Den Programmen für Mikrocomputer fehlt häufig noch die optimale Benutzerschnittstelle:

Ergonomen müssen Mikro-Software gestalten

11.12.1981

Wie ergonomisch gestaltete Bildschirm-Arbeitsplätze auszusehen haben, weiß mittlerweile fast jeder, der einmal mit Computern zu tun hatte. Bedauerlich ist, daß dem Thema Software-Ergonomie bisher nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Dabei kann unergonomische Software selbst beim gelassensten Bediener binnen einer halben Stunde Angstzustände erzeugen.

Nach allgemeiner Auffassung ist nicht nur die Programmierung, sondern auch die Bedienung eines Computers eine kaum erlernbare Geheimwissenschaft. Um diese Vorurteile abbauen zu können, muß man schlagkräftige Beweise erbringen. Daß die mechanische Bedienung eines Computers gar nicht so schlimm sein kann, ist angesichts der geringen Anzahl von Schaltern an der Hardware noch erklärbar. Jedoch läßt sich dadurch nicht die Angst vor der Kommunikation mit dem Rechner beseitigen, vor allem, wenn sich am Bildschirm nur fachchinesische Ausdrücke tummeln.

Dabei kann man es dem einzelnen Programmierer kaum anlasten, daß er nicht einige Semester Didaktik und Design studiert hat, um sein Programm mit einer optimalen Benutzerschnittstelle zu versehen. Es ist vielmehr an der Zeit, daß Ergonomen den Programmierern praktische Anweisungen geben, wie Software gestaltet sein soll: Nur wenn ein Maximum an Komfort bei der Kommunikation gegeben ist, hat der Mikrocomputer eine Chance, in allen Kreisen Verbreitung zu finden.

Geschlossener Auswahlblock

Beim Mikrocomputer kommt noch erschwerend hinzu, daß der typische Bediener ein vollkommener Computerlaie ist und sich mitunter sogar in dem Sachgebiet, das er mit Hilfe des Computers bearbeiten soll, nicht sonderlich gut auskennt. Andererseits ist der Mikro aufgrund seiner begrenzten Leistungsfähigkeit wesentlich schwerer zu programmieren als seine mittleren und großen Brüder.

Anhand des Programmes Ibis sollen einige Lösungsbeispiele für das Ergonomie-Problem vorgestellt werden. Ein wesentlicher Anteil des Dialoges mit diesem Programm entfällt auf die Menütechnik. Die Auswahlmenüs weisen folgende Eigenschaften auf:

Im oberen Bildschirmbereich erfolgt eine deutliche Anzeige des Programmteiles, in dem man sich gerade befindet. Eine Auflistung der anwählbaren Programme im Klartext wie "Stammdaten erfassen" schafft Vertrautheit im Gegensatz zu Kürzeln wie etwa "STER.XY22". Dabei stehen die Programmbezeichnungen linksbündig und die zugehörigen Aufrufkürzel rechtsbündig untereinander. Die optische Verbindung wird horizontal durch eine punktierte Linie hergestellt. Diese Darstellung ergibt einen geschlossenen Auswahlblock.

Die Aufrufkürzel bestehen aus zwei Buchstaben, die sich logisch aus der Programmbezeichnung ableiten lassen. In der Regel sind es die beiden Anfangsbuchstaben des Programmnamens. Der Vorteil der Buchstaben gegenüber Zahlenkürzeln liegt darin, daß sich bei mehreren Menüs durch die logische Verknüpfung der Buchstaben zum Programmnamen eine wesentlich höhere Merkfähigkeit ergibt als bei Zahlen, die in den unterschiedlichen Menüs verschiedene Bedeutung haben.

Die unteren Bildschirmzeilen sind in allen Menüs und Programmteilen als Systembereich reserviert. Hier läuft der eigentliche Dialog zwischen Programm und Bediener. Zum einen, wird die jeweilige Eingabe des Anwenders angezeigt, zum anderen werden hier Fehlermeldungen oder sonstige Hinweise an den Bediener ausgegeben.

Menüs hierarchisch aufgebaut

Unzulässige Eingaben nimmt das System durch Prüfung der Grund-Plausibilität gar nicht erst an, sondern meldet optisch und akustisch einen Fehler. Dies führt schon auf unterster Ebene zur Vermeidung von Fehlbedienungen.

Die einzelnen Auswahlmenüs sind hierarchisch aufgebaut: Von einem Hauptmenü wählt man sich per Dialog stufenweise vor bis zum benötigten Teilprogramm. Der bereits mit

dem Programm vertraute Bediener hat jedoch auch die Möglichkeit, das gewünschte Unterprogramm direkt vom Hauptmenü aufzurufen, indem er die benötigten Rufkürzel bei der ersten Eingabe aneinanderfügt.

Während bei großen EDV-Anlagen die Maskentechnik, das heißt Darstellung von Erfassungsformularen mit festen Eingabefeldern, längst keine Besonderheit mehr darstellt, ist bei den meisten Mikrocomputern eine ähnliche Realisierung nicht ohne einen tieferen Eingriff in das Betriebssystem möglich. Ausschlaggebend für eine ergonomische Bildschirmgestaltung ist aber nicht nur die Maskentechnik, sondern auch was man daraus macht.

Daten logisch verteilt

Der generelle Aufbau der Erfassungsbildschirme bei Ibis, ähnelt dem der Auswahlmenüs: allgemeine Hinweiszeile am oberen Bildschirmrand, blockweise Darstellung des Erfassungsteiles und Systembereichs im unteren Bildschirmteil.

Ein Bildschirm enthält jeweils eine an sich geschlossene logische Erfassungseinheit. Sollte für einen Datensatz ein Bildschirminhalt nicht ausreichen, so sind die Daten, wie beim Programmteil Adreßerfassung, logisch auf mehrere Bildschirme verteilt. Beispiel: Bildschirm 1 für adressenspezifische, Bildschirm 2 für auftragsbezogene Daten des Kunden. Auf einfachen Tastendruck läßt sich zwischen den einzelnen Bildschirmen hin- und herblättern.

Die einzelnen Felder eines Bildschirmes zeigen durch Unterstrich die maximale Länge an, die für die Dateneingabe zur Verfügung steht.

Ende des Feldes

Innerhalb eines Feldes sind neben den in der Grundplausibilität festgelegten Zeichen auch Cursorbewegungen ohne Beeinträchtigung des Inhaltes sowie das Löschen und Einfügen von Zeichen zugelassen. Stößt man an das linke oder rechte Ende des Feldes, erfolgt eine akustische und optische (Blinken des Feldes) Meldung.

Zwischen den einzelnen Eingabefenstern eines Bildschirmes kann man beliebig vor- und zurückspringen und dadurch Eingaben oder Änderungen in jeder gewünschten Reihenfolge machen. Dadurch ergibt sich eine derart komfortable Korrekturmöglichkeit, daß keine Fehlerangst und dadurch bedingte Fehleranfälligkeit beim Bediener aufkommt. Ebenso läßt sich die Bildschirmmaske von jedem beliebigen Feld aus verlassen. Um einen versehentlichen Abbruch zu verhindern, müssen jedoch zwei Tasten gleichzeitig gedrückt werden.

Durch die Korrekturmöglichkeiten innerhalb der Bildschirmmaske, ergibt sich ein weiterer Bedienungsvorteil. Mit demselben Maskenaufbau lassen sich sowohl Neuerfassungen als auch Änderungen von Datensätzen durchführen.

Nebensächlichkeiten bedenken

Im Bereich der Cursorsteuerung konnten sich die Fachleute bisher nicht einigen, ob nun ein blinkender oder statischer Cursor bedienerfreundlicher sei. Hauptargument für den statischen Cursor ist, daß das ständige Blinken am Bildschirm den Benutzer unbewußt belastet. Andererseits läßt sich aber ein blinkender Cursor auf einem weitgehend beschriebenen Bildschirm wesentlich leichter lokalisieren.

Man kann versuchen, beiden Argumenten gerecht zu werden. Immer wenn davon ausgegangen werden kann, daß für den Bediener eine Orientierungshilfe angebracht sein könnte wie beim Sprung in ein neues Eingabefeld oder wenn die Eingabetätigkeit für einen gewissen Zeitraum unterbrochen wurde, beginnt der Cursor zu blinken. Andernfalls bleibt der Cursor statisch.

Die Ausführungen zeigen, daß allerhand "Nebensächlichkeiten" zu bedenken sind, will man den Mikrocomputer zu einem Werkzeug machen, mit dem gerne und effektiv gearbeitet wird.

* Hans Beck, SM Softwareverbund Mikrocomputer GmbH, München