Outsourcing

Enttäuschte Hoffnungen

25.11.2009
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Die Nachteile: Abhängigkeit, teure Änderungen

Komplexität: In den vergangenen Jahren galt das selektive Outsourcing als idealer Weg zwischen der Komplettauslagerung und dem Eigenbetrieb. Die Idee dabei war, die IT in kleine, überschaubare Teile zu zerlegen und diese verschiedenen, spezialisierten Providern zu übergeben, um eine allzu enge Bindung an einen Full-Service-Provider zu vermeiden. Wohlweislich beschränkten sich die Aktivitäten oft auf Infrastrukturaufgaben und standardisierbare Services, die zumeist nicht sehr eng mit Applikationen des Kerngeschäfts verknüpft waren. Klare Schnittstellen und Standards sowie kurze Laufzeiten sollen das Abhängigkeitsverhältnis reduzieren und bei Bedarf einen schnellen Wechsel zu einem Konkurrenten ermöglichen. Die Integration der unterschiedlich ausgelagerten Dienste betreiben die Anwender im Haus. Die Schattenseiten dieses Modells offenbarte dann der Betrieb: "Die Unternehmen muten sich zu viel Komplexität zu", so Marcus Eul, Partner bei A.T. Kearney. "Teilweise ist ihnen die Aufgabe über den Kopf gewachsen. Sie haben sogar die Integration der ausgelagerten Dienste ausgelagert." Die Steuerung der Provider ist im selektiven Outsourcing extrem aufwendig.

Problematische Deals

Deutsche Post und HP: Die Partner hatten sich Anfang 2008 auf eine Auslagerung des Rechenzentrums mit einem geschätzten Volumen von drei Milliarden Euro geeinigt. Sechs Monate später beendete der Logistikkonzern die Liaison, nachdem er Risiken und Vorteile abgewogen hatte (siehe "Deutsche Post stoppt Auslagerung").

BMW und Arxes: Im April 2006 übertrug der Autokonzern dem Dienstleister die Betreuung von 36.000 IT-Arbeitsplätzen. Das war zu viel für den kleinen Provider. Es gelang ihm nicht, den Betrieb in die Gewinnzone zu führen.

Arcandor und EDS: Der mittlerweile insolvente Warenhauskonzern hatte 2007 die Anwendungsbetreuung und -entwicklung an EDS übergeben. Keine zwei Jahre später holte er die Aufgaben zurück. Die erhofften Einsparungen hatten sich nicht eingestellt (siehe Arcandor will IT ins eigene Haus zurückholen).

Starre Verträge: Als mahnendes Beispiel mag die Outsourcing-Strategie eines europäischen TK-Konzerns gelten. Der hatte vor Jahren den IT-Betrieb des Mobilfunknetzes, des Festnetzes und der ERP-Applikationen an unterschiedliche Provider vergeben. Die lang laufenden Abkommen des Carriers wurden vom Konvergenztrend eingeholt, sehr schnell mussten integrierte Anwendungen her. "Ein Desaster", blickt Eul zurück. "Die Outsourcing-Verträge waren nicht flexibel genug. Wenn sich das Geschäftsmodell ändert, müssen die Abkommen die Neuerungen abfangen können."

Aufwendige Vertragsgestaltung: Mit ihrer Unterschrift schaffen die Partner stabile Fakten, die kaum verträglich mit sich schnell wandelnden Geschäftsmodellen sind. "Es ist unglaublich schwer, Verträge zu gestalten", berichtet Andreas Resch aus seinem Erfahrungsschatz als ehemaliger Chef von Bayer Business Services (BBS). Heute betreut er als Managing Partner des Beratungshauses Modalis den insolventen Warenhauskonzern Arcandor und hat Einblick in Outsourcing-Verträge. Auch hier zeigt sich: "In einem Geschäftsfeld, das sich durch Akquisitionen, Veräußerungen, neue Produkte und Strategien stetig ändert, sind Outsourcing-Abkommen schnell hinfällig." In einer Situation, in der Unternehmen zügig handeln müssten, hätten sie kaum Verhandlungsspielraum gegenüber den Dienstleistern.

Teure Änderungen: Ursache vieler Übel in den Outsourcing-Projekten ist die Fixierung auf den Preis, der zu Beginn der Partnerschaft festgelegt wurde. Nicht nur in der vergangenen Wirtschaftskrise war die Schnäppchen-Jagd ein beliebter Sport unter deutschen CIOs. Verhandelt wurde, bis der Provider in die Knie gezwungen war. Das ist ein denkbar schlechter Start für eine jahrelange Partnerschaft, eine nachhaltige Geschäftsbeziehung ist damit kaum möglich. Die Reaktion der Provider ist absehbar. Bereiten ihnen die knappen Honorare dauerhaft Probleme, werden sie aus dem Vertrag aussteigen. Das ist aber selten. Üblicherweise sparen die Provider an der Qualität, so dass sie gerade noch das vereinbarte Niveau halten. Oder sie lassen sich jede im Vertrag nicht eindeutig definierte Änderung fürstlich entlohnen. Manchmal verfolgen sie auch beide Wege. Dann drohen unzufriedene Anwender und hohe, nicht einkalkulierte Kosten.

Übertragungskosten: Problemlos verläuft ein Deal selten. Vor allem in Vorhaben, in denen Mitarbeiter zum neuen Outsourcer wechseln sollen, ist Unruhe programmiert. Die betroffenen Kollegen müssen laut Gesetz sehr früh informiert werden. Während des Projekts, das oft mehrere Monate dauert, ist die IT mit sich selbst beschäftigt. Die Anwender in den Fachbereichen müssen sich mit Störungen im Ablauf abfinden.

IT-Ausrichtung: "Die wahrgenommene Qualität ist oft nicht befriedigend", weiß Hartmut Jaeger, Berater bei PA Consulting. "Viele Anwender sind der Meinung, der Übergang habe sich nicht gelohnt. Die Unternehmen vergessen bei der Planung, dass ein Outsourcing-Projekt nicht mit dem Übergang endet." Probleme, die sich im laufenden Betrieb einstellen, haben ihre Ursache oft in dem vom Management verfolgten Top-down-Ansatz. Die IT-Dienstleister definieren die Services, die sie dem Kunden bereitstellen. Doch das sind nicht immer die Dienste, die dieser will oder benötigt.