Datenkommunikation via Festverbindung heute und im ISDN:

Erhebliche Anforderungen für Anbieter und Anwender

26.06.1987

ISDN-Festverbindungen sollen im Vergleich zu heute eine wesentlich kostengünstigere Datenkommunikation erlauben. Dieter Steinle* und Joachim Tausch* nehmen in einen Vergleich diese neue Möglichkeiten sowie die derzeitigen HfD-Verbindungen mit 64 KBit/s unter die Lupe. Ihr Fazit: Die Realisierung der ISDN-Festverbindungen stellt erhebliche Anforderungen an Endgeräte-Anbieter und -Anwender.

Mit der im vergangenen Jahr verabschiedeten Telekommunikationsordnung (TKO) wurde erstmals ein Regelwerk für die Nutzung von ISDN geschaffen. Im ersten Entwurf der TKO wurde unter anderem der ISDN-Universalanschluß (S0) definiert.

In der vor kurzem verabschiedeten Änderungsverordnung zur TKO wurde darüber hinaus der sogenannte Primär Multiplex-Anschluß (S2M) in die TKO aufgenommen. Während bei einem ISDN-Universal-Hauptanschluß zwei B-Kanäle zu je 64 KBit/s und ein Signalisierungskanal (D-Kanal) mit 16 KBit/s zur Verfügung stehen, erlaubt der Primär-Multiplex-Anschluß 30 B-Kanäle und einen Signalisierungskanal mit 64 KBit/s.

Bereits im ersten Entwurf der TKO wurden sogenannte Festverbindungen definiert, und zwar mit folgender Klassifizierung:

- Festverbindungen der Gruppe 1 sind dauernd bereitgestellte, analoge Verbindungen mit 3,1 kHz Bandbreite.

- Festverbindungen der Gruppe 2 sind dauernd bereitgestellte, digitale Festverbindungen in den Geschwindigkeitsklassen 64 KBit/s, 2 MBit/s, 34 MBit/s auf der Basis besonderer Festanschlüsse.

- Festverbindungen der Gruppe 3 sind auf Anforderung fallweise bereitgestellte, digitale Verbindungen zwischen Universalanschlüssen (Basis: B-Kanal mit 64 KBit/s).

Interessant ist eine Betrachtung der Unterschiede zwischen Festverbindungen der Gruppe 2 und denjenigen der Gruppe 3. Während für Festverbindungen der Gruppe 2 eine Verbindung zwischen Festanschlüssen mit digitalen Anschaltepunkten in den Geschwindigkeitsklassen 64 KBit/s, 2 MBit/s und 34 MBit/s dauernd bereitgestellt wird, handelt es sich bei den Festverbindungen der Gruppe 3 um sogenannte "semipermanente Verbindungen", die sich von den bisher im analogen Fernsprechnetz oder im IDN angebotenen Festverbindungen vor allem dadurch unterscheiden, daß sie im Regelfall nicht die gesamten Anschlüsse beider Kommunikationspartner fest miteinander verbinden, die damit nicht mehr für andere Zwecke zur Verfügung stehen. Statt dessen ist bei der semipermanenten Verbindung nur jeweils ein B-Kanal von zwei Universalanschlüssen an der Festverbindung beteiligt. Die semipermanente Verbindung (SPV) wird dabei nicht starr durch das allgemeine Netz der Deutschen Bundespost geführt, sondern über die Koppelnetze der digitalen Vermittlungsstellen.

Diese Verbindung zeichnet sich insbesondere durch folgende Eigenschaften aus:

- Sie ist nur zwischen Universalanschlüssen (Basisanschlüsse und Primär-Multiplex-Anschlüsse) in Punkt-zu-Punkt- und Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindungen des ISDN möglich.

- Von den vorhandenen B-Kanälen eines Universalanschlusses wird je aufgebauter SPV ein B-Kanal fest belegt; die restlichen können für Wählverbindungen genutzt werden.

- Der Auf- und Abbau der SPV erfolgt durch die Endeinrichtung der Teilnehmer (ähnlich wie bei einer Wählverbindung).

- Da zwischen zwei Universalanschlüssen beziehungsweise zwischen zwei Vermittlungsstellen eine Vielzahl von Verbindungsmöglichkeiten zur Verfügung steht, ergibt sich so eine hohe Verfügbarkeit.

- Die SPV kann von den Endeinrichtungen des Teilnehmers aus aktiviert und deaktiviert werden.

- Grundlage für die Gebühren ist die aktive Verbindungszeit der SPV.

Der zuletzt genannte Gesichtspunkt wird insbesondere im Vergleich zu Festverbindungen der Gruppe 2 von großem Interesse sein, da nach der letzten Änderungen der TKO erkennbar ist, daß die Deutsche Bundespost bei Festverbindungen der Gruppe 2 die Dauer der Bereitstellung einer Verbindung zur Grundlage der Tarifierung machen will und nicht nur wie bei den Festverbindungen der Gruppe 3 die aktive und damit genutzte Verbindungszeit.

Zeitspannen für Aufbau und Aktivierung wichtig

In der Würdigung der SPV gilt es natürlich zu beachten, daß die entsprechenden Spezifikationen in den Endeinrichtungen für den Universalanschluß (S0 beziehungsweise S2M) und für die Aktivierung beziehungsweise Deaktivierung einer solchen Verbindung vorhanden sein müssen.

Für die Datenkommunikation ist darüber hinaus entscheidend, welche Zeitspannen für Aufbau und Aktivierung solcher Verbindungen erforderlich sind. Da nach den erkennbaren Absichten der Deutschen Bundespost der Aufbau einer solchen Verbindung selbst noch nicht tariflich wirksam wird; spielen die Verbindungsaufbauzeiten im Falle einer SPV für die Anwendungen keine primäre Rolle. Das heißt, zu Beginn einer Session kann die Verbindung aufgebaut werden und möglicherweise über längere Zeit bestehen. Innerhalb dieser Zeit werden verschiedene Aktivierungen und Deaktivierungen erfolgen. Nicht zu vernachlässigen sind jedoch die hierbei erforderlichen Zeitspannen in ihrer Auswirkung auf die Anwendungsumgebung.

Nach Aussagen der Deutschen Bundespost beträgt die Verbindungsaufbauzeit bei nur einer beteiligten Vermittlungsstelle zirka 1000 Millisekunden und im worst case bei maximal sieben Vermittlungsstellen 2900 Millisekunden. Nicht berücksichtigt sind dabei eventuelle Besetztfälle im Netz, die Aktivierung der Schichten 1 und 2 auf der Anschlußleitung, eventuelle Hochlastsituationen der Vermittlungsstellen und natürlich die Reaktionszeit der gerufenen Endeinrichtung.

Für die Aktivierung einer SPV sind dagegen bei nur einer beteiligten Vermittlungsstelle zirka 280 Millisekunden und im worst case bei Beteiligung von sieben Vermittlungsstellen zirka 1160 Millisekunden erforderlich. Bei einer typischen Verbindung mit vier Vermittlungsstellen ergibt dies im Mittel zirka 800 Millisekunden. Diese Zeit umfaßt die Durchlaufzeiten der Aktivierungsnachricht und der dazugehörenden Quittungsnachricht. Sie berücksichtigt noch nicht die Reaktionszeit der das Aktivieren akzeptierenden Endeinrichtung, die noch zusätzlich hinzukommt.

Die Strukturen der beiden Tarife im Vergleich

Es wird abzuwarten sein, wie sich diese Zeitspannen unter realen Netzverbindungen entwickeln werden. In jedem Fall aber sind sie im Hinblick auf die Nutzung von ISDN-Festverbindungen für die Datenkommunikation nicht zu vernachlässigen. Auf mögliche Konsequenzen für die Anwendungsumgebung soll am Ende dieses Beitrags noch näher eingegangen werden. Vorrangig ist zunächst jedoch nun eine vergleichende Betrachtung der Tarifstrukturen zwischen den bisherigen HfD-Verbindungen (64 KBit/s) und den entsprechenden ISDN-Festverbindungen der Gruppe 2 und 3.

Unter dem Kostengesichtspunkt sind die Abhängigkeiten von der Entfernung der Endstellen und von der Nutzungs- beziehungsweise Verbindungszeit zu betrachten sowie die maßgeblichen Meßverfahren.

Der Einfluß der Entfernung im Fernbereich

Bei den HfD-Verbindungen steigt die Verkehrsgebühr im Fernbereich Tarifunterschiede zwischen HfD-64-KBit/s- und den ISDN-Festverbindungen, die sich bei mehr als 80 Stunden Nutzung noch vergrößern müssen den Planer von Datennetzen veranlassen, ernsthaft die Voraussetzungen für eine Nutzung der ISDN-Festverbindungen zu prüfen. Bei dieser Betrachtung sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

- Realisierung der ISDN-Schnittstellen (S0 beziehungsweise S2M) mit dem entsprechenden B-Kanal-Protokoll in der jeweiligen Endeinrichtung. Insbesondere sollte die Nutzung der SPV möglich sein, da sich in diesem Falle durch die Begrenzung auf die aktive Verbindungszeit weitere Gebührenvorteile ergeben können.

Der Einfluß der Nutzungs- beziehungsweise Verbindungszeit im Fernbereich

Bei den HfD-Verbindungen zu 64 KBit/s plant die DBP als Meßverfahren den sogenannten Bitgruppenvergleich: Die Nutzungszeitmessung setzt aus, solange mehr als dreimal hintereinander dieselbe Bitgruppe (im allgemeinen dasselbe Byte) über die Leitung geht.

In der TKO war bisher vorgesehen daß dasselbe Verfahren auch bei ISDN-Festverbindungen der Gruppe 2 zum Einsatz kommen wird. Demgegenüber ist bei den Festverbindungen der Gruppe 3 die Verbindungszeit maßgebend, genauer: die Zeitspanne zwischen dem Aktivieren und dem Deaktivieren der sonst nur "latent" geschalteten Verbindung.

Bei diesem aus dem Wählbereich bekannten Verfahren kommt es entscheidend auf die kürzestmögliche Zeitspanne an, die eine Leitung gebührenmäßig als aktiv gilt, denn diese Zeitspanne schlägt zu Buche, unabhängig von dem Verkehr, der in ihr abgewickelt wird. Gegenwärtig zeichne sich eine Zeitauflösung von einer Sekunde ab.

Am Ende einer Abrechnungsperiode wird bei ISDN-Festverbindungen in beiden Fällen jeweils für beide Tageszeitzonen festgestellt, wievielen 23-Pfennig-Einheiten die aufgelaufenen Nutzungs- beziehungsweise Verbindungszeiten entsprechen. Aus Bild 1 ist für den Fernbereich ersichtlich, daß digitale ISDN-Festverbindungen in jedem Fall wesentlich kostengünstiger sind als vergleichbare HfD-Verbindungen. Diese Tendenz verstärkt sich noch bei Berücksichtigung der Grundgebühren (HfD: 2 x 210 Mark, FV Gr. 2: 2 x 150 Mark, FV Gr. 3: 2 x 74 Mark, das heißt Universalanschlüsse) und des Fünf-Prozent-Nachlasses, der bei ISDN-Festverbindungen für Zeiten oberhalb 80 Stunden greift, bei HfD-Verbindungen (64 KBit/s) jedoch nicht. Die Gebühr für 80 Stunden zum Normaltarif wird in allen Fällen als Mindestgebühr erhoben.

Die Orts- und Nahbereiche

Bei Verbindungen, die keine Ortsnetzgrenze überschreiten, wird in allen betrachteten Fällen pauschal abgerechnet.

Der Gebührenvergleich geht aus Bild 2 hervor, wieder mit deutlichen Vorteilen für ISDN-Festverbindungen. Im Nahbereich ist eine Gegenüberstellung schwieriger. Am deutlichsten sind hier die Verhältnisse aus der in Bild 3 wiedergegebene Tabelle abzulesen, in der den ISDN Entfernungszonen jeweils diejenigen Entfernungen gegenübergestellt sind, die bei heutigen HfD-Verbindungen zu denselben Gebühren führende (gemeinsame Basis: 80 Stunden Nutzungs- beziehungsweise Verbindungszeit, Tagestarif).

Die obengenannte Darstellung der

- Auswirkung auf die Endgerätesteuerung Hier ist zu beachten, daß ISDN-Festverbindungen der Gruppe 3 sicher nicht prädestiniert sind für gepolte Steuerungsverfahren.

- Auch hinsichtlich der Anwendungsumgebung ergeben sich Konsequenzen. Zum einen sind die nicht zu vernachlässigenden Verbindungsaufbauzeiten nicht tolerabel, wenn sie für jeden Dialogschritt wirksam werden. Dies bedeutet, daß ein typisches Anwendungsfeld für ISDN Festverbindungen im Bereich des Filetransfer zu suchen ist (beispielsweise für die Übermittlung von Dokumenten oder größeren Nachrichtenblöcken einschließlich von Grafik-Daten). Die Umsetzung dieses Gesichtspunktes könnte erhebliche Rückwirkungen auf die Gestaltung der Anwendungen einschließlich der Art der Datenverwaltung und des Datenzugriffs haben.

Die "heile Welt" einer kostengünstigen Datenkommunikation mit Hilfe der ISDN-Festverbindungen stellt vor ihrer Realisierung somit erhebliche Anforderungen an die Anbieter der entsprechenden Endeinrichtungen und auch an den Anwender im Hinblick auf die Gestaltung seiner Anwendung. Hier müssen sich in den nächsten Jahren erhebliche Veränderungen ergeben, wenn das Angebot der Deutschen Bundespost nutzbar sein soll.

* Dieter Steinle ist geschäftsführender Gesellschafter der Teleconsulting GmbH, Gäufelden; Joachim Tausch ist in gleichen Unternehmen Systemberater.