Disruption: Die Cloud war nur der Anfang

Entscheider müssen das Potential von Artificial Intelligence ausloten

28.02.2017
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René Büst ist Research Director in Gartners Managed Business and Technology Services Team mit Hauptfokus auf Infrastructure Services & Digital Operations. Er analysiert Entwicklungen im Bereich Cloud Computing (Anbieter von Managed Cloud-Services und Public Cloud sowie Cloud-Strategien wie IaaS, PaaS und Multicloud), digitale Infrastrukturen und Managed Services sowie den Einfluss der digitalen Transformation auf die IT. Seit Mitte der 90er Jahre konzentriert sich Herr Büst auf den strategischen Einsatz der IT in Unternehmen und setzt sich mit deren Einfluss auf unsere Gesellschaft sowie disruptiven Technologien auseinander.
Über viele Jahre hinweg wurde die Cloud als das disruptivste Element aller Zeiten betrachtet. Für die IT gilt dies unumstritten, nicht jedoch für den gesamten Enterprise-Stack. IT- und Business-Entscheider müssen sich heute auch mit dem Potenzial der Künstlichen Intelligenz auseinandersetzen.

Der Hype um Artificial Intelligence (AI) hat 2016 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Das Marktforschungs- und Beratungshaus Tractica geht davon aus, dass der weltweite jährliche Umsatz mit AI von 643,7 Millionen Dollar in 2016 bis 2025 auf 38,8 Milliarden Dollar anwachsen wird. Der Umsatz mit "AI Enterprise-Applikationen" soll von 358 Millionen Dollar in 2016 auf 31,2 Milliarden Dollar im Jahr 2025 steigen. Die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate liege bei stolzen 64,3 Prozent.

Mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Anwendungen entwickeln sich zum Milliardenmarkt.
Mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Anwendungen entwickeln sich zum Milliardenmarkt.
Foto: Willyam Bradberry - shutterstock.com

Die Cloud ist gekommen um zu bleiben - weiter geht's!

Die Cloud stellt einen Meilenstein in der Informationstechnologie dar. Weltweit sehen immer mehr Unternehmen dynamische Infrastrukturen und Plattformen als wesentlichen Teil ihrer IT-Strategie. In seinem jüngsten Report nennt Forrester Analyst Paul Miller einen wichtigen Hinweis, der das Cloud-Wachstum bestätigt. Er hat herausgefunden, dass "Cloud-Anbieter wie IBM und Interoute ihre Strategien dahingehend ausgerichtet haben, kleinere Rechenzentren über mehrere Länder hinweg zu verteilen. Nun folgen ihnen auch ihre großen Rivalen, um weitere Länder auf der Karte ihrer Rechenzentrumslandschaft hinzuzufügen." Sie verfolgten damit zum einen das Ziel, die Nachfrage zu bedienen. Zum anderen gehe es aber auch darum, den lokalen Marktanforderungen gerecht werden, beispielweise in Sachen Rechtsprechung. Laut Miller zielen mehrere Cloud-Anbieter auch auf andere europäische Länder wie Schweden, Finnland oder Italien.

Es lässt sich somit festhalten, dass die Cloud endgültig angekommen ist und als Grundlage für das Digital Enterprise gilt, indem sie die notwendigen Infrastrukturen und Plattformen oder Services bereitstellt. Dies ist eine wichtige Erkenntnis. Schließlich befinden sich Unternehmen weltweit mitten im Prozess der digitalen Transformation. Auf diesem Weg sind sie auf Lösungen angewiesen, die sie bei der technologischen Implementierung ihrer individuellen digitalen Strategie unterstützen, um eine Grundlage für neuartige Geschäftsmodelle und agile Geschäftsprozesse zu entwickeln.

Wer jedoch weiterhin denkt, dass es sich bei der Cloud um die disruptivste Kraft handelt, der sollte sich das Potential der Künstlichen Intelligenz, der AI, genauer anschauen. Die Cloud ist lediglich ein Mittel zum Zweck, um ein modernes digitales Unternehmen aufzubauen, das künftig mithilfe von AI gestaltet werden sollte.

Wilkommen in einer AI-defined World

Ausgehend von einer Infrastruktur-Perspektive sollte heute jedes IT-Managementsystem in der Lage sein, vollständig automatisiert das existierende Wissen der IT-Umgebung zu nutzen. So sollte beispielsweise das IT-Managementsystem wissen, wenn das Speicherbackend eines E-Mail-Servers nicht mehr ausreichend Speicherplatz besitzt. Dies lässt sich simpel anhand des durchschnittlichen E-Mail-Aufkommens pro Tag vorhersagen. Wird ein bestimmter Schwellenwert erreicht, fügt das System automatisch beziehungsweise autonom weiteren Speicherplatz aus einem Storage Pool (Software-defined Storage) oder von einem angebundenen Cloud-Storage-Anbieter hinzu.

Allerdings handelt es sich bei dieser sogenannten AI-defined Infrastructure nur um einen Teil der AI-Geschichte. Und auch wenn IT-Infrastrukturen als selbstverständlich betrachtet werden, ist Unternehmen aus der Old Economy zu raten, ihre AI-Reise auf Infrastruktur-Ebene zu beginnen, um ihr AI-defined Enterprise von unten heraus mit autonomen Automatisierungsfunktionen zu unterstützen. Tractica hat etwa 200 Enterprise AI Anwendungsfälle in verschiedenen Branchen identifiziert.

Artificial-Intelligence-Umsatz weltweit, 2016-2025
Artificial-Intelligence-Umsatz weltweit, 2016-2025
Foto: Tractica, 2016

Anders als die Cloud hat Künstliche Intelligenz einen großen Einfluss auf den gesamten Enterprise Stack, indem nahezu jeder Unternehmensbereich auf den Kopf gestellt werden kann. Zu den potenziellen Einflussbereichen zählen:

  • Ersatz wiederholbarer und manueller Aufgaben

  • Medizinische Diagnose und Gesundheitswesen

  • Automatisierter Kundenservice

  • Echtzeit Übersetzung und Spracherkennung

  • Identifizierung von Anomalien

  • Einkaufsvorhersagen

  • Betrugsaufdeckung

  • Empfehlungsunterstützung

  • Marktdatenanalyse

  • Automatisiertes Trading

Hierbei handelt es sich nur um eine kleine Auswahl von Bereichen, in denen AI künftig eine Rolle spielen wird. Sie zeigt allerdings, dass der moderne Enterprise Stack vollständig mit Artificial Intelligence definiert werden muss, um ein AI-enabled Enterprise zu schaffen. Denn nur wenn Unternehmen ihr Wissen gezielt einsetzen und dies mit ihren angrenzenden Umgebungen kombinieren und damit ihre eigene AI erschaffen, werden sie in Zukunft wettbewerbsfähig sein.