Digitalisierung ist mehr als eine kosmetische Veränderung

Erfolgsfaktoren auf dem Weg zum digitalen Unternehmen

12.12.2017
Von 


Carsten Sensler ist Gründer der ArtOfArc und berät Kunden im Kontext ihrer Transformation in den verschiedensten Dimensionen. Bis Ende 2013 war er Angestellter eines großen Telekommunikationskonzerns als Vice President „Technology, Architecture and Operation“ und Mitgründer eines strategischen Konzerngeschäftsfelds. Im November 2015 erschien sein Buch „Business Enterprise Architecture - Praxishandbuch zur digitalen Transformation in Unternehmen“. Neben seinen beruflichen Herausforderungen konnte Carsten an der Henley Business School (UK) erfolgreich den Masterstudiengang in „Enterprise Information Management“ absolvieren.
Was sind die Herausforderungen beim Aufbau zukünftiger Geschäftsmodelle im Kontext der Digitalisierung? Dieser Artikel betrachtet die Digitalisierung unter den Anforderungen der zukünftigen Geschäftsmodelle eines digitalen Unternehmens.

Jeder hat - abhängig von seiner Rolle, seinen Interessen und Schwerpunkten, sowie seiner Arbeitsumgebung - ein anderes Verständnis von Digitalisierung und digitaler Transformation; so auch die verschiedenen Rollen in der Industrie. Im Marketing-Umfeld wird Digitalisierung als modernes Content Marketing, Social Media Marketing oder AdTech ausgelegt. Im Kontext der Software-Entwicklung werden besonders die Aspekte rund um Continuous Delivery oder DevOps als Digitalisierung dargestellt.
Sensorik (IoT), Smart Analytics, aber auch eine reine Effizienzsteigerung beziehungsweise Modernisierung einer existierenden IT, werden häufig ebenfalls unter Digitalisierung verstanden. Allgemein kann man sagen, die Digitalisierung oder auch digitale Transformation ist der Weg der Veränderung eines Unternehmens hin zu einem digitalen Unternehmen.

Kosmetische Korrekturen in einigen Geschäftsprozessen reichen nicht aus, um ein Unternehmen zu digitalisieren.
Kosmetische Korrekturen in einigen Geschäftsprozessen reichen nicht aus, um ein Unternehmen zu digitalisieren.
Foto: Elnur - shutterstock.com

Wichtig ist: Digitalisierung ist deutlich mehr als nur die Investition in digitale Technologien, oder in smarte Geschäftsprozesse sowie trendige Zusammenarbeits- und Organisationsformen. Digitalisierung bedeutet das zukünftige Geschäft eines Unternehmens völlig neu zu gestalten.

Wie gehen Unternehmen mit diesem Veränderungsdruck um?

Die Beantwortung dieser Frage war die treibende Kraft, eine internationale Studie zur digitalen Transformation anzufertigen. Ziel war es, die kritischen Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation herauszuarbeiten und konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten, um den Ergebnissen eine hohe Praxisrelevanz zu geben, die in vielen anderen Studien nicht gegeben ist.

Die Umfrage zur DX - Studie 2017 wurde mit mehr als 100 Teilnehmern vornehmlich aus Europa durchgeführt. Wobei mehr als 75 Prozent der Teilnehmer aus dem Management der beteiligten Unternehmen kommen.

Der Ausgangspunkt der Studie war, in welcher Phase der Digitalisierung sich die Unternehmen befanden und wie der Erfolg der damit verbundenen Aktivitäten eingeschätzt wurde. Wie aus Abbildung 1 zu entnehmen ist, haben ein Großteil der Unternehmen die Digitale Transformation bereits in Angriff genommen und befinden sich entweder mitten in der Umsetzung (63%) oder starten gerade damit (23 %).

Abbildung 1: Status der Transformation der befragten Unternehmen der DX-Studie 2017
Abbildung 1: Status der Transformation der befragten Unternehmen der DX-Studie 2017
Foto: Carsten Sensler

Lesetipp: Buchrezension: Szenarien einer digitalen Welt - heute und morgen

Wachstum, Stillstand oder Schrumpfen?

Traditionelle Geschäftsmodelle stehen stark unter Druck und ein Wandel ist unausweichlich. In manchen Industrien früher, in anderen später, aber dass ein Wandel vollzogen werden muss, ist den meisten Unternehmen klar (sh. Abbildung 2). Neue Geschäftsmodelle greifen Marktanteile traditioneller Geschäftsmodelle ab. Viele Erfolgsbeispiele beziehen sich zwar auf Unternehmen, die von Anfang an digital gestartet sind, wie Uber oder Airbnb. Inzwischen sehen aber auch viele traditionelle Unternehmen die veränderten Marktgegebenheiten und die Möglichkeiten neuer Technologien als Chance.

Abbildung 2: Notwendigkeit der Veränderung
Abbildung 2: Notwendigkeit der Veränderung
Foto: Carsten Sensler

Notwendigkeit der Veränderung

Die aktuelle Notwendigkeit zur Veränderung ist jedoch anders als in den letzten Jahrzehnten. Denn die übliche Fragestellung "Was wirkt auf uns?" wird grundlegend anders beantwortet, insbesondere weil die Treiber der Veränderung nicht mehr zu einer evolutionären Weiterentwicklung bestehender Produkte führen (bessere Autos mit weniger Kraftstoffverbrauch, schickerem Interieur etc.). Sie führen zu radikaleren beziehungsweise disruptiven Veränderungen, die uns eher von einer Revolution sprechen lassen (z.B. plattform-basierte Geschäftsansätze wie Mobility as a Services).
Drei Treiber seien hier besonders hervorgehoben.

Drei wesentliche Treiber der Veränderung

Der erste Treiber ist das veränderte Konsumverhalten in der Gesellschaft.
Die so genannten Digital Natives, die Generation-Y & Generation-Z, haben neue Erwartungen. Diese lassen sich im folgenden Zitat treffend zusammenfassen: "um Digital Natives für sich zu gewinnen und dauerhaft zu halten, müssen Händler auf neue Wege der Kundenbindung setzen. Sie sollten ihre Kompetenzen und Methoden mit Blick auf digitales Shopping zwingend überdenken und neugestalten." Auch tritt der Wunsch nach Besitz immer stärker in den Hintergrund, was sich zum Beispiel in Trends wie Sharing Economy wiederspiegelt.

Ansatzpunkte diesen Erwartungen zu begegnen sind beispielsweise.:

  • Jederzeit Transparenz über Angebote und Preise

  • Einheitliches Kundenerlebnis, unabhängig vom gewählten Kanal

  • Personalisierte Interaktion mit Relevanz

  • Abonnement-basierte Geschäftsmodelle

Der zweite Treiber sind neue Technologien.
Sie haben das Potenzial, die Möglichkeiten in der Ausgestaltung von Geschäftsmodellen zu revolutionieren. Charakteristisch sind hier die neuen Möglichkeiten zur Vernetzung auf inhaltlicher wie technischer Ebene. Als Beispiel sei Sensorik im Internet of Things genannt, wodurch neue - meist serviceorientierte - Geschäftsmodelle möglich werden, durch die sich Unternehmen vom reinen Produktanbieter zum Servicedienstleister wandeln können (z.B. John Deere[3]).

Lesetipp:Intelligent Parken mit NB-IoT - 11.000 Sensoren und die Cloud für Hamburgs Autofahrer

Der dritte Treiber ist der Markt selbst.
Die digitale Disruption fordert gestandene Unternehmen und deren Praktiken heraus. Typischerweise bedienen etablierte Unternehmen einen großen Kundenstamm mit traditionellen Geschäftsmodellen, die sie so lange wie möglich zu erhalten versuchen.
Aber es wird einen Wendepunkt geben, wenn das Festhalten an alten Praktiken nicht mehr nachhaltig ist. Da die etablierten Unternehmen im Vergleich zu den angreifenden Unternehmen langsamer sind, müssen sie den richtigen Zeitpunkt finden, um die notwendigen Änderungen vorzunehmen.

Diesen Treibern liegt zugrunde, dass sie eine hohe Affinität zur IT eines Unternehmens haben. Das heißt, ein wesentlicher Teil der Antwort auf den Digitalisierungsdruck liegt in der IT der Unternehmen. Diese ist aber in vielen traditionellen Unternehmen gekennzeichnet durch eine über Jahrzehnte gewachsene komplexe IT-Landschaft. Eine hohe Komplexität in der IT mündet jedoch häufig in einem Rückstand in der Modularisierung von Geschäftsfähigkeiten und einem Mangel an Flexibilität und Effizienz, was sich massiv auf die Ausgestaltung neuer Geschäftsmodelle auswirkt.

Mit diesen Treibern verändert sich der Stellenwert der IT deutlich. Bisher wurde die IT in den Unternehmen oftmals als reine Unterstützungsfunktion gesehen. Im Kontext der Digitalisierung wird sie aber ein Kernbestandteil der Produkte und Services der neuen digitalen Geschäftsmodelle.