"Erfolgsformel der 80er Jahre zieht nicht mehr"

21.02.1992

Mit Eckhard Pfeiffer, President und CEO der Compaq Computer Corp., Houston, sprachen die CW-Redakteure Beate Kneuse und Heinrich Seeger.

Jahrelang galt Compaq als der PC-Highflyer schlechthin. Doch verwöhnt vom steilen Aufstieg der von Rod Canion Anfang 1982 gegründeten Company, versäumte es das Management, sich rechtzeitig auf veränderte Marktbedingungen einzustellen. Folge: Im vergangenen Geschäftsjahr gingen Umsatz und Gewinn drastisch zurück, und Compaq-Chef Canion mußte seinen Platz dem deutschen Eckhard Pfeiffer überlassen, den er selbst als Nummer zwei Anfang 1991 nach Houston geholt hatte. In den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit sorgte Pfeiffer bereis für Furore. So will Compaq nicht mehr nur ausschließlich Hochleistungs-PCs bauen, sondern künftig auch im preisaggressiven Low-end-Markt mitmischen.

CW: Herr Pfeifer, Sie sind der erste Deutsche, der einem amerikanischen DV-Unternehmen vorsteht - eine Tatsache, die Sie sicher stolz macht. Allerdings haben Sie auch ein schweres Erbe angetreten. Jahrelang wurde Compaq von immer neuen Rekord-ergebnissen verwöhnt jetzt müssen Sie gegen drastische Umsatz- und Gewinnstürze kämpfen. Markt- schwäche und Preiskrieg sind sicherlich plausible Gründe. Aber kam nicht auch Compaqs Umstrukturierung zu spät?

Pfeiffer: Das ist richtig. Die Erfolgsfomel der 80er Jahre war so bestechend erfolgreich, daß wir versäumten, uns rechtzeitig davon zu lösen. Man bekommt zwar Signale vorn Markt, die man umsetzen sollte, aber dann sind eben die Antennen noch nicht ganz ausgefahren und man läßt die Signale zulange an sich vorbeigehen. Das war unser Fehler.

CW: Wie sah die Erfolgsformel der 80er Jahre für Compaq aus?

Pfeiffer: Sie bestand darin, Hochleistungs-PCs zu bauen und idealerweise Marktführer zu sein, was das Etablieren der Produkte anbelangte. Das haben wir 1986 mit der Vorstellung der 386er PCs geschafft und auch immer beibehalten.

Weiterer Bestandteil der Erfolgsformel war, diese Produkte ausschließlich über den Händlervertriebsweg zu verkaufen. Dies aber führte wiederum dazu, daß unsere Bindung an die Händler und die gegenseitige Loyalität außerordentlich stark wurden.

Daran wollte niemand rütteln. Aber die Erfolgsformel der 80er Jahre zieht nicht mehr. Als wir dies erkannten und beschlossen, etwas zu unternehmen, war schon einige Zeit ins Land gegangen.

CW: Sie richten sich nun stark auf den Notebook-Bereich aus. Kommt dieser Schritt nicht auch zu spät? Dem Markt wird zwar ein großes Wachstum prognostiziert, nur ist die Konkurrenz bereits groß.

Pfeiffer: Ich will diese Betrachtung nicht in Frage stellen. Aber: Die allerersten Notebook-Produkte kamen von uns, nämlich der LTE und der LTE286. Danach haben wir den 386er in Angriff genommen, auch als eine Punktlösung - und da lag vielleicht, wenn überhaupt, ein Versäumnis.

Es war ein Hochleistungsgerät, während wir im mittleren und Einstiegsbereich nichts anboten. So haben wir es verpaßt, den Markt an uns zu ziehen, und ihn vielen Konkurrenten überlassen.

CW: Wie groß schätzen Sie das Wachstumspotential dieses Marktes für Compaq in den nächsten Jahren ein?

Pfeiffer: Da wir jetzt das gesamte Spektrum abdecken wollen, halte ich die Zuwachsraten für immens. Wir haben gerade zwei neue Notebooks vorgestellt - Spitzenprodukte, deren Preise aber wesentlich konkurrenzfähiger sind, als man das von uns gewöhnt ist.

Nachschieben werden wir ein oder auch mehrere Einstiegsmodelle. Damit beginnen wir, den Markt in die Zange zu nehmen.

CW: Sie sehen alle PC-Bauteile heute als ausgereift an. Andererseits aber war zu hören, daß Sie das Komponenten-Sourcing der Billiganbieter auf Spot-Märkten als Gefahr für deren Produktqualität sehen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Pfeiffer: Wer Produkte baut und auf professionelle Qualität Wert legt, muß versuchen, Komponenten zu bekommen, die in ihrer Spezifikation möglichst gleich bleiben.

Wir prüfen Komponenten auf Herz und Nieren, bevor wir sie für die Produktserie freigegeben. Dann wird durch Spezifikationen die Konsistenz sichergestellt. Die geschieht im Spot-Market nicht. Da weiß man nie so genau, was man bekommt.

CW: Also liegt es an der Spezifizierung und Verifizierung der Qualität der Komponenten im Hause des PC-Anbieters selbst und nicht am Sourcing?

Pfeiffer: Richtig.

CW: Aber wenn Sie in Ihrem Hause die Komponenten verifizieren, könnten Sie doch ebenfalls Spot-Ware einkaufen und dadurch Ihre Kosten herunterschrauben.

Pfeiffer:In der Regel aber können Sie Spot-Ware nicht zurückgeben oder reklamieren. Außerdem haben wir ein Brand-Name-Image zu verantworten.

CW: Als Systemanbieter, der Sie werden wollen, zum Teil - wie Sie behaupten - auch schon sind, müssen Sie unter anderem in vertikale Anwendungsmärkte hinein. Dieses Lösungsgeschäft ist aber schwerer durchschaubar als nur der Verkauf von Hardboxes. Auch konfrontiert es Sie mit einer Menge von Wettbewerbern. Haben Sie keine Angst, sich dabei zu verzetteln?

Pfeiffer: Das Systemgeschäft ist eine echte, neue Marktchance, die wir wahrnehmen müssen und auch können. Mainframes und Minicomputer werden durch Lösungen ersetzt, die wir zu bieten haben.

Das sind Alternativen, die sich für den Anwender zum Teil bis zu 60 Prozent kostengünstiger darstellen als die traditionellen Lösungen. Weshalb sollten wir dies einem Konkurrenten überlassen?

Wir gehen unbeschwert an dieses Geschäft heran und haben in den vergangenen zwei Jahren gute Erfahrungen gemacht. Sicherlich mischen dort auch Hersteller wie DEC, IBM oder Hewlett-Packard mit. Nur -je mehr sie dort aktiv werden, um so mehr haben sie im eigenen Hause zu verlieren, indem sie nämlich ihre eigenen Minicomputerlösungen ersetzen.

CW: Sie haben eben die Vertriebskanäle angesprochen. Warum wehrt sich Compaq eigentlich so vehement dagegen, in den Direktvertrieb einzusteigen?

Pfeiffer: Der Trend bewegt sich einfach weg vom exklusiven Direktvertrieb, so wie er früher in der Computerindustrie gang und gäbe war. Die Fakten beweisen, daß 80 Prozent aller PCs über den indirekten Vertriebskanal den Kunden erreichen, nur 20 Prozent gehen direkt vom Anbieter zum Anwender. Damit hat sich genau das entwickelt, was wir schon in den frühen 80er Jahren sahen, sowohl in den USA als auch in Europa. Ich glaube nicht, daß die Industrie eine totale Kehrtwendung macht und man plötzlich alle diese Produkte wieder direkt verkaufen kann.

CW: Kommen wir auf Ihren Vorgänger Rod Canion zu sprechen. Seine Ablösung kam sehr abrupt. Welche Fehler hat er gemacht?

Pfeiffer: Rod Canion hat Compaq neun Jahre lang sehr erfolgreich geführt, hat dann aber nicht die gravierenden Veränderungen in der Industrie wahrgenommen. Dies rührt möglicherweise daher, daß er stark technisch vorbelastet ist. Für ihn waren das Produkt, die Spezifikation, die High-Performance etc. die entscheidenden Dinge. Darauf kam es in der Vergangenheit ja auch an. Nur - in dem Moment, da der Markt dies als gegeben hinnahm und viele Konkurrenten bis hin zum 486er aufschlossen, hätte eine Weichenstellung erfolgen müssen - nicht zuletzt auch aufgrund der Rezession in den USA, des geringen Marktwachstums, des veränderten Verbraucherverhaltens, hervorgerufen durch gewachsenes Know-how. Dies geschah nicht und führte somit zum relativ schnellen Niedergang Compaqs. Bei den Überlegungen, welche Änderungen nötig sind, hatte Canion andere Ansichten als der Board. So kam es zu seinem Rücktritt.

CW: Dieser war aber nicht ganz freiwillig. Die Entscheidung traf doch der Board of Directors.

Pfeiffer: In den USA hat der Board of Directors wesentlich mehr Einfluß auf das Unternehmen als der hiesige Aufsichtsrat. Die einzelnen Verwaltungsratsmitglieder hielten bei Compaq Änderungen in der Kostenstruktur und im Marketing-Bereich, die Dinge, die ich seit meinem Eintreffen in den USA Anfang 1991 vorangetrieben hatte, für unerläßlich. Für Canion wiederum waren gerade diese Gebiete Randerscheinungen. Er stellte sich nicht dagegen, hielt sie aber auch nicht für so wichtig. Damit mußte der Board entscheiden, Canion noch ein Jahr weiterwirken zu lassen in der Hoffnung, daß er macht, was der Board für richtig hält, um das Ruder herumzuwerfen, oder aber künftig auf die Nummer zwei zu setzen, die gerade in den genannten Bereichen schon einiges bewegt hatte.

CW: Herr Pfeiffer, Sie haben in den vergangenen Wochen immer wieder auf Ihre Freundschaft zu Canion hingewiesen. Es fällt auf, daß in der Geschäftswelt immer dann von Freunden gesprochen wird, wenn die so bezeichnete Person gerade abgeschossen wurde beziehungsweise kurz vor dem Abgang steht. Warum ist das so?

Pfeiffer: Wenn ein Managementteam zusammen funktioniert, so wie es bei Compaq lange Zeit war - im Gegensatz zum Beispiel zu Apple -, stellt niemand Fragen über zwischenmenschliche Beziehungen. Mein Verhältnis zu Canion wurde erst interessant, als er abgesetzt worden war und sich dies niemand erklären konnte. ich kann nur immer wieder sagen: Seit meinem Einstieg bei Compaq 1982/83, den ich mir lange überlegt habe, entstand zwischen Canion und mir eine enge Freundschaft. Vielleicht auch deshalb, weil wir uns gegenseitig Respekt zollten für das, was wir geleistet haben ich schätzte ihn als Gründer und Präsident des Gesamtunternehmens, er mich, weil ich Compaq in Europa aufgebaut und groß gemacht habe.

CW: Sind Sie jetzt noch mit Canion befreundet?

Pfeiffer: Unsere Verbundenheit hat durch diese Geschichte natürlich einen Knacks bekommen. Es ist schwer zu verwinden, als Gründer, als erfolgreicher Manager innerhalb relativ kurzer Zeit abserviert, zu werden und keine Chance zu bekommen, vielleicht doch noch das Ruder herumzureißen.