Interview

"Entscheidend sind die ersten 100 Tage"

11.08.2000
Mit Stefan Exner, Geschäftsführer der Baan Deutschland GmbH, sprach CW-Redakteur Robert Gammel

CW: Invensys hat 72 Prozent der Baan-Anteile unter seine Kontrolle gebracht. Das sind deutlich weniger als die angestrebten 95 Prozent und auch weniger als die vor einer Woche genannten 75 Prozent. Wie geht es weiter?

Exner: Als ersten Schritt hat sich Baan auf der Topmanagement-Ebene neu aufgestellt. Trotz der "nur" 72 Prozent wird Invensys Baan nicht weiter als eigenständiges Unternehmen an der Börse halten, sondern auf einem anderen Weg sehr schnell für die vollständige Kontrolle über Baan sorgen.

CW: Wie soll dieser Weg aussehen?

Exner: Das ist relativ einfach. Das gesamte Baan-Geschäft, das heißt die Rechte an der Software, die ganzen operativen Gesellschaften sowie die Markenrechte werden auf Invensys übertragen. Dann wird die alte Baan-Holding, die an der Börse gelistet ist, liquidiert. Der Wert dieses Verkaufs liegt bei 2,85 Euro pro Aktie und entspricht damit genau dem Invensys-Übernahmeangebot, so dass auch die verbleibenden Aktionäre nach der Liquidation 2,85 Euro bekommen.

CW: Welchen Zeitraum setzen Sie dafür an?

Exner: Am 18. August findet eine außerordentliche Hauptversammlung statt. Ein Tagesordnungspunkt wird sein, die Zustimmung der Aktionärsversammlung zu diesem Plan einzuholen. Die Mehrheit liegt eindeutig bei Invensys, und wir hatten schon zur letzten Hauptversammlung die Situation, dass Invensys mit nur 22 Prozent der Aktien 90 Prozent des anwesenden Kapitals repräsentierte. Natürlich müssen bestimmte Fristen eingehalten werden, wenn eine Gesellschaft formalrechtlich liquidiert wird. Das dauert bestimmt einige Monate, hat aber überhaupt keinen Einfluss auf das operative Geschäft und die neuen Management-Strukturen.

CW: Wird damit auch das Label Baan verschwinden?

Exner: Baan bleibt als Label erhalten. Es wird künftig eine Baan-Organisation innerhalb der Software- und Systems-Division von Invensys, abgekürzt ISS, geben. In ISS werden auch die anderen Softwareaktivitäten von Invensys eingebracht. Diese Division ist mit einem Umsatz von zwei Milliarden Dollar und rund 10000 Mitarbeitern groß genug für den globalen Wettbewerb. Baan wird etwa ein Drittel dieser Division ausmachen.

CW: Das hört sich zunächst nach Gemischtwarenladen an. Ist geplant, die verschiedenen Softwaresysteme zu integrieren?

Exner: Es handelt sich hier ja um Produkte, die in höchster Weise komplementär zueinander sind. Invensys hat im Anwendungsbereich zum einen Software, die unterhalb der Planungsebene liegt, die Baan abdeckt. Diese ist im Bereich der Steuerungs- und Maschinenebene angesiedelt. Zum anderen verfügt ISS über Software im Bereich der Prozessfertigung. Das sind die Marcam-Produkte. Baan dagegen adressiert die diskrete Fertigung. Es wird erwogen, von der elektronischen Anbindung des Kunden über E-Commerce bis hin zur Maschinensteuerung eine durchgängige Lösung zu schaffen.

CW: Das sind ehrgeizige Pläne. Kämpft Baan nicht immer noch mit der Integration von Aurum und anderen zugekauften Applikationen?

Exner: Das ist keine Sache, die man innerhalb von Tages- oder Monatsfrist bewältigt. Wichtig ist, eine klare Entscheidung zu treffen, auf welcher Basis man integrieren will. Baan bringt mit "Open World" eine XML-basierte Middleware-Technologie zur Anwendungsintegration in diese neue Verbindung ein. Die Integration wird sicher eine längere Zeit in Anspruch nehmen. Das geht nicht von heute auf morgen.

CW: Haben sich viele Kunden nicht schon woanders umgesehen?

Exner: Nein, wir sind in engem Kontakt zu unseren Kunden, und die haben ganz klar gesagt, dass sie den Abschluss der Übernahme abwarten und unmittelbar danach die Entscheidung treffen werden. Wir werden im vierten Quartal einen deutlichen Aufschwung sehen. Allen Yurko, CEO von Invensys, hat das Ziel genannt: Breakeven innerhalb von zwölf Monaten.

CW: Während der Übernahmegespräche war von 1000 Entlassungen die Rede.

Exner: Von Invensys ist die Zahl von 1000 Mitarbeitern innerhalb der ISS genannt worden. Ich kann im Moment nicht konkret sagen, was das für Baan bedeutet. Wir werden in erster Linie unsere administrativen Bereiche zusammenfassen und unsere Consulting-Mannschaft etwas verkleinern.