Entwickler kennen keine Krise

18.03.2009
Programmierer werden nach wie vor gesucht. Neben einem fundierten Basiswissen legen Systemintegratoren und Softwarehersteller vor allem Wert auf Teamfähigkeit.

Die Softwareentwicklung scheint krisenresistent zu sein. Auch beim Chiphersteller Intel. Alex Klimovitski, dort langjähriger Entwicklungs-Manager, dessen "Truppe" die Softwarehäuser bei der Anpassung ihrer Programme an Intel-Prozessoren unterstützt, benennt die große Breite der Anwendungen und Branchen als Grund für das ungebrochene Wachstum des Software-Engineerings.

Nicht dogmatisch an einer Technologie festhalten

Das IT-Beratungshaus BTC mit Sitz in Oldenburg und 1300 Mitarbeitern sucht derzeit 70 Entwickler – bei insgesamt über 150 offenen Positionen. BTC-Vorstand Jörg Ritter erläutert die Ursache: "Erstens sind wir thematisch breit aufgestellt, und zweitens hat speziell die Energiebranche, in der wir unter anderem tätig sind, durch die verordnete Liberalisierung enorme IT-Herausforderungen zu bewältigen." Eine davon sei die Verordnung zum Erlass von Regelungen über Messeinrichtungen, die ab Anfang 2010 für eine viertelstundengenaue Verbrauchsmessung bei den Stromkunden sorgen soll. Das Handling der Datenmassen, die zukünftig in die verschiedenen Systeme der Energieversorger fließen werden, ist eine besonders IT-intensive Aufgabe. Auch in der Gesundheitsbranche werden laut Ritter Entwickler gesucht.

Die GFT Technologies AG mit Sitz in Stuttgart und rund 1000 Mitarbeitern, bei der Jürgen Herzog für das Projekt-Management zuständig ist, sucht ebenfalls "gute Entwickler und Freiberufler".

Die Anforderungen, die Programmier-, Systemhäuser oder Consulting-Unternehmen an ihre Entwickler stellen, können ganz unterschiedlich sein. Bei der GFT etwa müssen Bewerber nicht zwingend ein Informatikstudium vorweisen. Herzog: "Ein Bewerber sollte eine Programmiersprache können, eine gewisse technische Affinität besitzen und sich nicht auf eine bestimmte Technologie festlegen." Fast im gleichen Atemzug bringen Vertreter von Softwarehäusern Soft Skills wie Flexibilität, Management-, Kommunikations- und Teamfähigkeit zur Sprache – Forderungen, die fast jede Stellenanzeige zieren. "Ich kenne keine Person, die das alles kann", widerspricht Intel-Mann Klimovitski und lenkt den Fokus auf eine eher übergreifende Eigenschaft: "Ich kenne aber sehr viele Menschen, die motiviert werden können." Deshalb spielt für ihn die "Offenheit" eines Bewerbers eine zentrale Rolle bei der Kandidatenauswahl.

Service-orientierte Architekturen verändern Berufsanforderungen

Die Frage sei allerdings, wie man sein Spezialwissen in andere Bereiche einbringe, betont Klimovitski. So hat er zum Beispiel die Erfahrung gemacht, dass Entwickler, die vorher im High-Performance-Computing-Bereich operierten, sehr gut auf dem Feld der Business Intelligence (BI) arbeiten. BI ist laut Rom de Vries, Vorstand im Oberhachinger IT-Beratungshaus Skytec, eines der immer noch stark nachgefragten IT-Felder. Auch für de Vries ist es wichtig, dass ein Mitarbeiter "nicht dogmatisch an einer Technologie festhält".

Die gewünschte Offenheit hat auch etwas mit der gegenwärtigen technischen Landschaft, in der sich Anwendungsunternehmen, Entwickler und Berater bewegen, zu tun. Mit der Service-orientierten Architektur (SOA) ist auf der einen Seite das architektonische Denken zu einem Muss in der IT-Entwicklung geworden. Gleichzeitig hat sie das Thema der Systemintegration in den Mittelpunkt fast allen Handelns der IT-Berater gestellt. "Heute geht es sehr oft um die Konstruktion von Anwendungslandschaften und die Modellierung von Prozessen. Aus diesem Grund sind Prozess-Know-how und architektonisches Denken besonders wichtige Skills", meint BTC-Manager Ritter.

Programmieren ist nicht immer spannend

Doch es sind nicht allein die Software- und Hardwareunternehmen, die Wünsche an ihre Kandidaten richten. Auch die Bewerber haben ihre Vorstellung, welche Arbeit sie gerne tun würden. Norbert Ferchen von der mittelständischen Consol Consulting & Solutions Software GmbH aus München, die 180 Mitarbeiter beschäftigt, erklärt: "Junge Entwickler sind oft an abgefahrenen Dingen interessiert; am liebsten würden sie nur an innovativen Themen mitarbeiten."

Doch der Alltag lässt dies nicht immer zu. Auch die Brot- und Butter-Aufgaben müssten erledigt werden. "Wir brauchen Entwickler für die relationale Datenbank", betont Ferchen, der darauf hinweist, dass sich die Karriere eines Softwareingenieurs – gerade in kleinen Softwarehäusern – in rasanten Schritten vollziehen kann. So hat der Entwickler die Möglichkeit, sowohl eine Führungs- als auch eine Fachlaufbahn einzuschlagen. Letzteres kommt den Entwicklern entgegen, die kein Interesse an Personal- oder Budgetverantwortung haben, dafür aber umso tiefer in die Materie eindringen möchten. Rom de Vries: "Hier haben Entwickler in kleinen Softwarehäusern einen klaren Vorteil gegenüber ihren Kollegen in großen Firmen. Wer eine Idee hat, wird auch ermuntert, sie sofort anzupacken."

Auch Einzelkämpfer bekommen ihre Chance

BTC räumt seinen Entwicklern sogar extra Freiräume dafür ein, Ideen zu entwickeln und auszuprobieren. Aus diesem Grund haben in Oldenburg auch Einzelkämpfer eine Chance, die von vielen Personalchefs – aufgrund ihrer oftmals schwach entwickelten Soft Skills – eher skeptisch beäugt werden. "Viele geniale Ideen kommen von Mitarbeitern, die analytisch denken", so Ritter. Solch einen Einfall zur Qualitätssicherung des Stroms aus den Windenergieanlagen haben die Oldenburger gerade beim Patentamt angemeldet. Für engagierte Programmierer, Informatiker und Entwicklungsspezialisten dürften die Betätigungsfelder also nicht ausgehen. (hk)