führenden TK-Ausrüster zu schaffen. Kopfzerbrechen bereitet auch das Handy-Geschäft, das Ericsson seit Anfang des Jahres gemeinsam mit Sony betreibt und das seitdem kontinuierlich zurückgeht. Laut Gartner hatte das Joint Venture im zweiten Quartal einen Marktanteil von 5,4 Prozent. Ericsson allein war im gleichen Zeitraum des Vorjahres noch auf 7,7 Prozent gekommen.

Mit einem Verlust von rund 382 Millionen Euro konnte Ericsson zwar sein Minus im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 200 Millionen Euro reduzieren. Die Frage ist jedoch, ob der TK-Ausrüster, der seit sieben Quartalen rote Zahlen schreibt, sein Ziel erreicht, im kommenden Geschäftsjahr in die Gewinnzone zurückzukehren. Denn die Aussichten sind nach Einschätzung von Branchenkennern düster: Der Investmentbank Credit Suisse First Boston zufolge wird der TK-Markt in diesem Jahr um 20 Prozent einbrechen. Für 2003 sei ein Rückgang von drei Prozent zu erwarten. Die Analysten der Hypo-Vereinsbank sind ebenfalls der Ansicht, dass sich die Auftragslage nicht vor Ende nächsten Jahres bessern wird - und auch dann nur, wenn der erhoffte Konjunkturaufschwung eintrete.

Entscheidend für Ericssons künftige Entwicklung ist zudem, wie lange die Erlöse aus der Anfang September vorgenommenen Kapitalerhöhung im Wert von rund 3,2 Milliarden Euro noch reichen und ob die Restrukturierungsmaßnahmen die erhoffte Wirkung - 5,3 Milliarden Dollar sollen eingespart werden - bringen. Ericsson hatte Anfang letzter Woche angekündigt, zwei schwedische Werke zur Herstellung von Mobilfunkbasisstationen sowie den Forschungs- und Entwicklungsstandort Nürnberg zu schließen. Bis Ende kommenden Jahres soll die Gesamtbelegschaft auf unter 60000 reduziert werden. Anfang 2001 beschäftigte Ericsson noch 107000 Mitarbeiter.

Weitere Einspareffekte verspricht sich Ericsson von seiner Konsolidierungsstrategie. Im vergangenen Jahr hatte der TK-Ausrüster begonnen, bestimmte Aktivitäten zu veräußern und mit den Käufern Partnerschaften zu schließen. Beispiele sind die Übernahme von Ericsson Microelectronics durch Infineon oder das Abkommen mit Teleca über die Forschung und Entwicklung für GPRS-Netze. Wie kürzlich bekannt wurde, will Ericsson einen weiteren Teil der GSM-Softwareentwicklung an den finnischen IT-Dienstleister Tietoenator auslagern. Etwa ein Drittel der 30 Abteilungen sollen in den nächsten Monaten über Outsourcing-Deals oder Schließungen wegfallen. (sp)