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Ergänzungstarifvertrag: Siemens sichert 2000 Arbeitsplätze in NRW

25.06.2004

Entwarnung bei den Siemens-ICM-Standorten in Kamp-Lintfort und Bocholt: Nachdem sich Gewerkschaft und Mitarbeiter bereit erklärt hatten, die Einführung der 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich und weitere Kürzungen zu akzeptieren, legte der Münchner Elektronikkonzern seine Pläne zur Verlagerung von 2000 Arbeitsplätzen nach Ungarn vorerst auf Eis. Während die IG Metall von einer Ausnahmeregelung spricht, befürchten Kritiker, dass es nun zu ähnlichen Abschlüssen mit anderen Unternehmen kommen könnte und somit die Löcher im Tarifvertrag immer größer werden.

Siemens und IG Metall hatten sich in der Nacht zum Donnerstag auf einen Ergänzungstarifvertrag für die Mitarbeiter der Handy-Fertigung in den beiden Werken der Unternehmenseinheit Information and Communication Mobile (ICM) in Nordrhein-Westfalen geeinigt: Um den Abbau von 2000 Stellen in der Handy-Fertigung zu verhindern, gewähren die Angestellten dem Konzern das Recht, unter bestimmten Umständen die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zu verlängern. Zusätzlich können Urlaubs- und Weihnachtsgeld durch eine erfolgsabhängige „Jahreszahlung“ ersetzt werden. Konzernchef Heinrich von Pierer wertete die Einigung mit der Arbeitnehmervertretung als "Sieg der Vernunft". Er sei zuversichtlich, dass sein Unternehmen weitere lokale Bündnisse für Arbeit abschließen könne. Aktuell stehen bei Siemens noch die Arbeitsplätze von 2300 Mitarbeitern in Kirchheim-Teck, Bruchsal, Nürnberg und Karlsruhe zur Disposition.

Aus Sicht des Arbeitszeitexperten Steffen Lehndorf führten Einigungen dieser Art jedoch mittelfristig Beschäftigte und auch die Unternehmen in eine Sackgasse. Wer die internationale Konkurrenzfähigkeit deutscher Betriebe durch Lohnsenkungen und Mehrarbeit beheben wolle, werde in ein bis zwei Jahren wieder vor der gleichen Situation stehen, erklärte der Dozent vom Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik (IAT) der "Berliner Zeitung". "Nur dann wird es um die Einführung der 45-Stunden-Woche gehen", so Lehndorf. Sein Tipp: Unternehmen wie Gewerkschaften sollten aufhören, sich mit der "zweiten Liga der Billigproduzenten" zu messen und statt dessen den Wettbewerb mit der "ersten Liga der Hochlohnländer" suchen. (mb)