Entscheidungskriterien für den Speichereinsatz:Technologiesucht contra Investitionsrechnung

16.04.1981

Berichte über neue Speicherchips der Magnetblasentechnologie, Ankündigungen von Bildplattensystemen oder Nachrichten aus den Forschungslabors lassen auch heute noch das Herz zahlreicher DV-Professionals höher Schlagen. Man erwartet von diesen Technologien die Lösung bisher unbewältigter Datenspeicherungsprobleme .

Mit der Forderung nach Geld für neue Technik oder die Vertröstung auf eine rosige Zukunft blocken die Vertreter dieser Denkkategorien alle sachlichen Diskussionen dieses Themenkreises ab. Bei ihnen ist noch der Wunderglaube vorhanden, der früher die Lösung aller Probleme von der nächsten Hardwaregeneration erwartete. Daraus ist eine Technologiesucht entstanden die völlig unreflektiert immer die neuesten Systeme einsetzte. Heute verdrängt dagegen die nüchterne Kosten-/Nutzen-Betrachtung im Sinne einer Investitionsrechnung diese Technologiegläubigkeit. Es ist daher die Frage zu stellen, ob die Entwicklungen auf diesem Sektor der Online-Datenspeicherung so bedeutsam sind und so nahe vor der Tür stehen, daß sich das DV-Management damit befassen muß. Ich glaube nicht.

Der Einsatz von Peripheriegeräten zur Online-Datenspeicherung wird heute an drei Hauptkriterien gemessen: Kosten, Zugriffsaktivität und Lebensdauer der gespeicherten Daten. Diese drei voneinander abhängigen Parameter bestimmen das jeweils einzusetzende Peripheriegerät.

DV-Budget erlaubt keine Experimente

Die Kosten für ein auf Magnetplatten gespeichertes Megabyte bewegen sich heute schon in der Größenordnung von 100 Mark Kaufpreis und um drei Mieten pro Monat und werden weiter sinken, zwar nicht gravierend aber konstant. Mit diesen Preisen können die neuen Technologien in den nächsten Jahren mit Sicherheit nicht Schritt halten. Der vom allgemeinen Kostendruck geplagte DV-Manager wird daher gar nicht in die Verlegenheit kommen, Bubbles, Beams etc. einzusetzen. Sein Budget erlaubt solche Experimente nicht.

Die Zugriffsschnelligkeit ist da schon eher ein Argument, um ihn zur intensiven Auseinandersetzung mit der neuen Technologie zu zwingen. Immerhin existiert ja die vielbeschriebene Zugriffslücke zwischen 1 und 10(3) Mikrosekunden, die von Magnetic Bubble, Charge Coupled Devices und Electron Beam Addressable Memory geschlossen werden soll. Doch ist diese Lücke tatsächlich von so überragender Bedeutung? Im Alltagsbetrieb stellt sich doch eher das Problem, zur Verbesserung des Antwortzeitverhaltens die Anzahl der nötigen Plattenzugriffe zu senken beziehungsweise die Mittlere Zugriffszeit zu verbessern. Wird dazu vom Hersteller in die Platteneinheit ein Pufferspeicher integriert und damit der gewünschte Effekt erreicht, kann es jedem Verantwortlichen gleichgültig sein, ob dieser Puffer ein Random Access Memory (RAM), ein Magnet-Blasen-Speicher, ein Charge Coupled Devices oder ein Electron Beam Addressable Memory ist. Das wäre doch nur noch interessant, wenn wir heute die Ein- und Ausgabe noch selbst nach physikalischer Ebene oder als Microprogramm schreiben müßten. Da wir aber diese DV-Steinzeit schon weit hinter uns haben, ist für die Zukunft doch die einzig akzeptable Sicht der Dinge, die Zugriffsanforderungen zu spezifizieren, darüber die eigenen Probleme zu lösen und die technischen Probleme den Hardware-Herstellern zu überlassen.

Wird die Lebensdauer der Daten als dritter Entscheidungsparameter mit in die Überlegung einbezogen, ist dies sicherlich ein Grund, über den Platten-Tellerrand hinauszuschauen. Doch da ist heute noch das Magnetband und seine Verwandten, die Massenspeicher, die einzige erprobte und sichere Methode, Daten dauerhaft und maschinenlesbar auf kleinstem Raum zu speichern. Alle Neuankündigungen auf diesem Sektor werden kurzfristig noch nicht verfügbar sein und somit weder 1981 noch 1982 helfen, die Probleme zu lösen. Nur hier, im Bereich der Archivsysteme, wird mittel- bis langfristig ein neues Produktangebot in der entsprechenden DV-Strategie zu berücksichtigen sein. Sind aber die Archivprobleme so dringend, daß sie gelöst werden müssen, lassen sich auch mit dem Einsatz der heutigen Technologie eindeutige Nutzenvorteile errechnen. Die nötigen Investitionen lohnen sich also im Ernstfall heute schon. Sie zu verschieben und damit das Chaos zu vergrößern, nur weil die Rendite in ein paar Jahren eventuell noch größer wäre, kann ja wohl kein Argument sein. Hier gilt immer noch das Sprichwort vom Spatz in der Hand, der besser ist als die Taube auf dem Dache.

In der Summe ist es also für das DV-Management ganz interessant zu wissen, wohin sich die Speichertechnologie bewegt, aber diese Entwicklung ist gegenwärtig nicht entscheidungsrelevant. Insgesamt werden sich die neuen Technologien aber von Spezialgebieten am Rande Online-Datenspeicherung durchsetzen. Die Magnet-Bubbles werden zunächst im Speicherbereich bis fünf Megabyte die Festkopfplatten verdrängen, wohingegen die Massenspeichersysteme von Bildplatten (Digitale Laser-Technologie) auf Dauer ersetzt werden. Im Bereich der "normalen" Online-Datenspeicherung wird demgemäß auch weiterhin die Magnetplatte für die nächsten zehn Jahre die tonangebende Technologie sein. Also ist kein Grund vorhanden, verlockenden Sirenenklängen zu lauschen.