Erfahrung macht den Unterschied

04.05.2005
Von Marc Voland
Nach zwei schwierigen Jahren auf dem Arbeitsmarkt stellen Anwender und IT-Dienstleister wieder ein. Gesucht sind vor allem SAP-Spezialisten mit Branchen- Know-how und Prozesswissen.

Die Headhunter rufen wieder an. Für Rosemarie Clarner, Personalchefin des Saarbrücker Software- und Beratungshauses IDS Scheer AG, ein untrügliches Zeichen: Der Arbeitsmarkt erholt sich. Etwa 200 SAP-Berater stellt der Spezialist für Geschäftsprozess-Management weltweit ein, rund 100 davon in Deutschland. Nicht nur die großen IT-Dienstleister, auch mittelständische Software- und Beratungshäuser wie die Bielefelder Lynx Consulting AG oder die Oldenburger BTC AG rekrutieren in diesem Jahr Mitarbeiter mit SAP-Know-how. Und sie sind bei weitem kein Einzelfall. Über 150 offene Stellen für Feste und Freie offeriert beispielsweise die Personalberatung Apentia im Auftrag verschiedener Unternehmen. "Auch Führungskräfte in fester Position schauen sich mittlerweile nach einer neuen Stelle um, ein Indikator dafür, dass der Markt in Bewegung kommt", so Michael Allimadi, Mit-Geschäftsführer des Personaldienstleisters.

Noch eindeutiger sind die Zahlen im Stellenmarktportal Jobpilot. Rund 3900 offene Positionen für SAP-Beratung, Einführung und Programmierung hatte die Online-Stellenbörse im ersten Quartal 2005 ausgeschrieben. Das sind 3200 Stellen mehr als in den ersten drei Monaten des Vorjahres.

Gibt man den Begriff "SAP" in die Suchmaske ein, fällt auf: Neben Beratungshäusern suchen vor allem Headhunter und Zeitarbeitsfirmen geeignete Kandidaten. Noch ist die Konjunktur allerdings ein zartes Pflänzchen. "Solange nicht klar ist, wie die weitere wirtschaftliche Entwicklung aussieht", so Christina Mankus, Geschäftsbereichsleiterin IT bei der Zeitarbeitsfirma DIS AG, "wollen die Unternehmen kein Risiko eingehen und setzen Mitarbeiter lieber für befristete Projekte ein". Insgesamt jedoch ist Mankus zuversichtlich, dass die Geschäfte wieder besser werden. Ihren Optimismus teilt sie mit dem Präsidenten des Branchenverbandes Bitkom, Willi Berchtold, der 2005 mit 10000 neuen Arbeitsplätzen rechnet. Zum anderen kommen neue Themen auf die Firmen zu, die handfeste IT-Investitionen notwendig machen: "Die Unternehmen haben drei Jahre lang kaum in neue IT investiert, die Kosten sind jetzt abgeschrieben. Zudem müssen sie mit neuen Anforderungen wie Basel II rechnen. Wer jetzt zögert, zahlt später drauf", so die Personalexpertin.

Keine lange Einarbeitung mehr

Galt zur Zeit des Booms das Motto: Jeder wird genommen, solange er weiß, wie ein Computer aussieht, suchen die Unternehmen heute für ihre IT-Aufgaben im Allgemeinen und SAP-Jobs im Besonderen erfahrene Mitarbeiter mit vier bis fünf Jahren Praxiserfahrung. "Wir arbeiten in einem Verdrängungsmarkt und brauchen deshalb Köpfe, die Wissen mitbringen und den Wert des Unternehmens steigern", sagt Martin Daum, Personalleiter bei BTC. Auch für Lynx gilt, dass sie zwar ein paar Newcomer einstellen, vor allem aber Kandidaten mit mehrjähriger Projekterfahrung benötigen. "Kunden akzeptieren es nicht mehr, dass Mitabeiter erst lange eingearbeitet werden", so Vorstand Roland Popall. "Sie müssen in den Projekten gleich loslegen können".

Das bedeutet nicht, dass Neueinsteiger keine Chancen haben. So sucht beispielsweise Accenture 350 SAP-Berater - ein Drittel mit Berufserfahrung, ein Drittel Einsteiger, die direkt von der Hochschule kommen, ein Drittel Trainees. "Da die Nachfrage nach Beratungsleistungen das Angebot an verfügbaren Mitarbeitern, die bereits SAP-Erfahrung mitbringen, bei weitem übersteigt, bieten wir Hochschulabsolventen den Direkteinstieg in die SAP-Beratung über ein eigenes Trainee-Programm an", sagt Simone Spacke, Leiterin Personal-Marketing von Accenture.

Netweaver kommt in Fahrt

Die Situation ist noch nicht dramatisch, aber es wird schwerer, gute Leute zu finden. Auch Clarner von der IDS Scheer sieht erste Engpässe auf dem Arbeitsmarkt: "Die Qualität der Bewerber ist im Durchschnitt gut, aber die wirklichen Spitzenkönner fehlen bereits jetzt. Wenn die Wirtschaft anzieht, könnte sich die Situation verschärfen."

Bedarf, so beobachtet DIS-Mangerin Mankus, haben die Unternehmen vor allem an Abap-Entwicklern, Modulbetreuern, Mitarbeitern für den User-Support und Experten, die als Inhouse-Berater eingesetzt werden. R/3 ist dabei das Maß aller Dinge, doch die Plattform Netweaver kommt zunehmend in Fahrt. Besondere Treiber sind die Einführung von Unternehmensportalen, Business Intelligence, Exchange Infrastructure (XI) und Master Data Management (MDM). Da es sich um junge Themen handelt, ist die Nachfrage nach Experten größer als das Angebot. Auch Popall von Lynx registriert eine Nachfrage seiner Kunden nach der neuen SAP-Technologieplattform, den richtigen Durchbruch prognostiziert er aber erst für die Zeit nach 2005. "Wirklich große Projekte sind selten, aber in ein bis zwei Jahren ist der Massenmarkt dafür vorhanden." Für den klassischen SAP-Entwickler bedeutet dies: Java gewinnt an Bedeutung und wird gleichberechtigt neben der SAP-Sprache Abap stehen.

Was die SAP-Module angeht, so lässt sich kaum ein gemein-samer Nenner finden. Die Projekte, für die Mitarbeiter gesucht werden, sind zu unterschiedlich. Personaldienstleister Apentia vermittelt Experten für fast alle Bereiche. Neben dem Software- und Modul-Know-how sollten die SAP-Fachleute vor allem Branchenkenntnisse, verbun- den mit dem Wissen und den Erfahrungen über die jeweiligen Prozesse, die in Schulungen kaum vermittelt werden, mitbringen.

Michael Schmitt, Mitglied der Geschäftsleitung von SAP Deutschland: "In der Beratung reicht das Wissen zu Teilmodulen unserer Software nicht aus. Wir brauchen Generalisten, die Geschäftsprozesse in IT umzusetzen können." SAP stellt in diesem Jahr weltweit 3000 Mitarbeiter ein, 600 davon in Deutschland.

Grundverständnis für den Vertrieb

Aber nicht nur Dienstleister, auch große Anwenderunternehmen wie Bayer sind auf der Suche nach SAP-Fachleuten. Personal-Manager Uwe Holländer stellt am liebsten Absolventen der Informatik, Wirtschaftsinformatik, Mathematik, Physik, Chemie , Ingenieurwissenschaften, aber auch SAP-Könner ein. Neben der fachlichen Qualifikation erwartet Holländer unter anderem "analytische und konzeptionelle Fähigkeiten, Engagement, Initiative, Kundenorientierung, Überzeugungskraft sowie eigenverantwortliches Arbeiten". Wichtig sei für die internationalen Tätigkeiten das Beherrschen der englischen Sprache. Eingesetzt werden die neuen SAP-Mitarbeiter im Projekt-Management von IT-Projekten, als Spezialist für unterschiedliche IT-Themen oder als Systementwickler.

Fachkenntnisse sind das eine, Soft skills das andere. Und davon fordern die Arbeitgeber reichlich. Zu ihnen gehören Team- und Geschäftsorientierung sowie Kommunikations- und Präsentationsfähigkeit. "IT-Profis müssen die Anforderungen der Kunden verstehen, zuhören und die meist komplexe Aufgabe in möglichst kurzer Zeit lösen können. Das geht nur im Team", so Daum von BTC. Hinzu kommt ein Grundverständnis für den Vertrieb, wie Lynx-Vorstand Popall erläutert: "Ein Berater muss in jedem Fall mit den Kunden sprechen können. Er muss kein Verkäufertyp sein, aber sollte das Unternehmen beim Auftraggeber vertreten."

Reine Programmier-Freaks finden deshalb auf dem Arbeitsmarkt wenig offene Stellen. Im Gegensatz zu den Boom-Jahren ist für eine erfolgreiche Bewerbung heute ein anerkannter Abschluss nötig - am besten im IT-Bereich. "Quereinsteiger oder Umschüler aus anderen Berufen ohne IT-Erfahrung haben so gut wie keine Chance", meint Mankus. Wer zudem keine mentale und räumliche Mobilität und Flexibilität zeigt, tut sich erst recht schwer, Arbeit zu finden. Jede dritte Bewerbung sortiert IDS-Scheer-Personalerin Clarner aus, da die Kandidaten nicht über die nötigen Kenntnisse verfügen, nicht zur Kultur des Unternehmens passen oder überspannte Gehaltsvorstellungen mitbringen. "Eine Bewerbung muss zu über 90 Prozent auf die ausgeschriebene Stelle passen", sagt Andreas Klinder, Senior Consultant beim IT-Personaldienstleister Computer Futures Solutions. Manchmal sind es aber auch banale Gründe, die zu einer Ablehnung führen wie unvollständige Bewerbungsunterlagen oder unlesbare Kopien. "Mit seinen Unterlagen zeigt der Bewerber, wie ernst es ihm ist. Ein mangelhaftes äußeres Erscheinungsbild kann dazu führen, dass die Bewerbung in den Papierkorb wandert. Da mag die Qualifikation des Bewerbers noch so gut sein", so Klinder. (hk)