Ephos mit Akzeptanzproblemen bei der oeffentlichen Hand IT-Richtlinie fuer Behoerden: OSI ist nicht mehr Mass aller Dinge

24.11.1995

BONN (jha) - Die IT-Empfehlungen fuer die oeffentliche Hand - kurz Ephos genannt - weichen vom strengen OSI-Kurs ab. Auf der ersten deutschen Ephos-Konferenz in Bonn oeffnete sich die EU-Initiative fuer Industriestandards. Das Interesse an diesen Richtlinien scheint auf Herstellerseite jedoch groesser als bei der eigentlichen Zielgruppe, der oeffentlichen Hand.

Von rund 50 Konferenzteilnehmern waren weniger als 20 Anwender aus der oeffentlichen Verwaltung, das Gros der Zuhoererschaft entsandten die IT-Hersteller. Bei den kommunalen Einrichtungen ist die Veranstaltung offensichtlich auf noch weniger Gegenliebe gestossen: Von den IT-Verantwortlichen in den Staedten und Gemeinden fand sich keiner in Bonn ein.

"Beim Thema Ephos denken viele gleich an OSI und an zwanghafte Normierung", vermutet Uwe Ossenberg, in drei Monaten scheidender Vorsitzender des Ephos Control Board. Die bisherige strikte Orientierung an OSI solle kuenftig jedoch einer pragmatischeren Haltung weichen. Grundlage fuer alle Ephos-Empfehlungen werden Stabilitaet und Dauerhaftigkeit der Verfahren sein (siehe Lexikothek).

Mit dieser Vorgabe legen die Ephos-Protagonisten auch ihre Ablehnung gegenueber De-facto-Normen ab. Verfahren und Techniken wie ATM, TCP/IP, SNMP, CD-ROM, der elektronische Handel und das Internet werden in den kuenftigen Orientierungshilfen fuer Behoerden beruecksichtigt. Die Interoperabilitaet zwischen den IT- Installationen aller oeffentlichen Einrichtungen, erklaertes wichtigstes Ziel der Ephos-Handbuecher, sollen marktgaengige Produkte ermoeglichen.

Marktentwicklung ist den Ephos-Strategen voraus

Ausgehend von Problemen in der Verwaltung, entwickeln die Ephos- Verantwortlichen weiterhin Strategien, die allerdings teilweise mit erheblichen Verspaetungen publiziert werden. Bis neue Vorschlaege und Verfahren den Weg durch die Instanzen gefunden haben, ist der Markt haeufig schon enteilt. So verzichtete die EU- Projektgruppe beispielsweise auf die Veroeffentlichung eines Leitfadens fuer OSI-basierte LAN-WAN-Installationen. Bei Fertigstellung hatte sich die Marktdominanz zu TCP/IP-Anwendungen verschoben - das OSI-orientierte Handbuch war somit ueberfluessig geworden.

"Solche Pannen duerfen nicht mehr passieren", warnt Ossenberg, der mittlerweile den oeffentlichen Dienst quittiert hat und kuenftig sein Glueck als selbstaendiger Berater sucht. Seine verbleibenden Kollegen arbeiten derweil an neuen Themen wie LAN, Weitverkehrsnetze mit X.25, ISDN und Verkabelung.

Der derzeit verfuegbare Leitfaden umfasst die Themen X.500, X.400, FTAM, EDI, OSI-Management, Dokumentenformate und virtuelles Terminal. Wichtig fuer den IT-Beschaffer ist immer der erste Teil des jeweiligen Moduls, der Einfuehrungen, Szenarien und Entscheidungshilfen enthaelt. Auf dieser Basis lassen sich eigene Beduerfnisse definieren, die dann im mittleren Abschnitt technisch beschrieben werden. Die Inhalte dieser Kapitel dienen als Vorgabe an Hersteller oder Lieferanten.

Hier erklaert sich auch das besondere Interesse der IT-Anbieter an der ersten deutschen Ephos-Konferenz. Sie kamen, um sich ueber aktuelle Entwicklungen und Anforderungen zu informieren, die an sie gestellt werden, falls sich die Ephos-Handbuecher bei der IT- Beschaffung in den Behoerden durchsetzen.

(Das Ephos-Handbuch erscheint im Bundesanzeiger Verlag, Koeln. Eine englische CD-ROM-Version ist im Ephos Awareness Office in Bierges, Belgien, erhaeltlich. Vorerst kostenfrei ist Ephos Online verfuegbar, und zwar unter der X.400-Adresse: S=ephos; O=ephos; P=kmd; A=dk400; C=dk sowie im Internet unter ephos kmd.dk. In beiden E-Mail-Systemen koennen auch Kommentare und Vorschlaege hinterlegt werden.)