Entwicklung eines strategischen Gesamtkonzepts bereitet in der Praxis vielfach Probleme:\ Traditioneller DV-Ansatz reicht oft nicht aus

10.04.1987

Gerade Großanwender haben heute mit einer Informationsvielfalt zu kämpfen, die sich oft nur schwer in ein Gesamtkonzept integrieren läßt. Dabei reichen die Mittel der herkömmlichen Datenverarbeitung manchmal nicht aus. einen umfassenden Lösungsweg zu gewährleisten. Klaus Weidemann* entwickelt deshalb eine Strategie für ein Informations-Management, das alle DV-technisch realisierbaren Bereiche eines Unternehmens einbindet.

Wenn auch anfangs nur zögernd, hat die Datenverarbeitung bei Kreditinstituten ihren Einzug vor allem im Bereich der Massendatenverarbeitung gefunden. Dabei war das primäre Ziel, die wachsenden Mengen von Konten und Geschäftsvorgängen mit Hilfe der Technik möglichst effizient und kostengünstig zu verarbeiten. Ein weiterer Aspekt war, den sich immer mehr diversifizierenden Bereich der Dienstleistungen mit technischer Unterstützung in den Griff zu bekommen und die Sachbearbeiter weitestgehend von Verwaltungsarbeiten zu entlasten, um sie wieder in verstärktem Maße für die Betreuung und Beratung der Kunden freizustellen.

Dabei begann sich schon abzuzeichnen, daß "an der Front" die Bedeutung und Information, die nun einfacher und schneller als früher zur Verfügung stand, klar erkannt und von dieser Seite ein relativ starker Druck auf die DV-Verantwortlichen ausgeübt wurde, um den ständig wachsenden Bedarf an Informationen und deren Aufbereitung optimal abzudecken. Dies führte letztlich zur "Öffnung" der reinen Batch-Verarbeitung und zur Entwicklung und Installation von Online-Systemen, die heute im wesentlichen das Rückgrat und die Basis für die Daten- und Informationsverarbeitung in der Bank bilden.

Diese Entwicklung ist prinzipiell abgeschlossen und bei den Kreditinstituten in mehr oder weniger ausgeprägter Form das "tägliche Brot". Das Rationalisierungspotential im Bereich der Massendatenverarbeitung ist auch weitestgehend ausgeschöpft.

Mit dem stetigen Wachstum des Geschäfts und der Verbreiterung der Geschäftsbasis durch stärkere Diversifizierung sowie Expansion auch im internationalen Bereich ergeben sich jedoch neue Probleme: Die vielfältigen Informationen aus den unterschiedlichen Bereichen sind zu konsolidieren und als ganzheitliches Instrumentarium dort zur Verfügung zu stellen, wo sie den optimalen Nutzeffekt erzielen.

Hier rächt sich nun teilweise das etwas überstürzte Vorgehen in der Vergangenheit, das aufgrund von fehlenden Gesamtkonzeptionen oder auch einfach aus der Situation heraus Anwendungsinseln entstehen ließ. Diese arbeiten auch heute noch auf der Basis veralteter Softwaretechniken und lassen eine Zusammenführung von Daten aus den unterschiedlichen Anwendungskomplexen fast unmöglich erscheinen, beziehungsweise erfordern bei der Realisierung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand.

Nun wäre es aber anmaßend, über diese Vergangenheit den Stab zu brechen. Zum einen standen die heute verfügbaren Hilfsmittel und Tools zum Zeitpunkt der Entwicklung dieser Software nicht zur Verfügung, und man war oft gezwungen, aus der Not eine Tugend zu machen. Andererseits haben sich die Anforderungen erst in den letzten Jahren rapide gewandelt. Weiterhin darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß in Anwendungskomplexen wie zum Beispiel der Kontokorrentverarbeitung ganz erhebliche Aufwendungen in Form von Manpower und Kosten stecken, die aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen heraus nicht einfach vom Tisch zu wischen sind.

Durch das rasche Wachstum der meisten Banken, sowohl im Geschäftsbereich als auch bei der Anzahl der Mitarbeiter, hat sich das Problem der Information in vielen Fällen potenziert. Die Informationssysteme waren dieser Entwicklung meist nicht mehr gewachsen.

Aus der Sicht der Führungsspitze muß es sicher oft unbefriedigend erscheinen, daß zwar an der Basis ein Überfluß von Informationen entsteht, aber das Topmanagement mitunter zu wenige, nicht aktuelle und teilweise sogar auch falsche Daten erhält. Hier gilt im übertragenen Sinn, daß "nichts so alt ist wie die Information von gestern".

Diese Problematik macht sich besonders auch im Informationsfluß bemerkbar, indem Informationen oft nur teilweise weitergegeben werden und auch noch "subjektiven" Veränderungen durch Fachabteilungen unterliegen. Auch die Fachabteilungen selbst stehen oft vor dem Problem, Daten nicht rechtzeitig oder nicht in der gewünschten Form zu erhalten, obwohl diese im System selbst verfügbar sind.

Umgesetzt auf ein "Ebenen-Modell", stellt sich dieses Bild als Zusammenspiel aus strategischem, dipositivem und operativem Bereich dar (siehe Abbildung 1).

Das Idealbild, das damit gezeichnet wird, beinhaltet einen optimalen Informationsfluß sowohl von oben nach unten wie auch umgekehrt, wobei die Daten beziehungsweise Informationen je nach Erfordernis konsolidiert, konzentriert und bedarfsgerecht aufbereitet werden. Entgegen dieser Idealvorstellung bestehen in der Praxis recht oft Lücken zwischen dem eigentlichen Informationsbedarf und der -versorgung. Dieses Gleichgewicht wieder herzustellen, ist die Aufgabe, der sich die Datenverarbeitung heute und in der Zukunft stellen muß.

Nun ist in diesem Zusammenhang auch zu sehen, daß es im Bereich der Kreditinstitute einen unterschiedlichen Stand der Datenverarbeitung gibt, so daß auch hier kein einheitliches Bild gezeichnet werden kann. Allerdings ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, daß sich die "besser informierten" Banken aufgrund ihres Informationsvorsprungs Erfolgspositionen im Markt aufbauen, die unter Umständen zu einer Wettbewerbsverzerrung führen können. Auch hier ist wiederum zu differenzieren, da auch Spezialisierung beziehungsweise der Aufgabenbereich oder auch die Unternehmensstrategie, für diese Aussage eine entscheidende Rolle spielen.

Insgesamt gesehen ist jedoch dem Bereich der Informationsverarbeitung auch von der strategischen Ebene aus eine stärkere Bedeutung zuzuordnen, da in einer Zeit, in der sich die Margen im Geschäft immer mehr verengen, der aktuellen und umfassenden Information ein wesentlich stärkeres Gewicht beizumessen ist, um auf Veränderungen im Markt rechtzeitig und richtig reagieren zu können. Auch gilt es, neue Anforderungen im nationalen und internationalen Umfeld abzudecken. Dies bedeutet letztlich, daß von der DV eine enorme Flexibilität erwartet werden muß, um sich den rasch wandelnden Gegebenheiten anzupassen.

Die Erkenntnis, daß eben diese Forderungen mit den traditionellen Mitteln nicht mehr zu realisieren sind, hat sich heute mehr oder weniger bei den meisten DV-Verantwortlichen durchgesetzt. Allerdings besteht gerade beim Topmanagement und auf der mittleren Führungsebene noch Nachholbedarf im Hinblick auf die Akzeptanz der Notwendigkeiten und des damit verbundenen Aufwandes.

Die Entwicklung der "klassischen" Massendatenverarbeitung ist prinzipiell abgeschlossen. Ferner stehen durch diese Prozesse eine Unmenge von Daten aus allen Sparten der Bank zur Verfügung, die sich teilweise durch eine kaum mehr zu bewältigende Flut von Papier manifestieren. Allerdings ist der Informationswert dieser Listen jedoch teilweise längst überholt, da es sich um Inhalte oder Formate handelt, die vor Jahren definiert und implementiert wurden, heute aber nicht mehr dem Bedarf entsprechen.

Oft ist auch festzustellen, daß Organisationsstrukturen der DV angepaßt werden müssen, anstatt sich einem geänderten Umfeld flexibel ein gliedern zu können. Daher setzt sich auch hier allmählich die Erkenntnis durch, daß mit den herkömmlichen Mitteln dieser Problematik nicht beizukommen ist, da die relativ "unflexible" Groß-DV auf kurzfristige Anforderungen nur mit einem unverhältnismäßig hohen Zeit- und Kostenaufwand reagieren kann. Zudem erfordern die gewachsenen und komplexen Realtime-Systeme mit zunehmender Integration und den qualitativen und quantitativen Anforderungen mehr und mehr Aufwand an Wartung und "Beherrschung" .

Hier nun scheint die "individuelle Datenverarbeitung" eine Chance zu bieten, die Anforderungen kosteneffizient abzudecken. Durch die Entwicklungen im PC-Bereich boten sich Möglichkeiten, an die noch vor einigen Jahren in diesem Umfang überhaupt nicht zu denken war. Und das, obwohl man speziell im Bankenbereich dem "Newcomer" PC anfangs eher skeptisch gegenüber stand und ihn mehr als "Spielzeug" betrachtete, das allenfalls den "Spieltrieb" einiger "Freaks" befriedigen könnte.

Dieses Bild jedoch hat sich sehr schnell gewandelt und zu einer Vorgehensweise geführt, die in diesem Rahmen schnell ins andere Extrem umschlug: Die Abteilungen, die am lautesten ihre Forderungen im Informationsbereich anmeldeten, wurden in Massen mit PCs ausgestattet, und man meinte, damit alle Probleme gelöst zu haben.

Der Effekt, der sich nun zeigt, kann in dieser Form keinesfalls gewollt sein. Denn es ist eine Heterogenität der Informationen entstanden, die in den meisten Fällen nicht mehr konform zum Gesamtkonzept ist. Zwar wurde subjektiv gesehen der Bedarf an individueller Information befriedigt, allerdings mit einem nicht mehr zu vertretenden Aufwand an Datenredundanz und personellem Aufwand aufgrund von erforderlichen Doppelerfassungen.

Es ist zweifelsohne richtig, daß drängende Probleme scheinbar gelöst wurden, aber mit Sicherheit nicht mehr kosteneffizient. Hier gilt es, schnellstmöglich dafür Sorge zu tragen, diese Entwicklung wieder in geordnete Bahnen zu leiten und sie in das Gesamtkonzept der ganzheitlichen Informationsverarbeitung zu integrieren. Die bedürfnisgerechte Versorgung und die betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Aspekte müssen wieder in Einklang gebracht werden.

Dies bedeutet, daß die Daten- und Informationsflüsse sowie die vorhandenen Techniken optimal in Einklang gebracht und konzeptionell Vorkehrungen getroffen werden müssen, die in Zukunft einen "Wildwuchs" in diesem Umfeld verhindern. Dieser Aufgabenbereich wäre hierarchisch dem "Informations-Management" zuzuordnen, das allerdings in den meisten Institutionen noch geschaffen werden muß. Hier ist wiederum die Führungsspitze aufgerufen, sich mit diesem neuen Aufgabenbereich auseinanderzusetzen und auch für eine entsprechende hierarchische Einordnung zu sorgen, die dem Stellenwert angemessen ist.

Nicht vergessen werden sollte dabei, daß alle Ebenen der Hierarchie auf ein solches Konzept einzustimmen sind und die erforderliche Neuorientierung durch entsprechende Maßnahmen im organisatorischen und personellen Bereich synchron begleitet wird. Erste Ansätze in Richtung einer Neuordnung sind erkennbar durch die Institutionalisierung sogenannter "Benutzerzentren", die, meist ausgestattet mit Werkzeugen der vierten Generation, "individuelle Informationsauswertungen" unter Zugriff auf Spiegelbestände gestattet.

Im Gegensatz zu früher sind die betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Forderungen im Umfeld der Kreditinstitute ebenfalls einem Wandel ausgesetzt. Die wichtigsten Aspekte hierbei sind:

- papierarme Sachbearbeitung unter Einsatz von geeigneten technischen und kommunikativen Hilfsmitteln;

- Bearbeitung von Geschäftsvorfällen "als Ganzes", nach Möglichkeit am Ort der Entstehung;

- dezentraler Einsatz der DV-Mittel, Verlagerung "vor Ort";

- integrierte, multifunktionale Arbeitsplätze, die je nach Bedarf Daten-, Text-, Bild- und Sprachverarbeitung ermöglichen.

Die technischen Voraussetzungen hierfür sind heute in hohem Maße verfügbar. Eine wesentliche Rolle spielen dabei auch die als Standard auf dem Markt verfügbaren Softwareprodukte. Datenbanken oder Spreadsheet-Anwendungen, einschließlich der entsprechenden Endbenutzer-Werkzeuge wie Abfragesprachen und integrierte Grafiken, dienen dazu, um die vielfältigen und komplexen Anforderungen der individuellen Datenverarbeitung zu erfüllen. Vorbedingung ist allerdings der unter betriebswirtschaftlichen Aspekten geplante und kontrollierte Einsatz dieser Mittel.

Ziel eines Informations-Managements muß aber auch sein, diejenigen Informationen, die im weiteren Umfeld des Bankbetriebes, also außen entstehen, in die betriebliche Informationsverarbeitung einzugliedern. Denn auch diese Datenbestände sind von maßgeblicher Bedeutung für Planung und Lenkung eines Kreditinstituts.

Zwar handelt es sich dabei nicht unbedingt um gesicherte Daten, auf denen Entscheidungen basiert werden können, aber trotzdem sind solche Informationen wesentlicher Bestandteil für eine umfassende Entscheidungsfindung. Hierzu gehören ursächlich auch Informationen aus dem politischen und wirtschaftlichen Bereich. Diese haben notwendigerweise nicht nur Gegenwarts-, sondern auch Zukunftscharakter, um zu gewährleisten, daß frühzeitig Maßnahmen getroffen werden können, um von Entwicklungen nicht überrascht zu werden. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Schuldenkrise der südamerikanischen Länder.

In gleichem Maße ist es unerläßlich geworden, auch dem Informationsfluß nach außen einen entsprechenden Stellenwert beizumessen. Gerade im Bereich der internationalen Konzernkunden ist die Überleitung von Daten im Rahmen von sogenannten Cash-Management-Systemen ein wesentlicher Faktor, um den

Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern sicherzustellen. Die Informationsinhalte dürfen sich aber nicht nur auf die .,klassischen Daten wie Kontostand oder Umsatzdaten beschränken, sondern es müssen auch weitergehende Informationsleistungen angeboten werden, wie zum Beispiel aktuelle Devisen- und Börseninformationen oder Wirtschaftsdaten.

Der Umfang des "Electronic Banking", wie es auch richtungsweisend von den amerikanischen Geldinstituten entwickelt wurde, muß konzeptionell auch hier Eingang finden. Gleichzeitig sollten aber diese Systeme auch die Möglichkeit für die Bank selbst bieten, Informationen aus dem eigenen internationalen Filialnetz zu sammeln und wiederum in die eigene Informationswelt zu integrieren.

Auch das Feld der Bürokommunikation soll hier Beachtung finden. Im Gegensatz zu der offenbar noch weitverbreiteten Ansicht, daß IDV und Bürokommunikation unterschiedliche Bereiche darstellen, ist eine Trennung heute eigentlich nicht mehr möglich. Vielmehr müssen beide als integraler Bestandteil des Informations-Managements in der Bank gesehen werden, da die Verflechtung der Aufgaben am Arbeitsplatz eine getrennte Betrachtung eigentlich nicht zulassen kann.

Ziel sollte es sein, Anwendungen wie Textverarbeitung, Planungsinstrumente oder Electronic Mail in den Gesamtkomplex Informationsverarbeitung zu integrieren, um den optimalen Nutzeffekt zu erreichen (siehe Abbildung 2).

Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist auch die Einbindung der Kundschaft in den Rahmen der technischen Innovationen in diesem Bereich. In starkem Maße wird bereits heute der Kunde mit der Technik konfrontiert und muß lernen, diese auch zu akzeptieren beziehungsweise sie konform für seine Belange zu nutzen. Fehlt diese Akzeptanz, besteht die Gefahr, daß mühsam gewonnene Geschäftsverbindungen wieder verlorengehen. Hier müssen geeignete Schulungsmaßnahmen geplant und realisiert werden, die auch psychologisch die gewisse Brisanz dieser Thematik berücksichtigen.

Auch die Auswirkungen der "neuen Technologien" auf das soziale Umfeld müssen untersucht und geeignete Maßnahmen getroffen werden, um die Mitarbeiter in allen Bereichen auf den Umbruch herkömmlicher Strukturen und Organisationsformen vorzubereiten. Die Akzeptanz auf allen Ebenen ist unabdingbare Voraussetzung für ein optimal funktionierendes Informations-Management.

Daß sich der Trend letztlich in Richtung auf eine Informationsgesellschaft hin bewegt, kann heute wohl kaum noch abgestritten werden. Daraus ergibt sich die Forderung, die Zeichen zu erkennen und die Entwicklungen in der bestmöglichen Weise zu nutzen.

Es kann auch nicht länger geleugnet werden, daß die traditionelle DV in absehbarer Zeit sterben und von der Informationsverarbeitung abgelöst werden wird. Auch die Öffnung hin zu neuen Strategien, wie zum Beispiel der Einsatz von Expertensystemen, stellt veränderte Anforderungen an das unternehmerische Denken und Handeln, wenn die sich bietenden Möglichkeiten zum Wohl des Unternehmens genutzt werden sollen.