Gestaltung der Benutzeroberfläche muß bestimmten Regeln folgen:

Ergonomischer SW-Aufbau steigert Marktchancen

25.09.1987

MÜNCHEN (CW) - Funktionsfähigkeit allein führt heute kaum ein Programmpaket zum Erfolg im Markt. Viele Produkte verschwanden schon allein deshalb von der Bildfläche. weil der Umgang mit ihnen für die meisten User zu schwierig war. Software-ergonomische Aspekte spielen deshalb überall dort eine entscheidende Rolle, wo nicht nur eine kleine Elite von DV-Freaks mit einem System in Berührung kommt. Denn die meisten Benutzer betrachten die Datenverarbeitung zu Recht als ein "Mittel zum Zweck" und sind nicht bereit. sich in komplizierte logische Strukturen hineinzudenken.

In diesem Konzept kommt der Gestaltung von Benutzeroberflächen eine besondere Bedeutung zu. Nur wenn sie übersichtlich und optisch ansprechend aufgebaut ist, fühlt sich der User animiert, mit einem bestimmten Programm zu arbeiten. Barbara Lauter hat die bislang zu diesem Thema verfügbaren Erfahrungswerte in ihrem Buch "Software-Ergonomie in der Praxis - Software anwenderfreundlich schreiben' zusammengefaßt.

Ausgehend von den DIN-Normen für Bildschirmarbeitsplätze und Informationsverarbeitung wird in der Veröffentlichung der State-of-the-Art einer dem Benutzer angepaßten SW-Gestaltung aufgezeigt. Positiv- und Negativbeispiele erläutern abstrakte Anforderungen wie Angemessenheit der Aufgabe oder Selbstbeschreibungsfähigkeit der Programme. COMPUTERWOCHE veröffentlicht eine Checkliste*, die Bewertungskriterien für eine Software-ergonomische Produktgestaltung enthält.

- Der "Wortschatz" (Funktionen, Kommandos, reservierte Wörter) muß klar sein und der Begriffswelt des Benutzers entsprechen.

- Das System muß sich entsprechend den Fähigkeiten des Benutzers verhalten.

- Die Anwendung muß ohne besondere DV-Kenntnisse möglich sein.

- Die Mensch-Maschine-Interaktion muß soweit wie möglich menschlichen Begriffsstrukturen ähneln, wie etwa in Beschreibungen, Analogien, Vergleichen, Beispielen oder Symbolen.

- Die Eingabetätigkeit muß so weit wie möglich beschränkt sein. Die Auswahl des Vokabulars muß durch wenig Tippaufwand gekennzeichnet sein. Ein oftmaliges Verwenden der Leertaste ist zu vermeiden.

- Das System muß der üblichen Arbeitsweise des Endbenutzers entsprechen.

- Jeder Bildschirm soll nur einen Gedanken darstellen, der Benutzer nur auf eine Frage antworten müssen.

- Das System muß ein klar strukturiertes Funktionsangebot haben. Die Ein- und Ausgaben sind kurz und übersichtlich zu strukturieren.

- Die normalen kommunikativen und verbalen Fähigkeiten des Benutzers müssen als Grundlage für den Dialog zunächst ausreichen. Zusätzlich notwendiges Wissen soll dann im späteren Dialog im Bedarfsfall ermittelt werden.

- Die Regeln und Handhabungen müssen einfach zu beachten sein (Forderung nach Unkompliziertheit).

- Datenfelder sind - zur besseren Lesbarkeit - untereinander zu schreiben. Eine spaltenweise Anordnung der Felder erhöht deren Übersicht.

- Der Zugang zum System muß mit einem einfachen Befehl gewährleistet sein und Kompliziertheit nicht bereits den Erstbenutzer abschrecken.

- Die Anzahl von vorgegebenen und neuen Wörtern, Kommandos, Vereinbarungen oder Symbolen muß gering sein.

- Für die Verläßlichkeit, die einzuhalten beim Benutzer Vertrauen und Sicherheit fördert, gilt immer: Sicherheit der Datenbestände muß gewährleistet sein.

- Jede letzte Aktion sollte f& den Benutzer widerrufbar sein.

- Der Benutzer vergißt und macht Fehler. Daraus folgt: Es muß ihm die Möglichkeit der Verbesserung oder Veränderung der Daten leicht gemacht werden.

- Eine eindeutige und unmißverständliche Formulierung der an den Benutzer gerichteten Angaben muß gewährleistet sein.

- Eine Übersicht über alle Funktionen und Möglichkeiten, die dem jeweiligen Benutzer zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehen, muß für ihn abrufbar sein.

- Der Kommando- und/oder Funktionsvorrat muß überschaubar sein beziehungsweise für gewisse Aufgaben muß eine Untermenge ausreichen.

- Erhält der Benutzer für ihn unverständliche Ausgaben vom System, so muß er nachfragen und sich Definitionen von ihm unbekannten Begriffen geben lassen können.

- Benutzerhandbücher müssen möglichst überflüssig sein.

- Das Benutzerhandbuch muß insgesamt oder in Teilen über die Benutzerstation präsentiert werden können (Online).

- Texte, Stichworte, formelhafte oder graphische Darstellungen des Systems müssen prägnant dargestellt sein; bei hochauflösenden Bildschirmen möglichst mit sich selbst erklärenden Symbolen oder Graphiken.

- Die Dialogtexte müssen so formuliert sein, daß sie den Benutzer motivieren und nicht ärgern.

- Erhält das System unverständliche Eingaben vom Benutzer, dann soll es nachfragen und Eingaben vorschlagen oder sich den unbekannten Begriff spezifizieren lassen.

- Auf Wunsch müssen Erläuterungen in unterschiedlichem Detaillierungsgrad und auch in unterschiedlicher Darstellungsform gegeben werden können.

- Das Antwortzeitverhalten soll einstellbar sein. Zu schnelle Reaktionszeiten können den Benutzer "hetzen".

- Die Suchzeit von Elementen auf einem Bildschirm muß herabgesetzt und die Fehlerhäufigkeit vermindert werden, indem häufig benutzte Begriffe am Anfang einer Liste stehen. Das gilt vor allem bei der Anordnung von Menüs, die so sein muß, daß die am wahrscheinlichsten anzukreuzenden Punkte oben und die weniger wahrscheinlichen abgestuft nach unten angeboten werden.

- Dem Benutzer muß ein beliebiges Vor- und Zurückgehen im Dialog ermöglicht werden.

- Der Benutzer muß jederzeit in der Lage sein, für ihn in der augenblicklichen Situation wesentliche Einzelheiten des Systemmodells gedanklich zu erfassen, ohne in Handbüchern zu suchen oder herumfragen zu müssen. Dazu muß das System nach durchschaubaren Regeln aufgebaut sein, in die der Benutzer sein Handeln als Teil des Systems situationsgerecht einordnen kann.

- Der Benutzer muß Eingaben zu komplexen Kommandos zusammenfassen können, so daß die Dialoge kurz werden. Diese Möglichkeit darf nur geübten Benutzern angeboten werden, weil komplexe Anwendungsmöglichkeiten den Anfänger abschrecken und meist nur wenig genutzt werden.

- Um Langeweile und Ermüdung zu verhindern, muß der Benutzer eine Summe von Standardmanipulationen vorher festlegen können.

- Das System muß mehr auf Sichtbarmachung der Arbeitsvorschläge zielen als auf abstrakte und formale Konstruktionen.

- Der Benutzer muß die Möglichkeit haben, einen Prozeß zu unterbrechen, um in einem anderen zu arbeiten.

- Der Benutzer macht Fehler. Sein r Handeln muß als unvorhersehbar eingeschätzt werden.

- Es muß die Möglichkeit bestehen, eine Eingabe "ungeschehen" machen zu können.

- Bei folgenschweren Anweisungen ("Delete") muß das System vorher nochmal fragen, um Kummer zu vermeiden.

- Es müssen unbedingt Überraschungseffekte für den Benutzer vermieden werden.

- Es ist sinnvoll, Daten in unterschiedlichen Darstellungsarten zu zeigen, um einen unterschiedlichen Informationsbedarf zu befriedigen.

- Das System muß so reagieren, als hätte es den Menschen verstanden. Wenn es sich ebenso verhalten würde wie ein Mensch, glaubt der Benutzer sich "verstanden" (Erwartbarkeit von Ereignissen).

- Einheitliche Aufteilungen und Formate für alle Anwendungen müssen neben einer minimalen Anzahl verschiedener Grundformate angestrebt werden.

Das System muß sich in identischen Situationen identisch verhalten, um verläßlich auf den Benutzer zu wirken.

- Selektive Dialogabschnitte muß der Benutzer abbrechen können. Verschiedene Arten des Beendens und ein Fluchtsymbol müssen permanent verfügbar sein (wichtig dabei: Sicherheit der Datenbestände).

- Vom Benutzer müssen bei ähnlichen Aufgaben einheitliche Aktionen gefordert werden.

- Jedes Bildschirmlayout muß so aufgebaut sein, daß gleichartige Information jeweils an derselben Stelle des Bildschirms wiederzufinden ist (Ortscodierung).

- Der Benutzer muß wissen, daß das System seinen Auftrag behandelt und nicht etwa auf weitere Eingaben wartet.

- Bei längeren Vorgängen müssen Zwischenausgaben beziehungsweise Vollzugsmeldungen den Stand der Bearbeitung anzeigen.

- Der Zustand der Auftragsbearbeitung muß dem Benutzer erkennbar gemacht werden.

- Es muß dem Benutzer situationsabhängige Auskunft gegeben werden können. Die Auskunft muß sich sowohl auf die Daten als auch auf die Steuerung des Programms beziehen können.

- Es muß dem Benutzer die Wirkung seiner Eingabe unmittelbar als Rückkoppelung erkennbar gemacht werden.

- Die Antwortzeit soll für die gleichen Ein- und Ausgaben nicht zu stark variieren.

- Dem Benutzer muß jederzeit Auskunft über den Systemzustand ermöglicht werden.

- Das System muß dem Benutzer stets auf die drei dringendsten Fragen Antwort geben:

- Wo bin ich?

- Was kann ich jetzt machen/ nicht machen?

- Wie kann ich dahin kommen, wo ich hin will?

- Ein Hinweis auf erlaubte Zeichen, Sprachelemente oder Wörter kann ein Nachschlagen in der Bedienungsanleitung überflüssig machen.

- Bei Eingabefehlern und Ausgabe einer Fehlermeldung darf das System nicht sofort die Arbeit einstellen.

- Nachdem ein Fehler festgestellt wurde, muß der Benutzer seine Arbeit sinnvoll fortsetzen können und nicht jedesmal von vorn beginnen müssen.