IT-Support in Indien

Erfahrungen eines Mittelständlers mit Outsourcing

05.11.2018
Von 
Peter Steinhoff ist Professor an der Hochschule für Angewandtes Management in Ismaning.
Das Auslagern des IT-Support zum Beispiel nach Indien ist nach wie vor hinsichtlich der IT-Kosten attraktiv. Die auftretenden Probleme sind nicht zu unterschätzen, etwa fehlende Englischsprachkenntnisse, die dann wiederum erhebliche Kosten nach sich ziehen können.

Die Geschäftsführung eines international tätigen mittelständischen Konzerns fasste den Entschluss, bis 2020 einen Großteil der IT-Dienstleistungen zu zentralisieren und nach Indien auszulagern. Die Auslagerung sollte aber nicht ein externes Unternehmen vornehmen, sondern die Firma gründete dafür ein Tochterunternehmen in Indien.

Es ging darum, den First und Second Level Support ab dem Jahr 2020 zentral von Indien aus zu bearbeiten. Alle strategischen Arbeiten hingegen verbleiben weiterhin im Mutterkonzern. Die deutsche Tochter wurde als Pilot definiert und indische Kollegen betreuen die deutschen Mitarbeiter seit dem Jahr 2016 bei Themen rund um den IT-Helpdesk.

Generell heißt es: Das Ziel von Zentralisierung und Verlagerung eines IT-Supports stellt aus Unternehmenssicht eine effizientere Gestaltung aller IT-Prozesse dar. Durch die Verschiebung definierter IT-Dienstleistungen nach Indien sollen die Kosten für die Bereitstellung des Supports vor Ort gesenkt und zugleich eine hohe Qualität der Dienstleistung gewährt werden.

Die sprachlichen Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen, wenn der IT-Support nach Indien ausgelagert wird.
Die sprachlichen Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen, wenn der IT-Support nach Indien ausgelagert wird.
Foto: chainarong06 - shutterstock.com

In diesem Fall galt es zunächst zu klären, wie zufrieden die Anwender in der deutschen Tochtergesellschaft mit dem IT-Support bisher waren. Speziell sollte das Thema der Verlagerung nach Indien abgefragt werden. Im Anschluss an diese Ist-Analyse sollte die Definition von Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität des IT-Helpdesks sowie die Belegung dieser mit einem Best Practice Vorschlag stattfinden. Und als Drittes wollte man die zuvor definierten Maßnahmen zu einem Maßnahmenpaket ausformulieren. Dabei gab das Management konkrete Vorgehensweisen und Empfehlungen zur Umsetzung und Durchführung eines Change-Managements vor.

Rücklaufquote von 50 Prozent

Zu Beginn der Analyse der Ist-Situation fand zunächst eine qualitative Befragung im Unternehmen statt, die es ermöglichte, die Themenfelder der anschließenden quantitativen Erhebung zu identifizieren. Dazu wurden in zehn Interviews Mitarbeiter verschiedener Hierarchieebenen, Altersgruppen und Bereichszugehörigkeiten des Unternehmens zu ihren Erfahrungen mit dem IT-Helpdesk und der Umstellung befragt. Im Anschluss an die qualitative Befragung erfolgte eine quantitative Datenerhebung. 171 der 350 Mitarbeiter haben dabei teilgenommen, was einer Rücklaufquote von knapp 50 Prozent entspricht.

Die quantitative Analyse ergab Aufschlüsse über den Arbeitsalltag, den Umgang mit dem IT-Helpdesk sowie das Verhältnis der Befragten zu der Auslagerung. Dabei stellten wir fest, dass die meisten Mitarbeiter den Großteil ihrer täglichen Arbeitszeit am PC verbringen und sich mit diesem vertraut fühlen. Zwischen den Geschlechtern ließen sich keine signifikanten Unterschiede im Arbeitsalltag in Verbindung mit Computern feststellen. Jedoch zeichneten sich deutliche Unterschiede bei der Betrachtung der Altersstrukturen ab.

60 Prozent der Mitarbeiter von über 50 Jahren gaben an, in ihrem Arbeitsalltag zu mehr als 80 Prozent mit dem Computer zu arbeiten. Dies nimmt mit abnehmendem Alter zu, sodass in der Altersgruppe der Mitarbeiter unter 30 Jahren sogar über 85 Prozent ihrer Arbeitszeit am Computer verbringen. Festzustellen war des Weiteren, dass über 60 Prozent der Mitarbeiter den IT-Support mindestens ein bis zweimal im Monat kontaktieren. Am häufigsten traten laut Umfrage Mitarbeiter zwischen 31 und 40 Jahren mit dem IT-Helpdesk in Kontakt. Das verdeutlicht insbesondere die Relevanz einer zuverlässigen IT-Infrastruktur und den hohen Stellenwert einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung bei IT-Problemen.

Problematische Sprachbarrieren

Die englische Sprache zeichnet sich in der quantitativen Analyse als einer der Schlüsselstellen für die Akzeptanz und die Zufriedenheit mit der Zentralisierung und der Dienstleistungsqualität ab. Bei der Analyse der Ergebnisse konnte zweifelsohne festgestellt werden, dass zwischen den deutschen und indischen Kollegen eine deutliche Sprachbarriere besteht. Zwar gaben viele Mitarbeiter an, der englischen Sprache mächtig zu sein, jedoch hält eben diese Fremdsprache sie insbesondere mit zunehmendem Alter davon ab, den Support bei auftretenden Problemen zu kontaktieren.

So gaben knapp 40 Prozent der Mitarbeiter mit einem Alter über 50 Jahren an, dass die englische Sprache sie daran hindert, den IT-Support zu kontaktieren. Vermeidungsstrategien, wie das Befragen von Kollegen vor Ort oder eigene Recherche im Internet sind die Folge, wodurch Arbeitsabläufe in der deutschen Gesellschaft gestört werden und vermeidbare Kosten entstehen. Im Gegensatz dazu sind es bei den unter 30-Jährigen gerade einmal neun Prozent, die sich durch die Sprache beim Kontaktaufbau eingeschränkt fühlen, wobei 60 Prozent in der Sprache keine Barriere für sich sehen.

Auch beeinflusst die Sprachbarriere die Zufriedenheit mit der Dienstleistung. Je weniger vertraut sich die Mitarbeiter des Unternehmens mit der englischen Sprache fühlen, desto unzufriedener sind sie mit der Entwicklung von Lösungen durch den IT-Helpdesk und desto eher haben sie das Gefühl, dass die Dringlichkeit ihrer Probleme nicht genug Beachtung findet. Auch die Akzeptanz für internationale Kollegen nimmt mit steigender Sprachbarriere ab, was sich bei der Auswertung mehrerer Fragen zeigt. Dies ist insbesondere in einem international agierenden Konzern wie bei dem untersuchten Unternehmen von Nachteil.

Unterschiedliche Arbeitskulturen sind kein Hindernis

Positiv lässt sich feststellen, dass die Zufriedenheit mit der allgemeinen Qualität des IT-Helpdesks hoch ist, dass sich Probleme nach dem Empfinden der Anwender lösen lassen, und der Arbeitsalltag wird bei auftretenden Computerproblemen nicht gravierend gestört. Auch der Kontaktaufbau zum Support in Indien fällt den meisten Mitarbeitern leicht, wobei sich keine Tendenzen zu bevorzugten Kommunikationswegen ableiten lassen.

Jedoch bemängeln Mitarbeiter in der Umfrage, dass es ihnen nicht möglich ist, die Dringlichkeit bei auftretenden Problemen zu betonen. Sollten bei einschneidenden IT-Problemen Prozesse zu stark beeinträchtigt und kann dies dem Support nicht adäquat vermittelt werden, so könnte dies zu schwerwiegenden Auswirkungen für das Unternehmen führen.

Die Umfrage hatte des Weiteren ergeben, dass sich viele Mitarbeiter über die im Jahr 2015 begonnenen Umstellung des IT-Helpdesks und die daraus resultierende Zentralisierung des First- und Second-Level-Supports in der indischen Tochtergesellschaft nicht umfangreich genug in Kenntnis gesetzt fühlten. Dies führte in der Folge dazu, dass die Akzeptanz für Kollegen der indischen Tochtergesellschaft bei den Mitarbeitern in Deutschland tendenziell gering war.

Insgesamt 20 Prozent der Mitarbeiter können sogar die Existenzberechtigung des Unternehmens in Indien nicht nachvollziehen. Insbesondere bei zunehmender Sprachbarriere und zunehmendem Alter sinkt das Verständnis für die Auslagerung nach Indien. Über 70 Prozent der Mitarbeiter, die sich durch die englische Sprache bei der Kontaktaufnahme gehindert fühlen, sehen keine Daseinsberechtigung der indischen Kollegen.

Abschließend lässt sich sagen, dass Parallelen insbesondere in den Bereichen der sprachlichen Schwierigkeiten, des Projektmanagements und der IT-Infrastruktur gezogen werden können. Wider Erwarten konnten Probleme in der unterschiedlichen Arbeitskultur nicht durch die quantitative Erhebung bestätigt werden.

Der Text entstand in der Zusammenarbeit mit Antonia Luber, Kerstin Lux, Valentin Schneider, Johannes Wensauer und Alexander Wolfsteiner