Entlassungen? - Es geht auch anders

25.04.2002
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Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Der Mitarbeiter ist das höchste Gut: ein Satz, der inzwischen nur noch für die Firmenbroschüre taugt. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sehen Unternehmen in Entlassungen oft die einzige Möglichkeit, um die Kosten zu senken. Doch es gibt auch andere Wege, um gemeinsam mit den Mitarbeitern die Krise zu meistern.

"Eine Entkrustung des Arbeitsrechts" forderte Bitkom-Präsident Volker Jung zur CeBIT plakativ. "Die deutsche Kommunikationstechnik macht erstmals die Erfahrung, dass der Markt sich zyklisch entwickelt. Allerdings fehlt ihr die Flexibilität, um darauf zu reagieren. Betriebsbedingte Kündigungen sind schwierig, Personalabbau teuer", ergänzt Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Herstellerverbands. Für ihn steht das starre Arbeitsrecht dem bescheidenen Aufschwung im Weg, da es Firmen daran hindere, neue Jobs zu schaffen, zumal man die Mitarbeiter im Falle einer Flaute nur schlecht wieder losbekäme.

Kündigungsschutz ade?

Unter einer "Flexibilisierung des Arbeitsrechts" stellt sich Rohleder individuellere Verträge vor, bei denen die Angestellten in Hochphasen täglich auch mehr als zehn Stunden arbeiten könnten. Kürzere Kündigungsfristen von zwei Wochen zum Monatsende oder vier Wochen würden den Unternehmen mehr Spielraum geben. Außerdem sollten Entlassungen nicht mehr an einen Sozialplan gebunden sein, denn Firmen wollten auf keinen Fall ihre gut qualifizierten Mitarbeiter verlieren.

"Wir sind strikt gegen jede Aufweichung des Arbeitsrechts, die absolut nicht notwendig ist", entgegnet Dieter Scheitor, Teamleiter für die IT-Industrie beim Vorstand der IG Metall in Frankfurt am Main. "Wir werfen unser politisches Gewicht in die Waagschale. Unsere Mitglieder sind gut mobilisierbar, wenn es um den Kündigungsschutz geht. Selbst Leute, die sonst Distanz zur IG Metall haben, erwarten hier unsere Unterstützung." Laut Scheitor darf man nicht vergessen, dass in wirtschaftlichen Hochphasen das deutsche Arbeitsrecht den Unternehmen hilft, Mitarbeiter zu halten.

Rohleders Kritik an Sozialplänen kann der IG-Metall-Mann ebenfalls nicht teilen: "Bei guten Sozialplänen bleiben die Leistungsträger." Dazu gehöre eine ausgewogene Mixtur zwischen Altersteilzeit, attraktiven Abfindungsangeboten und Schutz für Mitarbeiter. Zudem hätten Firmen durchaus Möglichkeiten, flexibler zu reagieren, die Frage sei nur: "Wie teuer wird es?" Die Beschäftigten müssen sich allerdings frei entscheiden dürfen, ob sie beispielsweise eine Abfindung annehmen. "Sonst ist das Betriebsklima auf Jahre hinaus verdorben", warnt Scheitor.

"Die Forderungen des Bitkom sind weder neu noch originell", kommentiert Werner Dostal von der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. "Es ist fraglich, ob die IT-Branche immer noch etwas Besonderes ist", gibt der Arbeitswissenschaftler zu bedenken. Dem Vorschlag langer Arbeitszeiten kann er wenig abgewinnen. "Die junge Generation sieht das anders. Lange Arbeitszeiten widersprechen deren Lebensplan. Zehn Stunden am Tag geben nur Sinn, wenn es sich um mechanische Arbeiten an einer Maschine handelt. Bei anspruchsvoller Arbeit geht das nicht." Solche Zwänge ständen auch im Widerspruch zu einem selbständigen, zielorientierten Arbeiten.

Auch Silke Ruttkamp, Rechtsanwältin in der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Ulrich Weber und Partner, Köln, kann die Bitkom-Kritik nicht nachvollziehen: "Das deutsche Arbeitsrecht setzt keine zu starren Grenzen. Viele Arbeitgeber wissen einfach nur nicht die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Mit ein wenig Kreativität kann dem Bedürfnis nach größtmöglicher Flexibilität durchaus Rechnung getragen werden, etwa durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages mit der Vereinbarung, dass dieser auch ordentlich gekündigt werden kann, oder durch Rückgriff auf Leiharbeitnehmer."

Täglich stellen Ruttkamp und ihre Kollegen fest, dass Arbeitgeber einstellen, ohne vorher über ihre betrieblichen Bedürfnisse nachzudenken. "Im Nachhinein, wenn sich der Arbeitgeber dann von dem Mitarbeiter trennen will, können die begangenen Fehler nur noch schwer korrigiert werden, wenn der Arbeitnehmer einmal Kündigungsschutz erlangt hat, was in Betrieben mit regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmern bereits nach sechs Monaten der Fall ist."

Mitarbeiterbindung ist kein Thema mehr

Viele Unternehmen, die noch vor zwei Jahren über den Fachkräftemangel lamentierten, setzen heute alles daran, ihre Mitarbeiter wieder loszuwerden. Thomas Aurnhammer, Deutschland-Chef der Personalberatung MRI Worldwide, hat den Eindruck, dass die Kommunikation zwischen Management und Mitarbeitern in ökonomisch kritischen Zeiten gestoppt werde. Die Beschäftigten würden vielfach über die Zukunft des Unternehmens im Unklaren gelassen und ihre Ängste mitunter absichtlich geschürt, um sie gefügig zu machen. Manche Firmen gingen sogar so weit, Prämien oder das Weihnachtsgeld zu streichen, ohne vorher mit den Betroffenen zu sprechen.

Mitarbeiterbindung und -motivation sind offenbar kein Thema mehr. "Der Mitarbeiter war einmal das höchste Gut - zumindest in der Firmenbroschüre. Heute gehen die meisten Firmen davon aus, dass jeder froh darüber ist, seinen Arbeitsplatz zu behalten, und keine Bindungsmaßnahmen notwendig sind", so Aurnhammer. Eine Haltung, die dazu führen kann, dass die besten Kräfte gehen: "Die Firmen sollten weder am Personal noch an der Motivation der Mitarbeiter sparen, denn jeder Flaute folgt ein Aufschwung, für den man rechtzeitig die besten Talente braucht."

Solidarischer Gehaltsverzicht

Diesen Rat benötigt die Wacker Chemie nicht mehr, sie hat ihn schon im vergangenen Jahr beherzigt. Der international tätige Konzern beschäftigt immer noch 18000 Mitarbeiter, obwohl sein wichtiger Geschäftsbereich Halbleiter unter der massiv einbrechenden Nachfrage litt. Doch während Konkurrenten wie Infineon 5000 Mitarbeiter entließen, begegnete Wacker dem zyklischen Abschwung mit einer nachhaltigen Unternehmenspolitik und behielt Mitarbeiter und ihr Wissen im Unternehmen. Sachkostenbudgets wurden reduziert, erfolgsabhängige Bonuszahlungen gestrichen, Kurzarbeit bei Wacker Sintronic in Burghausen eingeführt, und alle Beschäftigten verzichteten auf 5,14 Prozent ihres Jahresgehalts, was bei tariflich bezahlten Mitarbeitern etwa 70 Prozent ihres 13. Monatsgehalts entsprach. Das Ergebnis: Einsparungen von 100 Millionen Euro ohne Personalabbau.

"Der Chemie-Tarifvertrag sieht vor, dass in bestimmten wirtschaftlichen Situationen die Gehälter bis zu zehn Prozent gekürzt werden können", erklärt Unternehmenssprecher Hans-Joachim Klinger, warum Betriebsrat und Gewerkschaft dem Gehaltsverzicht zustimmten. Gleichzeitig hielt sich die Unternehmensleitung auch an die nicht schriftlich dokumentierte Übereinkunft mit dem Betriebsrat, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Mittlerweile verspürt die Chipindustrie wieder Aufwind, und Wacker Chemie fühlt sich im Glauben an den Aufschwung bestätigt.

Dazu Klinger: "Das Gehaltsverzichtsmodell hätte nicht funktioniert, wenn die Konjunkturschwäche nicht überschaubar gewesen wäre. Denn solche Kürzungen, die jedem wehtun, müssen eine einmalige, zeitlich begrenzte Maßnahme sein." In guten Zeiten will der Konzern den Mitarbeitern das Geld, auf das sie verzichtet haben, zurückzahlen. Für ein ausgeglichenes Geben und Nehmen zwischen Arbeitgeber und -nehmer plädiert auch Rechtsanwältin Ruttkamp: "Arbeitnehmer, die sich zu einer temporären Gehaltsreduzierung bereit erklären, sollten darauf achten, dass der Arbeitgeber im Gegenzug für einen gewissen Zeitraum auf betriebsbedingte Kündigung verzichtet. Andernfalls kann es passieren, dass sie trotzdem ihren Arbeitsplatz verlieren."

Ruttkamp rät auch dazu, eine Sonderzahlung als Kompensation für den Gehaltsverzicht mit dem Arbeitgeber für den Fall zu vereinbaren, dass sich die wirtschaftliche Lage unvorhergesehen verbessern sollte. In der Praxis seien solche Vereinbarungen jedoch selten, denn: "Ganz häufig verzichten Arbeitnehmer darauf, weil sie sich aus Angst um ihren Arbeitsplatz nicht in der entsprechenden Verhandlungsposition fühlen oder aber vielmals aufgrund bloßer Unkenntnis."

 Sparen durch Arbeitszeitverkürzung

Auch in anderen Branchen, so in der Metallindustrie, existieren Beschäftigungssicherungstarifverträge, die eine Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit bei keinem oder nur geringem Entgeltausgleich ermöglichen. "Es ist für Mitarbeiter besser zu

Michael Weidinger

verkraften, wenn im Bedarfsfall die jahresbezogenen Entgeltbestandteile wie Weihnachts- beziehungsweise Urlaubsgeld oder sonstige Zusatzleistungen gekürzt werden als das Monatsgehalt. Bei dem Tausch Geld gegen Zeit sollte das Unternehmen auch darauf achten, die Zeitangebote so attraktiv wie möglich zu gestalten. Zudem sollte eine solche Aktion nur vorübergehend angelegt sein", sagt Michael Weidinger von der Berliner Arbeitszeitberatung Dr. Hoff Weidinger Herrmann. Das bisher umfassendste betriebliche Arbeitsumverteilungsprogramm setzte der Volkswagen-Konzern um, der alle Entgeltansprüche der Mitarbeiter, die über das monatliche Gehalt hinausgingen, in Zeit umwandelte und so die 28,8-Stunden-Woche finanzierte. Statt wie bei VW auf Dauer können Unternehmen diese "effektive Arbeitszeitverkürzung" auch vorübergehend anwenden, um Kosten einzusparen.

Auch moderne Arbeitszeit-Instrumente wie Langzeitkonten bieten die Chance, wirtschaftliche Durststrecken zu überbrücken. Dazu Weidinger: "Langzeitkonten können bei vorübergehender Umsatzschwäche abgebaut werden. Parallel zu den Guthaben werden die hierfür gebildeten Rückstellungen aufgelöst, so dass sich eine entsprechende vorübergehende Entlastung bei den laufenden Personalkosten ergibt." Der Aufbau eines Langzeitkontos setzt übrigens keine Zeiterfassung voraus, sondern nur eine gewisse Budgetierung. So kann ein Unternehmen beispielsweise vereinbaren, dass pro Woche zwei Überstunden auf dem Langzeitkonto gutgeschrieben werden.

 "Die meisten Firmen entlassen immer noch zuerst Mitarbeiter, auch wenn sie merken, dass Kündigungen schlecht für ihr Image sind. Allerdings habe ich den Eindruck, dass sich Firmen zunehmend für Langzeitkonten interessieren", beobachtet Arbeitszeitexperte Weidinger. Stecken Unternehmen bereits tief in den roten Zahlen, sei es jedoch zu spät, Langzeitkonten einzuführen. Außerdem rät Weidinger, eine einheitliche Regelung im Unternehmen zu finden, da man sonst zu sehr davon abhänge, wie viel der Einzelne auf das Langzeitkonto einbezahlt.

Auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basiert die "individuelle Arbeitszeitverkürzung" , die das Unternehmen auch vorübergehend anbieten kann. Um die Bereitschaft zu steigern, sollten auch hier möglichst viele unterschiedliche Arten zugelassen werden - von der Verkürzung der Tagesarbeitszeit bis hin zum Sabbatical oder vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand. Entscheidend für den Erfolg ist auch eine Unternehmenskultur, in der Teilzeitmitarbeiter nicht als Minderleister abgestempelt werden.

"Natürlich habe ich mich gefragt, welchen Einfluss die Auszeit auf meine Karriere hat und ob sie zu meiner Aufgabe als Teamleiter passt", erinnert sich Anton Obermaier, der sich im September als einer der ersten für das Timeout-Programm bei Siemens ICM (Information and Communication Mobile) gemeldet hatte. "Nach Gesprächen mit Kollegen, Vorgesetzten und der Personalabteilung bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass sie mir nicht schadet." Obermaier, der an der Verbesserung der Benutzeroberflächen von Handys arbeitet, nutzte die sechsmonatige Auszeit, um sich intensiv mit Fotodesign zu beschäftigen, hielt in der Zeit aber auch Kontakt zu seiner Abteilung und wirkte an Strategie-Workshops mit. Darum fiel ihm der Wiedereinstieg nicht schwer.

Auch Softwareentwickler Stefan Dillig, der sich drei Monate Timeout genehmigte, um mehr Zeit für den Hausbau und seine drei Kinder zu haben, empfand seine Rückkehr zu Siemens als problemlos: "Ich hatte keine Angst, technisch den Anschluss zu verlieren. Das Detailwissen muss man sich sowieso bei jedem Projekt neu erarbeiten. Bei sechs oder mehr Monaten wäre das vielleicht anders gewesen." Beide hoffen, mit ihrer Auszeit mitgeholfen zu haben, die Arbeitsplätze zu erhalten. Inzwischen haben 250 Mitarbeiter bei Siemens ICM am Timeout-Programm teilgenommen, das als Pilotprojekt startete und noch bis Ende des Geschäftsjahres im September weiterläuft. 75 Prozent der Teilnehmer haben sich für eine Auszeit von drei Monaten entschieden.

Dazu ICM-Personalchef Matthias Bellmann: "Dies wird unter anderem finanzielle Gründe haben: Bei dieser Variante zahlen wir 50 Prozent des monatlichen Bruttogehaltes, bei sechs, neun oder zwölf Monaten wären es 40, 30 beziehungsweise 20 Prozent." Das Einsparpotenzial kann Bellmann nicht beziffern: "Es entsteht an unterschiedlichen Stellen. Ein Beispiel sind die Kosten, die wir bei der Rekrutierung hätten, wenn wir Personal erst abbauen und dann nach einiger Zeit wieder neu aufbauen würden. Ein bedeutender Punkt, der sich nicht in Geld beziffern lässt, ist die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter." Obermaier und Dillig sind jedenfalls zufrieden, konnten sie doch erholt und mit frischen Ideen zurückkehren.

Ulrich Schnabel

Auf neue Ideen sollten sich Unternehmen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besinnen. Auch Innovationen und bisher unerschlossene Geschäftsfelder helfen, die Mitarbeiter weiterzubeschäftigen. Ulrich Schnabel vom Fraunhofer-Institut Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart entwickelt zusammen mit Unternehmen entsprechende Modelle: "Wir beraten Firmen, eine Innovationskultur zu etablieren, um so neue Umsätze zu generieren. Oft erkennen Unternehmen von sich aus nicht die Möglichkeiten, die sie mit ihrem wichtigsten Kapital, nämlich Wissen, ausbauen könnten."

Das IAO stellt bei den Projekten die Führungskräfte und ihre Vorbildfunktion in den Mittelpunkt. In der ersten Phase entstehen eine Beschreibung der Ist-Situation, eine Markt-analyse und eine Perspektive. "Wir sensibilisieren die Führungskräfte für die Schwachstellen,Herausforderungen und strategischen Ziele." In einer zweiten Phase entwickeln die IAO-Mitarbeiter mit den Führungskräften die Ideen zu tragfähigen Handlungsfeldern weiter. In einigen Fällen kann das auch heißen, dass Unternehmen Kerngeschäfte aufgeben und neue gestalten.

Durch Innovationen neue Umsätze generieren

Parallel zum Innovationsprozess fließen die Vorstellungen der Mitarbeiter in den Prozess ein, denn Neuerungen lassen sich nur mit einer breiten Übereinstimmung im Führungskreis umsetzen, so die Devise. Im dritten Schritt geht es um die Umsetzung und eine ständige Verbesserung. "Hier arbeiten wir kontinuierlich durch Coaching mit den Führungskräften", erklärt Schnabel. "Sie sollten beispielsweise Mitarbeiter zielorientiert fordern und fördern." Zudem müssen die Chefs vom neuen Kurs überzeugt sein.

In Workshops mit dem IAO erarbeiten sie mit den Abteilungen Umsetzungsvorschläge und vereinbaren einen Zeitplan, bis wann die neuen Ideen verwirklicht sein sollten. "Mit den Workshops allein kommen wir jedoch nicht immer dahin, wo die Glut oder das Innovationshemmnis sitzt", erklärt Schnabel, "denn wir erleben es immer wieder, dass Manager die Entscheidungen nicht umsetzen."

Hire & Fire - ein neuer Trend?

In unserem neuen Forum geht es um die Frage, ob das deutsche Arbeitsrecht zu antiquiert für die dynamischen Märkte ist und Innovationen verhindert. Die Standpunkte von Bitkom und Gewerkschaft stehen sich unversöhnlich gegenüber. Soll die "heilige Kuh" des Kündigungsschutzes geschlachtet und der Arbeitsmarkt stärker flexibilisiert werden? Behindern die Einschränkungen bei den Kündigungen den wirtschaftlichen Aufschwung? Braucht die IT-Branche eigene Regeln? Über diese Fragen möchten wir gerne in unserem neuen Forum "Hire & Fire - ein neuer Trend?" diskutieren. Wir freuen uns auf einen engagierten Disput mit Ihnen unter www.computerwoche.de/tp.

Klassiker Kurzarbeit

"Wir machen Kurzarbeit." Ein Satz, den die wenigsten Unternehmen gern über sich in der Zeitung lesen wollen, verbindet man damit doch das deutliche Signal, dass es der Firma nicht gut geht. Helmut Will vom Münchner Arbeitsamt kennt die Bedenken, wird aber nicht müde, für das probate Mittel zu werben: "So können Arbeitgeber auch in der Krise ihre eingearbeiteten Fachkräfte und die Arbeitnehmer ihren Job behalten." Allein in München nehmen derzeit 172 Firmen mit 7600 betroffenen Beschäftigten das Kurzarbeitergeld in Anspruch - dreimal so viel wie noch vor zwei Jahren. Damit das Arbeitsamt die Lohnausfälle der Mitarbeiter zum Teil bezahlt, muss der Arbeitsausfall vorübergehend und darf nicht branchenüblich oder saisonbedingt sein. "Meist sind es wirtschaftliche Gründe wie der eingebrochene Halbleiter- oder Handy-Markt", beschreibt Will. Nachweisen kann die Firma den Arbeitsausfall am besten durch zurückgegangene Umsatzzahlen. Zudem muss vorher

Resturlaub abgebaut werden. Mindestens ein Drittel der Beschäftigten des Gesamtunternehmens oder der Abteilung, die von Kurzarbeit betroffen sein soll, muss mit einem Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent im Monat belastet sein. "Kurzarbeit wird oft als Zwangsmaßnahme für das ganze Unternehmen missverstanden. Da-bei sollte sie nur dort eingesetzt werden, wo sich die Arbeit tatsächlich verringert hat und wo sie sinnvoll ist. Auf keinen Fall sollte der Vertrieb davon betroffen sein", erklärt Will. Das Kurzarbeitergeld kann in der Regel sechs Monate bezogen werden, eine Ausweitung auf 15 Monate ist möglich. Bei komplettem Arbeitsausfall können die Beschäftigten sogar ganz nach Hause geschickt werden, wobei ihnen ein Kurzarbeitergeld zwischen 60 und 67 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens bezahlt wird. Bei einer geringeren Reduzierung der Arbeitszeit wird der Zuschuss des Arbeitsamtes dann entsprechend prozentual errechnet. Der Arbeitgeber spart sich die Lohnkosten,

nicht aber die Beiträge für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung: Er muss 80 Prozent der Sozialabgaben bezahlen, die rechnerisch fehlen würden, wenn der Mitarbeiter seine Arbeitszeit reduziert. "Damit soll verhindert werden, dass der Mitarbeiter aus seinem sozialen Raster fällt", sagt Will. Ein weiterer Vorteil für den Arbeitnehmer ist, dass er im Falle einer Kündigung aus der Kurzarbeit herausgenommen werden muss und damit Arbeitslosengeld wie als ehemaliger Vollzeitbeschäftigter bezieht.