Textverarbeitung bei den Melitta-Werken:

Entscheidend ist die Motivation

11.03.1977

MINDEN - Die Melitta-Werke sind ein Großunternehmen mit sechstausend Mitarbeitern, die neben typischen Produkten wie Filtertüten, Kaffeefiltern und Kaffee auch keramische Ware, Haushaltshelfer, Kaffee-Großanlagen, Kaffeemaschinen, Fruchtsäfte und Zigarren herstellen: eine breite Palette von Artikeln, die eine wesentliche Rolle bei der Textverarbeitung spielen.

Vor etwa zehn Jahren steckte die Textverarbeitung im Hause Melitta noch in den Kinderschuhen. In Diktatzellen, die von den Mitarbeitern des Verkaufs aufgesucht wurden die Texte den Schreibdamen ins Stenogramm diktiert. Später machten Diktiergeräte diese Diktatzellen fast überflüssig, da Diktiergeräte individuell einsetzbar waren und Wartezeiten entfielen. Die entscheidenden Schritte waren dann die Einführung des "Sterndiktats" und die Einrichtung des "Zentralen Schreibzimmers". Dort schreiben derzeit sieben Damen für den gesamten Verwaltungsbereich zirka sechs Millionen Anschläge pro Monat. Zwei Textautomaten runden dieses Gesamtbild der Textbe- und -verarbeitung ab. Auch hier werden etwa sechs bis zehn Millionen Anschläge im Monat geschrieben.

Die technische Entwicklung allein macht noch keine Textverarbeitung gut und rentabel. Erst das Zusammenspiel - und das ist sehr wichtig - von Motivation der Mitarbeiter, von guten Texthandbüchern und entsprechenden Textautomaten bringt Erfolg. Bei Mitarbeitern, die nicht mit Texthandbüchern und Selektionen arbeiten wollen, läuft man gegen eine Wand.

Mit Bildschirm und Floppy

Das eingesetzte Textverarbeitungssystem ist eine Datic 2000 mit Bildschirm, Tastatur, Drucker und Zentraleinheit. Bestandteil der Zentraleinheit ist ein Rechner mit einem 16 KB-Speicher (für Betriebssystem und als Zwischenspeicher); eine Floppy-Disk-Station mit zwei Laufwerken, jede Floppy umfaßt 250 000 Zeichen bei einer Zugriffszeit von 400 Millisekunden, ein elektronisches Tastenfeld mit 46 Schreibmaschinentasten, zehn numerischen Blocktasten und vierzehn frei programmierbaren Funktionstasten sowie acht frei programmierbaren Leuchtanzeigen. Der Bildschirm faßt insgesamt 1024 Zeichen, das sind 16 Zeilen mit je 64 Zeichen; als Ausgabeschreibwerk dient ein Typenraddrucker mit brutto 3000 Zeichen pro Minute Druckgeschwindigkeit. Neben den allgemeinen Programmen, die durch den Anwender ergänzt werden können, besteht die Möglichkeit, spezielle Programme gegen Bezahlung herstellen zu lassen.

Diktieren über Telefon

Aus den möglichen Anwendungen des Systems zwei Beispiele:

Als erstes die Bausteinkorrespondenz mit Texthandbüchern, Abteilung Vertrieb. Das Texthandbuch beinhaltet die ausführlichen Textbausteine und die Ganzbriefe, nach Themen geordnet. Diese Blätter werden vor allem in der Einarbeitungszeit benötigt. Gleichzeitig aber werden Diktattabellen erarbeitet, die in übersichtlicher Kurzfassung ein vollständiges Diktat

ermöglichen und im Texthandbuch vor den Textblättern liegen. Schon nach kurzer Zeit kann der Sachbearbeiter nur noch mit Diktattabellen arbeiten, so daß das Texthandbuch auf wenige Seiten zusammenschmilzt.

Alle Mitarbeiter der Abteilung können über Telefon diese Selektion mit Angabe der Adresse und mit individuellen Daten zentral auf Platte des Sterndiktats diktieren. Die Schreibdame hört diesen Text ab und gibt ihn gleich abteilungsweise in das System ein. Jeder Bereich hat eine Code-Telefon-Nummer, über die er das Sterndiktat erreicht. So ist gewährleistet, daß bei der späteren Bearbeitung kein Diktatplatzwechsel am Textverarbeitungssystem erfolgen muß. Entsprechend hat auch jeder Bereich, also jede Abteilung, eine Floppy für sich. Die Mitarbeiter können das bestehende Diktatsystem auch für das Textverarbeitungssystem anwenden und brauchen nicht laufend umzustellen. Dieses System ersetzt den normalerweise auszufüllenden Schreibauftrag und hat sich bereits seit zwei Jahren in unserem Hause bewährt.

Plattenduplikat für die elegante Übergangslösung

Das zweite Beispiel ist die Bausteinkorrespondenz mit Rechenvorgängen. Melitta stellt auch Groß-Kaffeebrühanlagen her. In diesem Bereich werden Angebote, Auftragsbestätigungen, Rechnungen und dergleichen geschrieben. Diese Arbeit führt die Textverarbeitungsanlage aus. Alle Hotelgeräte sind im Texthandbuch erfaßt und können von den Sachbearbeitern zu einem kompletten Angebot beziehungsweise zur Auftragsbestätigung abgerufen werden. Ergänzt durch die Konditionen ist das Schriftstück dann komplett. Ein Schreibauftrag ist in diesem Bereich der Arbeitsauftrag. Die Ein- und Verkaufspreise sind bereits gespeichert und werden halbjährlich beziehungsweise jährlich geändert. Ein Plattenduplikat ermöglicht jeweils eine elegante Übergangslösung. Bei den Konditionen wird nur der Rabattsatz in Prozent eingegeben. Die Maschine addiert sämtliche Positionen, zieht auf Anforderung die Zwischensumme, ergänzt die Auftragsbestätigung durch die errechneten Rabatte und gibt schließlich die Endsumme aus. Die zweite Seite ist dabei kein Problem. Durch die Eingabe eines Codes wird der Formularvorschub schon beim Schreibauftrag vorbereitet, so daß beim Ausdruck automatisch der Seitenvorschub mit Angabe der Seitennummer von der Maschine durchgeführt wird. Diese Schreiben werden oft einmalig ergänzt, also mit zusätzlichen Texten versehen, oder es werden einmalige Preisänderungen vorgenommen. Beide berühren die Speicherplatte nicht. Die Preise oder Texte sind beim nächsten Gebrauch wieder in der Urform vorhanden. Die Anlage erreicht bei diesen mehrseitigen Angeboten etwa 250 000 Anschlage pro Tag.

Textverarbeitung läßt sich also auch in Verbindung mit Rechenprozessen realisieren - und das ist das Wichtige dabei: zu einem annehmbaren Preis. Gegenüber dem alten Verfahren wurden eingespart: Manuelle Einzelpreisangabe; manuelle Errechnung der Preise; Errechnen der Zwischensumme, der Rabattbeträge und der Endsummen. Einsparung durch die Umstellung: rund 40 000 Mark pro Jahr.

Franz Stadthaus ist Leiter der Textverarbeitung bei den Melitta-Werken, Minden.