Ergebnisse des dritten Quartals nach unten korrigiert Oracle revidiert Finanzberichte und ändert die Buchungspraxis

05.04.1991

MÜNCHEN (qua) - Berichten führender Finanzzeitungen zufolge will die Oracle Corp. ihre Umsatzbewertung ändern sowie die in der Vergangenheit erzielten Ergebnisse "signifikant" nach unten korrigieren. Das Unternehmen habe seine Rücklagen für nicht einklagbare Außenstände von 42 auf 84 Millionen Dollar erhöht, wovon sieben Millionen bereits in die Bilanz des dritten Quartals 1990/91 eingeflossen seien.

Der Entschluß, den der wegen seiner Buchungspraxis in die Schlagzeilen geratene Software-Anbieter mit Sitz im kalifornischen Redwood City jetzt faßte, steht im Zusammenhang mit einem jüngst formulierten Positionspapier des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA). Dessen für die US-Aktiengesellschaften verbindliche Regeln sehen demnächst wahrscheinlich vor, daß Umsätze nur dann verbucht werden dürfen, wenn die Produkte tatsächlich geliefert beziehungsweise die Dienstleistungen erbracht sind. Maintenance-Gebühren müssen demnach künftig auf zwölf Monate verteilt werden.

Wie Oracle gegenüber dem New Yorker "Wallstreet Journal" und der in London erscheinenden "Financial Times" einräumte, trat unlängst eine Reihe von "Verfahrensfehlern" zutage Dazu zählen "Doppelverbuchung und nicht protokollierte Stornierungen", die sich, so das Unternehmen, auf die in der Vergangenheit verbuchten Finanzergebnisse ausgewirkt hätten. Ein "beträchtlicher" Teil der bereits verbuchten Außenstände müsse demzufolge abgeschrieben werden.

Folglich werde Oracle die finanziellen Ergebnisse eines bislang nicht genannten Zeitraums revidieren.

Erste Schritte in diese Richtung taten die Kalifornier, als sie die Ergebnisse des am 28. Februar 1991 beendeten dritten Quartals formulierten. Nicht nur, daß sie den Gewinn vor Steuern - zum Ausgleich vorangegangener Bilanzen - um sieben Millionen Dollar reduzierten; darüber hinaus glichen sie ihre Umsatzbewertung den zu erwartenden AICPA-Regeln an, wodurch sich das Vierteljahres-Einkommen nach Angaben des Unternehmens um drei Millionen Dollar verringert. Die geänderte Buchungspraxis resultiere in einem fälschlich als Umsatz verbuchten Betrag von insgesamt 53 Millionen Dollar.

Cash-flow-Probleme in Angriff genommen

Nicht zuletzt wegen der finanziellen Neuorientierung blieben die Ergebnisse des jüngsten Quartals hinter den Erwartungen der Analysten zurück. Der Netto-Gewinn von 12,1 Millionen Dollar war nur noch halb so hoch wie im Vergleichsquartal des Vorjahres (24,3 Millionen), der Umsatz lag mit 269 Millionen Dollar allerdings etwas höher als im dritten Viertel des Geschäftsjahres 1989/90 (236,4 Millionen).

In Anbetracht der Tatsache, daß Oracle das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres mit einem Verlust von 36 Millionen Dollar abgeschlossen hatte, können die jetzt veröffentlichten Zahlen wohl als ermutigend bezeichnet werden. Branchenbeobachter äußerten die Ansicht, daß sich das Unternehmen bemühe, seine Cash-flow-Probleme in den Griff zu bekommen.

Wie riskant seine Geschäftspraktiken tatsächlich waren, mußte der einstige Investoren-Liebling bereits im Januar dieses Jahres erfahren, als seine Gläubiger ihm den Kreditrahmen von 250 Millionen auf 170 Millionen Dollar beschnitten. Einer Meldung des britischen Informationsdienstes Computergram zufolge erklärt sich Oracle damit einverstanden, um eine Änderung der geltenden Kreditbestimmungen zu erwirken; andernfalls wäre das Bankenkonsortium - aufgrund des schwachen ersten Quartals - berechtigt gewesen, die Rückzahlung der Kreditsumme zu fordern, was die Zahlungsunfähigkeit des Software-Unternehmens nach sich gezogen hätte.

Infolge der jüngsten Ankündigungen schwebt dieses Damokles-Schwert erneut über den Kaliforniern. So spekulieren die Markt-Auguren denn auch nicht mehr ob, sondern wer sich an dem Software-Anbieter beteiligen wird. Der für Investoren-Angelegenheiten zuständige Oracle-Manager Mike Musson räumte gegenüber Computergram lediglich ein, daß sich das Unternehmen nach alternativen Finanzquellen umsehe.